{"id":7363,"date":"2022-10-14T08:15:00","date_gmt":"2022-10-14T06:15:00","guid":{"rendered":"http:\/\/thecathwalk.de\/?p=7363"},"modified":"2022-10-14T13:54:38","modified_gmt":"2022-10-14T11:54:38","slug":"tolkien-uber-die-reformen-nach-dem-konzil-die-kirche-fuhlt-sich-an-wie-eine-falle","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/www.thecathwalk.de\/2022\/10\/14\/tolkien-uber-die-reformen-nach-dem-konzil-die-kirche-fuhlt-sich-an-wie-eine-falle\/","title":{"rendered":"Tolkien \u00fcber die Reformen nach dem Konzil: „Die Kirche f\u00fchlt sich an wie eine Falle“"},"content":{"rendered":"\n

Erstver\u00f6ffentlichung: 3. Januar 2017<\/p>\n\n\n\n

Tolkien war kein Freund der Liturgiereform, sondern blieb der Alten Messe verbunden. In der Neuen Messe gab er aus Protest immer die Antworten der Alten Messe auf Lateinisch. Ein Enkel Adam erinnert sich: „Ich erinnere mich lebhaft daran, dass ich ihm in Bournemouth in die Kirche gegangen war. Er war ein frommer Katholik, und es war kurz nachdem die Kirche die Liturgie von Latein auf Englisch ge\u00e4ndert hatte: Mein Gro\u00dfvater stimmte dem offensichtlich nicht zu und machte alle Antworten sehr laut auf Latein, w\u00e4hrend der Rest der Gemeinde auf Englisch antwortete. Ich fand die ganze Erfahrung ziemlich qu\u00e4lend, aber mein Gro\u00dfvater lie\u00df sich nicht beirren. Er musste einfach tun, was er f\u00fcr richtig hielt.“<\/p>\n\n\n\n

Tolkien res\u00fcmierte schon 1967: „Die „protestantische“ Suche r\u00fcckw\u00e4rts nach „Einfachheit“ und Direktheit – die nat\u00fcrlich gute oder zumindest verst\u00e4ndliche Motive enth\u00e4lt, ist ein Fehler und tats\u00e4chlich vergeblich. Weil „primitives Christentum“ jetzt und trotz aller „Forschung“ weitgehend unbekannt bleibt; denn „Primitivit\u00e4t“ ist keine Garantie f\u00fcr Wert und ist und war ein Spiegelbild von Ignoranz. Schwere Missbr\u00e4uche waren von Anfang an ebenso wie heute ein Element im christlichen liturgischen Verhalten“ (Brief an seinen Sohn Michael, Nr. 306, 1967\/68).<\/p>\n\n\n\n

Traditionelle Vorstellungen von Kirche und Gesellschaft ziehen sich durch die gesamten ver\u00f6ffentlichten Briefe Tolkiens. Tolkien war ein Freund der Natur und des konservativen Lebensstils. Im kirchlichen Bereich lobte er Papst Pius X., der vor allem durch seinen Kampf gegen modernistische theologische Ans\u00e4tze bekannt ist und einen Eid gegen den Modernismus einf\u00fchrte: \u201eIch denke, die gr\u00f6\u00dfte Reform unserer Zeit war die, die vom hl. Pius X. ausgef\u00fchrt wurde. Sie \u00fcberbietet alles, was das Zweite Vatikanische Konzil, mag es auch n\u00f6tig sein, erreichen wird“ (Brief an seinen Sohn Michael, Nr. 250, 1963).<\/p>\n\n\n\n

Die Reformen Pius X., die Tolkien hier lobte, meinen wahrscheinlich die Einf\u00fchrung der Kinderkommunion durch Pius X. (1910) und die Empfehlung, t\u00e4glich die Kommunion zu empfangen, wenn man im \u201eStand der Gnade\u201c ist. <\/p>\n\n\n\n

\u00dcber den Wandel nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil schrieb Tolkien: „Die Kirche f\u00fchlte sich einst an wie ein Zufluchtsort (\u201erefuge\u201c), jetzt f\u00fchlt sie sich oft an wie eine Falle (\u201etrap\u201c). Wir k\u00f6nnen nirgendwo sonst hin [\u2026]. Wir k\u00f6nnen nichts tun als f\u00fcr die Kirche, den Stellvertreter Christi und uns zu beten“ (Brief an seinen Sohn Michael, Nr. 306, 1967\/68).<\/p>\n\n\n\n

Des Weiteren empfahl Tolkien, die \u201eTugend der Loyalit\u00e4t\u201c, die besonders dann eine Tugend sei, wenn man unter dem Druck stehe sie aufzugeben. Was er hier wohl vor allem meinte, waren die (liturgischen) Reformen, die nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil \u00fcberall durchgef\u00fchrt wurden und 1970 zum neuen Messbuch Pauls VI. f\u00fchrten. Die Neue Messe reiht sich f\u00fcr Tolkien in die Erfahrung der Verluste ein, die f\u00fcr sein ganzes Leben pr\u00e4gend waren. Im Ersten Weltkrieg verlor er fast alle seine Freunde, sp\u00e4ter die gesellschaftliche und religi\u00f6se Ordnung, die er so liebte. <\/p>\n\n\n\n

Tolkien sah in vielen Vorg\u00e4ngen der 60er Jahre eine nahezu naive Schw\u00e4rmerei und kritisierte einen vermeintlichen R\u00fcckgang der Kirche zu den Anf\u00e4ngen sowie eine zu starke Modernisierung. <\/p>\n\n\n\n

Stattdessen sprach Tolkien von der Kirche als einem lebenden Organismus und verglich sie mit einer Pflanze. Im \u201eAggiornamento\u201c sah er ernste Gefahren (\u201egrave dangers\u201c), dies w\u00fcrde bereits die Geschichte zeigen. \u00d6kumenismus begr\u00fc\u00dfte er auf der einen Seite, fand ihn aber auch verwirrend. Ber\u00fccksichtigen muss man hier, dass Tolkien die Erfahrung von religi\u00f6ser Ausgrenzung gemacht hat. Als seine Mutter katholisch wurde, wurde sie von der anglikanischen Verwandtschaft versto\u00dfen. Tolkien hatte zeitlebens eine starke Abneigung gegen die \u201eChurch of England\u201c. <\/p>\n\n\n\n

Kirchenskandale und Mittel gegen Glaubenszweifel<\/h2>\n\n\n\n

In dem Brief an seinen Sohn Michael kommt auch die Frage auf, wie man mit Skandalen bei Laien und Priestern umzugehen habe. Dazu sagte Tolkien: „Die Versuchung zum \u201aUnglauben\u2018 [\u2026] ist immer in uns. Ein Teil von uns sucht nach Entschuldigungen, die von au\u00dfen kommen. Je gr\u00f6\u00dfer die innere Versuchung, desto eher und heftiger sind wir bereit von anderen \u201askandalisiert zu sein\u2018“ (Brief Nr. 250\/1963).<\/p>\n\n\n\n

Tolkien sagt, er habe schrecklich gelitten unter \u201edummen, m\u00fcden, stumpfen und schlechten Priestern\u201c. Doch er hatte eine Gewissheit: \u201eIch kenne mich nun gut genug, um mir bewusst zu sein, dass ich nicht die Kirche verlassen soll\u201c.<\/p>\n\n\n\n

W\u00fcrde Tolkien die Kirche verlassen, hie\u00dfe das f\u00fcr ihn die \u201eheilige Kommunion\u201c zu verleugnen und den Herrn [Jesus Christus] einen Schwindler zu nennen. Er schrieb weiter, dass er an die Wahrheit der Evangelien glaube und daran, dass die Kommunion das einzige Heilmittel gegen das Nachlassen des Glaubens sei. Tolkien glaubte an die katholische Kirche: <\/p>\n\n\n\n

„Ich selbst bin \u00fcberzeugt von den petrinischen Anspr\u00fcchen (\u201ePetrine claims\u201c), auch wenn man sich \u00fcberall auf der Welt umsieht, scheint es keinen gro\u00dfen Zweifel zu geben, welche (wenn das Christentum wahr ist) die wahre Kirche ist, der Tempel des Geistes, sterbend aber lebend, korrupt aber heilig, selbstreformierend und wiedererstehend.“ Die Hauptaufgabe der Kirche liege darin, diejenige zu sein, die die hl. Kommunion verteidigt.<\/p>\n\n\n\n

Die gro\u00dfe Kraft und Hoffnung, die der Glaube geben kann<\/h2>\n\n\n\n

Tolkien schrieb auch \u00fcber die Gefahr des Zynismus und sagte, er neige weniger zum Zynismus, wenn er sich an seine eigenen S\u00fcnden und Torheiten erinnere (Nr. 250\/1963). Seine Zeit jedoch sei gepr\u00e4gt von Hohn und Zynismus (\u201esneer und cynicism\u201c). Gleichzeitig gebe es aber eine \u201eumgedrehte Heuchelei\u201c, da Menschen sich schlechter darstellten als sie seien. <\/p>\n\n\n\n

In Christus sah Tolkien denjenigen, der letzte Hoffnung und Heilung geben kann: \u201eDer Heiler ( der Hailend<\/em> wie der Erl\u00f6ser \u00fcblicherweise auf Altenglisch genannt wurde) soll meine Fehler heilen und du sollst nie aufh\u00f6ren zu rufen: Benedictus qui venit in nomine Domini<\/em>.\u201c \u2013 Gelobt, der da kommt im Namen des Herrn.<\/p>\n\n\n\n

Quelle der Zitate Tolkiens (\u00fcbersetzt vom Autor):<\/p>\n\n\n\n