Dienstag, 26. November 2024

Warum „Last Christmas“ KEIN Weihnachtslied ist!

Von Stefan Ahrens

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(Wham!: „Last Christmas“- Originalvideo)

Kein Glühweinstand, kein Shoppingcenter, kein Radio und erst recht keine Ohrmuschel ist Jahr für Jahr im Advent vor “Last Christmas“ sicher. Für viele gehört der von George Michael geschriebene und vom britischen Pop-Duo „Wham!“ 1984 erstmals veröffentlichte Song in der Vorweihnachtszeit einfach dazu, für andere stellt er einen klaren Verstoß gegen die Antifolterkonvention der Vereinten Nationen dar.

Auf den Punkt gebracht: Last Christmas ist sowohl der meist geliebte und gleichzeitig meist gehasste „Weihnachtssong“ aller Zeiten – und einer der erfolgreichsten und meistgecoverten obendrein. Jahr für Jahr veröffentlichen George Michael und sein früherer Wham!-Partner Andrew Ridgeley rechtzeitig zum Jahresende den Dauerbrenner neu, alleine in Deutschland verbrachte der Song insgesamt bereits rund 120 Wochen in den Single-Charts – und kam 1997(!) sogar bis auf Platz 4. Seit der Erstveröffentlichung ist fast immer ein Platz unter den Top 20, wenn nicht gar den Top 10, drin – und Schätzungen zufolge bringen George Michael die Rechte an Last Christmas jährlich insgesamt sage und schreibe acht Millionen (!) Euro ein.

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80´s Pop Thatcherism in Vollendung: Andrew Ridgeley und George Michael von „Wham!“

Handelt Last Christmas von einem One Night Stand zu Weihnachten?

Dabei ist besagter Song (wie auch beispielsweise „Driving Home for Christmas“ von Chris Rea) vieles – aber definitiv kein Weihnachts- oder Winterlied.

Weder das Jesuskind noch die Hirten auf dem Felde oder die Krippe von Bethlehem kommen darin vor. Geschweige denn Tannenbäume oder Winterlandschaften. Stattdessen handelt der Liedtext von einer verflossenen Liebesbeziehung: Mann verliebt sich in Frau. Frau verliebt sich in Mann – allerdings in einen anderen. Und das schon am nächsten Tag. Letztes Weihnachten war das. So schnell kanns gehen, Tränen fließen in Strömen. Dieses Jahr will der Sänger es besser machen – aber er kann seine Hand nicht dafür ins Feuer legen, dass er der Frau nicht ein weiteres Mal verfällt. An diesem Weihnachten. Herr, erbarme dich!

Doch nicht nur der Schmalzigkeitsfaktor beim Text von Last Christmas nimmt bedenkliche Züge an. Denn wenn man sich den gesamten Text (bekanntermaßen beginnend mit “Last Christmas i gave you my heart but the very next day you gave it away…”) einmal ernsthaft durchliest: Kann man dann wirklich von einer echten, zuende gegangenen „Liebesbeziehung“ sprechen, um die es in dem Song gehen soll? Oder nicht doch eher von einem enttäuschend verlaufenden One Night Stand am Heiligabend des vergangenen Jahres, von dem sich der Sänger mehr erhofft hatte? Ob nun echte Liebesbeziehung oder eine flüchtige Affäre – still und heilig ging es jedenfalls vergangenes Weihnachten in dem Lied nicht zu. Einer Seifenoper oder Telenovela würde dieser Songtext alle Ehre machen – nicht jedoch einem Weihnachtslied.

Last Christmas – kein Weihnachtslied, aber ein gutgemachter Popsong

Doch selbst wenn man George Michael aufgrund des Textes von Last Christmas vermutlich nicht wie Bob Dylan den Literaturnobelpreis zuerkennen wird: Bedeutet dies, dass man deshalb im Grundsätzlichen den Stab über den Song brechen sollte?

Keineswegs!

Ein hervorragend arrangierter und produzierter Popsong ist Last Christmas nämlich dennoch. Dieses kommt – ironischerweise – vor allem in der längeren Maxiversion (dem „Pudding Mix“) besonders gut zur Geltung.

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Während nämlich die Singlefassung ab 4:40 Minuten sich allmählich dem Fade-Out nähert, geht der eigentliche Song noch knapp zwei Minuten weiter – und George Michael erhält die Möglichkeit zu zeigen, was er stimmlich alles so draufhat. Selbst bei einem Pseudoweihnachtslied wie Last Christmas kann man hören, dass George Michael definitiv einer der talentiertesten Sänger, Songwriter und Produzenten seiner Generation ist. Dies stellt er nicht nur hier und bei anderen Songs aus seiner Zeit bei Wham! oder seiner extrem erfolgreichen Solokarriere unter Beweis, sondern beispielsweise auch in Duetten mit Soulsängerinnen wie Aretha Franklin („I Knew You Were Waiting (For Me)“, 1987), Mary J. Blige (der Stevie-Wonder-Coverversion „As“, 1999) oder Whitney Houson („If I Told You That, 2000). Wie es ihm dabei gelingt, neben diesen stimmgewaltigen Sängerinnen nicht wie ein bleichgesichtiger Trampel zu klingen – das würde vermutlich nur noch Annie Lennox so gut hinbekommen.

Gönnen wir es einem so talentierten Sänger und Entertainer wie George Michael also dennoch, wenn auch in den kommenden Jahren ein Song wie Last Christmas mit dazu beiträgt, ihm die Rente zu sichern – auch wenn es definitiv KEIN Weihnachtslied ist.

P.S.:Last Christmas“ ist das in Großbritannien meistverkaufte Musikstück (über 1, 6 Millionen Exemplare), welches nie die dortigen Charts anführte. Die Topposition blockierte Ende 1984 nämlich ein anderes „Weihnachtslied“: „Do They Know It´s Christmas“ von „Band Aid“ – ein Song, bei dem George Michael ebenfalls mitwirkte.

P.P.S.: Kurz vor Weihnachten 2009 veröffentlichte George Michael doch noch ein „richtiges“, selbstgeschriebenes Weihnachtslied: Die Ballade „December Song (I Dreamed of Christmas)“. In diesem Song kommt textlich sogar Jesus Christus vor – geht doch, George!

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(George Michael: „December Song (I Dreamed Of Christmas)” – Video)

3 Kommentare

  1. […] Auf den Punkt gebracht: Last Christmas ist sowohl der meist geliebte und gleichzeitig meist gehasste „Weihnachtssong“ aller Zeiten – und einer der erfolgreichsten und meistgecoverten obendrein. „Weder das Jesuskind noch die Hirten auf dem Felde oder die Krippe von Bethlehem kommen darin vor. Geschweige denn Tannenbäume oder Winterlandschaften. Stattdessen handelt der Liedtext von einer verflossenen Liebesbeziehung: Mann verliebt sich in Frau. Frau verliebt sich in Mann – allerdings in einen anderen. Und das schon am nächsten Tag. Letztes Weihnachten war das. So schnell kanns gehen, Tränen fließen in Strömen. Dieses Jahr will der Sänger es besser machen – aber er kann seine Hand nicht dafür ins Feuer legen, dass er der Frau nicht ein weiteres Mal verfällt. An diesem Weihnachten. Herr, erbarme dich! Doch nicht nur der Schmalzigkeitsfaktor beim Text von Last Christmas nimmt bedenkliche Züge an. Denn wenn man sich den gesamten Text (bekanntermaßen beginnend mit “Last Christmas i gave you my heart but the very next day you gave it away…”) einmal ernsthaft durchliest: Kann man dann wirklich von einer echten, zuende gegangenen „Liebesbeziehung“ sprechen, um die es in dem Song gehen soll? Oder nicht doch eher von einem enttäuschend verlaufenden One Night Stand am Heiligabend des vergangenen Jahres, von dem sich der Sänger mehr erhofft hatte? Ob nun echte Liebesbeziehung oder eine flüchtige Affäre – still und heilig ging es jedenfalls vergangenes Weihnachten in dem Lied nicht zu. Einer Seifenoper oder Telenovela würde dieser Songtext alle Ehre machen – nicht jedoch einem Weihnachtslied.“ Stefan Ahrens https://www.thecathwalk.de/2016/11/28/warum-last-christmas-kein-weihnachtslied-ist […]

  2. Das ist ziemlich zutreffend geschrieben, wie ich finde. Man muss jedoch relativieren, dass kaum ein „Pop“-Weihnachtssong den von den Christen wahren Anlass des Weihnachtsfestes auch nur andeutet. Ist denn „White Christmas“ ein Weihnachtslied? „I’m dreaming of a white Christmas, just like the ones I used to know, where the treetops glisten and children listen, to hear sleigh bells in the snow…“ Wo kommt da bitte schön der menschgewordene Sohn Gottes vor? Eben! Also „Last Christmas“ bietet nahezu alles, was ein schmalziger Popsong bieten kann. Ob man sich diesem nun hingibt oder nicht, hängt ganz davon ab, ob man noch an den Zauber der großen Liebe glaubt, wie es ein normaler Teenager tut. Also genießt die Adventszeit, ob mit oder ohne Pop-Schmalz.

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