Donnerstag, 21. November 2024

Christliche Erziehung zu Reinheit und wahrer Liebe – Folge 4

II. Schulische Sexualerziehung – Hilfe oder Schaden?

Eigentlich wird es vor dem Hintergrund der bisher dargelegten christlichen Art der Geschlechtserziehung schon relativ klar geworden sein, wie die Beurteilung der landläufigen Schulsexualerziehung aussehen wird. Dennoch wollen wir nach einem kurzen Blick auf die sehr „verräterischen“ Ursprünge und erklärten Ziele der SE-Bewegung die wichtigsten Argumente herausgreifen und auch mögliche Einwände gegen eine Ablehnung der schulischen SE betrachten.

1) Ursprünge, Ideen und Ziele der schulischen SE

Der geschichtliche Hintergrund

Wenn man den Eintrag des Internetlexikons Wikipedia zu „Sexualpädagogik“ befragt, so liest man, dass sich nach der sexualrepressiven Erziehung des 19. Jh. zu Beginn des 20. Jh. endlich liberalere Ansätze herausgebildet hätten, die durch den Nationalsozialismus zwar nochmals gebremst worden seien, dann aber durch die 68er-Bewegung und die Verfechter der antiautoritären Erziehung sowie die Frauen-, Lesben- und Schwulenbewegung zur Zeit der sexuellen Revolution eine Enttabuisierung der Sexualpädagogik zum politischen Programm wurde. 1968 gab die Kultusministerkonferenz der Länder die Empfehlung heraus, Sexualerziehung fächerübergreifend in den Schulen zu behandeln; in den 70er-Jahren wurde Sexualkunde dann von den meisten Bundesländern in die schulischen Lehrpläne aufgenommen.

Ideen und Ziele der „Sexualerziehung“

Die Einstellungen und Ideen der Befürworter von – schulischer und außerschulischer – Sexualerziehung sind vielfältig und nennen als Ziel zumeist entweder eine Liberalisierung des Sexualverhaltens aus verschiedenen Motiven, oder aber sie sprechen vom Wohl der Kinder, die sich aufgeklärt viel besser entwickelten und besser geschützt seien.

Die FMG-INFORMATION 94 vom Juli 2008 stellt vier Standpunkte heraus:[1] Zum einen die emanzipatorische Sexualerziehung, die in der Tabuisierung der Sexualität ein Mittel der Unterdrückung durch die Herrschenden (Staat, Kirche) sieht, von der die Jugendlichen zu einer uneingeschränkten freien Ausübung sexueller Wünsche befreit werden müssten. Das gleiche ungehinderte Ausleben der Lust strebt die Sexualität verherrlichende Sexualerziehung an, die den Leib neu entdecken will und absolute Normen hinsichtlich des geschlechtlichen Verhaltens leugnet, wohingegen Geschlechterrollen hinterfragt, sexuelle Orientierungen besprochen, Erotik und Verhütung thematisiert werden sollen usw.

Sexualerziehung des Kompromisses

Im Gegensatz zu diesen hedonistischen, offen verführerischen Ansätzen hält die Sexualerziehung des Kompromisses biologische Darlegungen für notwendig, sei es aus pragmatischen Gründen („der Bereich SE ist in den Schulen nun einmal da“) oder als Prävention und Schutz für die Jugendlichen, die in der heutigen sexualisierten Gesellschaft nur in breiter sexueller Aufklärung bestehen könnten. Wenn nicht bloßes Faktenwissen vermittelt, sondern auch christliche Wertvorstellungen berücksichtigt würden und man sich gegen „Übertreibungen“ abgrenze, dann sei eine gesetzlich geregelte schulische SE doch zu befürworten. Die Zeiten sind sexualisiert – tut also Aufklärung not? Wenn nicht Abtreibungspropaganda wie von Pro Familia, so doch immerhin biologische Information über Zeugung und Geburt, über „Vorstufen“ und perverse Formen der Sexualität, dazu Verhütung und Aids-Vorbeugung: All das müsse selbstverständlich sein.

Tatsächliche Folgen der eingeführten Sexualerziehung

Aber sind „wissende Kinder“ geschützte Kinder? Entscheidend bei der genannten Kompromiss-Haltung zur SE ist die Tatsache, dass man die stimulierende Wirkung des sexuellen „Fachwissens“, das meist durch visuelle, schriftliche oder mündliche erotische Materialien vermittelt wird, nicht sieht oder doch gewaltig unterschätzt. Die Statistiken aus Schweden, wo SE recht früh als Experiment eingeführt wurde, sprechen dagegen eine sehr deutliche Sprache: Sie verzeichnen eine Zunahme von Vergewaltigungen um 400 % von 1960–1970, eine Zunahme der Abtreibungen bei Kindern innerhalb von 6 Jahren um 200 % (1968–1974), von Schwangerschaften bei Kindern um 900 % (von 1956–1972) und von Geschlechtskrankheiten bei Kindern um ebenfalls 900 % (von 1950–1972).[2]

2) Anwendung der Prinzipien aus Teil I auf die schulische SE

Alle drei beschriebenen Haltungen zur SE, auch die letztgenannte, widersprechen der eindeutigen Lehre der katholischen Kirche zu einer wahrhaft christlichen Sexualerziehung, die die Kinder durch eine ganzheitliche Erziehung zu seelischer, affektiver und sittlicher Reife führen will, entsprechend der Schöpfungsordnung in Ehrfurcht und Selbstbeherrschung – und dies ohne sexuelle Bedarfsweckung und Stimulierung, die zu sündhaftem Tun führen.

Was die Frage des „Schutzes durch Wissen“ angeht, so widerspricht dies dem 3. Prinzip aus Teil I dieses Artikels, das auf die Bedeutung der Gnadenmittel und der Formung des Willens hinweist. Der Pädagoge F. W. Foerster sagte einmal: „Es gibt eine Sexualpädagogik, die die Naturtriebe durch Aufklärung beschwören zu können wähnt und nicht sieht, dass die sinnliche Neugierde sich aus der Aufklärung dreimal mehr Zündstoff holt, als die moralische Rede [= Ermahnung zur Keuschheit] löschen kann.“[3] Das den Kindern gebotene Wissen beugt nicht einer ungesunden Neugierde vor, sondern verführt zum Ausprobieren oder aber stößt (seltener) die Kinder völlig ab, da die Geschlechtlichkeit sie ohne Bezug zum wunderbaren Aspekt der Liebe in ihrer unreifen Jugend und ihrem unschuldigen Unverständnis erschreckt oder sogar anwidert.

Die naturalistische Sichtweise, man könne biologisches Fachwissen rein sachlich vermitteln und so ohne jegliche Wertungen auf anatomische oder physiologische Prozesse beschränken, widerspricht dem 2. und 3. Prinzip, da sie weder die geforderte sittliche Einbindung der Geschlechtserziehung gewährleistet noch den größeren Zusammenhang zur menschlichen Liebe herstellt. Die biologistische Sicht ist tatsächlich eine Fehlinformation der Kinder, da sie, wie Hildebrand schreibt, „eine Verdrehung der Sexualität und eine Verfälschung ihres wahren Charakters darstellt. […] Es ist einfach eine Lüge, wenn man die Sexualität so beschreibt, als ob sie zu derselben biologischen Sphäre gehörte wie etwa die Verdauung. […] Was würde man wohl von einem Musikwissenschaftler sagen, der immer nur von Schwingungen spräche oder von Radiotechnik statt von der Musik von Bach, Mozart, Beethoven oder Wagner?“

Wenn überhaupt, dann wird in den Schulen heutzutage ja eher eine Vermittlung moderner „Werte“ betrieben, so die neutrale Darstellung gleichgeschlechtlicher Sexualität, die positive Bewertung von Verhütungsmitteln usw. Aber sogar eine „gleichzeitig gegebene Wertvermittlung (entsprechend der christlichen Ethik) kann diese innewohnende Verlockung nur zum geringen Teil ausgleichen. Wertvermittlung spricht die Vernunft des Menschen an, die Sexualinformation jedoch unmittelbar die Triebkräfte“.[4] Doch genuin christliche Tugenden stehen eh nicht auf dem Lehrplan der Sexualkunde, und ob eine katholische Lehrkraft wohl bei den heutigen Schülern dafür auf Verständnis oder gar offene Annahme stoßen würde…?

Weiterhin ist der öffentlich und unterschiedslos in einer Klasse (dazu oft Buben und Mädchen zusammen) durchgeführte Kollektiv-Unterricht auch bei den besten Absichten unvereinbar mit dem 1. und 4. Prinzip, die genaue Anpassung an das jeweilige Entwicklungsstadium des einzelnen Kindes, individuelle Belehrung und zartfühlendes persönliches Gespräch für dieses „persönlichste unter allen persönlichen Problemen“[5] verlangen. Die Öffentlichkeit einer Klasse oder Gruppe verletzt – bewusst oder unbewusst – das Schamgefühl und die Intimsphäre des Kindes und des Lehrers, und schließlich zerstört sie auch den natürlich angelegten geheimnisvollen Zauber des Geschlechtlichen durch eine öffentliche Enthüllung und „wissenschaftliche“ Neutralisierung.[6]

Nicht zuletzt wäre an dieser Stelle auch noch nach dem Material zu fragen, mit dessen Hilfe die SE gewöhnlich unterrichtet wird. „Kinder oder Jugendliche gleich welchen Alters dürfen auf keinen Fall […] mit Materialien erotischer Art konfrontiert werden“ (126). Eines ist sowieso klar: „Die Darstellung des Geschlechtsverkehrs ist kein Lehrgegenstand“, schreibt McCarthy (S. 24), und er findet weitere klare Worte: „Moraltheologen haben immer gelehrt, dass die Beobachtung des Geschlechtsverkehrs eine unmittelbare Gelegenheit zur Todsünde darstellt, und damit ist die Betrachtung in einer Zeichnung oder in der eigenen Phantasie eingeschlossen.“

Sogar wenn der Lehrplan dem Lehrer oder der Lehrerin einen gewissen Spielraum lässt, und dieser versuchen würde, möglichst viel Schadensbegrenzung zu betreiben, so bliebe doch die Frage, wie viel man vom lehrplanmäßigen „Grundwissen“ der SE-Einheiten und den angebotenen Materialien weglassen müsste, bis man den Forderungen der christlichen Moral idealerweise entspräche bzw. was dann am Ende überhaupt noch davon übrig bliebe? Doch selbst wenn man, was zwar theoretisch denkbar, praktisch jedoch kaum durchführbar ist, die schulische „Sexualkunde“ so gestalten könnte, dass sie in allen anderen Punkten der christlichen elterlichen Unterweisung einigermaßen entspräche, so bleibt der Klassenunterricht doch immer eine öffentliche und nicht individuell vorgehende Unterweisung in der Liebe, die aus den genannten Gründen von christlichen Eltern nicht toleriert werden kann.

Zusammen mit den anderen aufgezählten problematischen Punkten ergibt sich hieraus die von den kirchlichen Dokumenten und erfahrenen Seelsorgern und Erziehern vertretene strenge Ablehnung der schulischen SE. Man muss also die Kinder vor derartigen Einflüssen schützen und ihr Recht auf eine keusche Erziehung und auf das Fernbleiben „von jeglicher Form außerfamiliären sexualkundlichen Unterrichts […] respektieren“ (120), und sei er auch noch so „kurz und sicher nicht so schlimm“ – die Eltern müssen sich vor Augen führen, was hier auf dem Spiel steht und in wenigen Minuten für immer verdorben sein kann. Man weiß ja nie, wie die Dinge verlaufen!


[1] Die folgenden Erläuterungen der 4 Standpunkte lehnen sich alle eng an die klaren Ausführungen der FMG-Information Was unterscheidet an.

[2] Zahlen entnommen aus Heyde, S. 9

[3] Was unterscheidet, Fn. 16

[4] Was unterscheidet, Abschnitt „Sind biologische Informationen nötig?“

[5] Amerio, S. 47

[6] So formuliert es Hildebrand in seinem Artikel. Seine klare, leicht humorvolle Gegenüberstellung der „viktorianischen Prüderie“ und der „wissenschaftlichen Neutralisierung“ zeigt, dass letztere ungleich schlimmer ist als die viel verspottete Prüderie…

Teil 5:

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