Mittlerweile kann „Germany’s next Topmodel“ auf elf Jahre Sendegeschichte zurückblicken. Um die Quoten aufrecht zu erhalten, werden von Jahr zu Jahr neue Methoden entwickelt, sie folgen dem Motto „(kein) Brot und Spiele“. Denn seit Jahren steht „GNT“ in der Kritik, gerade jüngere Zuschauerinnen zu Essstörungen zu verleiten. Es werden Sportprogramme angeordnet und Ernährungspläne erstellt. Daran ist erst einmal nichts zu kritisieren, allerdings werden die „Meeedchen“, die gegen die strengen Regeln verstoßen, oder deren Hauptinteresse nicht der Sport ist, vorgeführt und mit Sätzen wie „Du bist einfach nicht in shape.“ abgespeist.
In der „realen“ Modewelt gibt es leider ähnliche Missstände. Auch wenn bereits jeder Knochen zu sehen ist, kann es sein, dass bei einer Bewerbung gesagt wird „Zu dick, nächste!“. Aber das sind die Extrema und die sind nicht zu verallgemeinern. Man versucht mittlerweile der Kritik ein wenig aus dem Weg zu gehen, indem man die „Model-Mama“ in allen passenden oder unpassenden Situationen filmt, um eine gewisse Verbindung zwischen Zuschauerschaft und Topmodel zu schaffen: Heidi isst einen Döner, Heidi ist ungeschminkt, Heidi hat Augenringe, Heidi ist auch nur ein normaler Mensch. Es wird beabsichtigt, die bei den Anfängen der Sendung als zu emotionslos kritisierte Klum menschlicher darzustellen, sodass das Publikum sich mit ihr identifizieren kann.
Die Sache mit dem „Ängste überwinden“
Die Kandidatinnen von „GNT“ werden jedes Jahr jünger und die Schikanen immer extremer. Ein besonderer Fokus wird darauf gelegt, dass die Kandidatinnen in Situationen kommen, in denen sie sich zwangsweise unwohl fühlen: Fotoshootings mit Spinnen, mit Schlangen, in größtmöglicher Höhe. Dabei lautet das Credo: „Der spätere Kunde könnte ja auch so etwas von dir verlangen.“ Dabei wird dem Model komplett die Entscheidungsfreiheit abgesprochen. Denn wenn jemandem im Voraus schon ein Job nicht zusagt, da man Höhenangst oder panische Angst vor Reptilien hat – wieso sollte man sich dafür bewerben? Meist reicht die Agentur einige Vorschläge an die Models weiter, bei denen sie entscheiden können, ob sie diese wahrnehmen wollen.
Der Unterhaltungswert von Tränen
Fast im Minutentakt bricht jemand in Tränen aus, sei es wegen den hohen Anforderungen, oder wegen einem komplizierten Verhältnis zu einer Mitstreiterin. Diese Momente sind bei der Zuschauerschaft besonders beliebt, weshalb vor allem in dieser Staffel verstärkt alles auf Konflikt und Konfrontation ausgelegt ist. Beispielsweise wird wöchentlich eine „Teamleaderin“ gewählt, die über die anderen bestimmen darf oder ein Mädchen muss das Zentrum eines Fotos bilden. Auch werden pro Folge drei Mädchen ausgewählt, die an einem Exklusiv Casting in einem anderen Land teilnehmen dürfen. Bei solchen sozialen Konstruktionen sind Streit und Neid schon vorprogrammiert. Zweifellos ist die Konkurrenz und der Wettbewerb in der Modewelt groß – aber für sinnfreie Auseinandersetzungen mit anderen Anwärterinnen fehlt grundsätzlich die Zeit.
Besonders realitätsfern ist die Unterkunft der angehenden „Topmodels“: Sie leben in einer luxuriösen Villa in den Hügeln Kaliforniens. Die meisten berufstätigen Models hingegen leben in günstigen Hotels, da die Aufenthalte in Städten meist kurz sind. Für längere Zeitspannen wird ein Apartment mit Mitbewohnerinnen organisiert, oftmals über eine Agentur oder in Eigenregie. Fakt ist, dass Models oft ihre Flüge und Unterkünfte selbst bezahlen müssen, daher ist so ein luxuriöses Leben nur bei den Bekanntesten in der Branche möglich. Wenn viel Geld verdient wird, fehlt die Zeit, es wieder auszugeben. Insgesamt ist die Fernsehproduktion also weit entfernt von der eigentlichen, wenig glamourösen Welt des Modelgeschäfts.
Der Artikel erschien auf f1rstlife und darf mit Genehmigung auf The Cathwalk veröffentlicht werden. f1rstlife ist das Jugend-Online-Magazin von Jugendlichen und jungen Erwachsenen und richtet sich vor allem an Leser zwischen 15 und 25 Jahren.