Sonntag, 24. November 2024

„Im Namen der Allerheiligsten Dreifaltigkeit“: Die irische Verfassung

Die liberale Demokratie interessiert sich im Allgemeinen nicht für die Wahrheit Gottes. Sonst wäre sie auch nicht liberal, sondern naturrechtlich. Eine Besonderheit nimmt die Verfassung von Irland (1937) ein. Sie versucht gleichsam einen „Mittelweg“ zwischen religiöser Gleichgültigkeit und katholischem Staat zu gehen. Bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil verlief das recht erfolgreich.

Die Präambel der Verfassung Irlands ist für jeden Christen beeindruckend. Denn sie beginnt anders als die des deutschen Grundgesetzes nicht mit einem schwammigen Gottesbezug, sondern bekennt die Wahrheit explizit (Hervorhebungen vom Cathwalk):

„Im Namen der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, von der alle Autorität kommt und auf die, als unserem letzten Ziel, alle Handlungen sowohl der Menschen wie der Staaten ausgerichtet sein müssen, anerkennen

Wir, das Volk von Irland,

in Demut alle unsere Verpflichtungen gegenüber unserem göttlichen Herrn, Jesus Christus, der unseren Vätern durch Jahrhunderte der Heimsuchung hindurch beigestanden hat,

in dankbarer Erinnerung an ihren heldenhaften und unermüdlichen Kampf um die Wiedererlangung der rechtmäßigen Unabhängigkeit unserer Nation,

und in dem Bestreben, unter gebührender Beachtung von Klugheit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit das allgemeine Wohl zu fördern, auf daß die Würde und Freiheit des Individuums gewährleistet, eine gerechte soziale Ordnung erreicht, die Einheit unseres Landes wiederhergestellt und Eintracht mit anderen Nationen begründet werde,

nehmen wir diese Verfassung an, setzen sie in Kraft und geben sie uns.“

Éamon de Valera, Präsident Irlands von 1959-1973, war entscheidend an der Ausrichtung der Verfassung beteiligt und überwachte ihren Entstehungsprozess. Der irische Jurist John Hearne schrieb den Entwurf. Der Priester und spätere Erzbischof von Dublin, John Charles McQuaid, kümmerte sich um die Themen Religion, Bildung, Familie und den sozialen Bereich. Vertreter anderer christlicher Religionen wurden auch konsultiert.

Artikel 5 legt Irland fest als „souveräner, unabhängiger, demokratischer Staat.“

In seiner ursprünglichen Fassung wurde der katholischen Kirche in Artikel 44, Absatz 2 gesagt: „Der Staat anerkennt die besondere Stellung der Heiligen Katholischen, Apostolischen und Römischen Kirche als der Hüterin des Glaubens, zu dem sich die überwiegende Mehrheit der Bürger bekennt.“ Diese Passage wurde am 5. Januar 1973, acht Jahre nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, ohne Einwände der katholischen Kirche, gestrichen.

In den 80er-Jahren fand ein Einschub in Artikel 40 („Als Menschen sind alle Bürger vor dem Gesetze gleich“) Absatz 3 statt, der verschiedentlich auch als „Pro-Life-Einschub“ gilt, aber im Grunde durch seine Struktur die Abtreibung lanfgristig ermöglicht. Er besagt: „Der Staat anerkennt das Recht des ungeborenen Lebens, mit gebührender Rücksicht auf das Leben der Mutter, und er verbürgt sich in seinen Gesetzen, dieses Recht zu achten und, soweit dies durchführbar ist, es zu verteidigen und zu schützen.“ 1992 wurde betont, das dadurch die Reisefreiheit nicht eingeschränkt werden dürfe, was eine Reisefreiheit zur Abtreibung bedeutet. 2018 wurde das Abtreibungsverbot von 1983 gestrichen und ersetzt durch: „Bestimmungen zum Schwangerschaftsabbruch können gesetzlich geregelt werden“.

Im selben Jahr wurde auch die Strafbarkeit der Gotteslästerung abgeschafft (Artikel 40, Absatz 6 a: „Die Veröffentlichungen oder Äußerungen gotteslästerlichen, aufrührerischen oder unsittlichen Inhaltes sind Vergehen, die nach dem Gesetz bestraft werden“) – das Wort „gotteslästerlich“ wurde gestrichen.

Die Ehescheidung war ursprünglich verboten, Artikel 41, Absatz 3: „2. Es darf kein Gesetz erlassen werden, das eine Bewilligung der Auflösung der Ehe vorsieht.“ Dieses Gesetz wurde 1995 durch das Gegenteil verkehrt: „Ein durch ein Gesetz bestimmtes Gericht kann eine Auflösung einer Ehe bewilligen …“

Heute ist Irland ein säkulares Land, das seine katholische Tradition verlassen hat. Es braucht ein Wunder und viele Rosenkränze, um dieses Schicksal zu wenden. Aber wie heißt es so schön: „für Gott ist nichts unmöglich“ (Lk 1,37).

Die komplette Verfassung Irlands (nicht aktuell): verfassungen.eu

Siehe auch:

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