Mittwoch, 27. November 2024

Die Gefahr der Verweltlichung

Von Markus Lederer

Was heute für Christen dazugehört, beispielsweise das Nichteinhalten der kirchlichen Feiertage bzw. des Sonntages, wäre zumindest für ein Großteil der ersten Christen unvorstellbar gewesen.

Eine soziale Isolation kann entweder selbstgewählt oder aufgezwungen werden. Beispielsweise kann es zu einer Profilierung der eigenen Gruppe gegenüber Fremden kommen. Dies ist für mich greifbar, wenn zwei Fußballmannschaften mit unterschiedlicher Tradition, unterschiedlichen Trikots versuchen, sich voneinander abzugrenzen. Jedoch kann eine Isolation auch aufgezwungen werden, wenn man gesagt bekommt, dass man zu dieser Gruppe nicht dazugehört. „Hier gehörst du bestimmt nicht hin!“ Die Folgen sind Ghettoisierung und Marginalisierung.

Die frühste Jesus-Gruppe war zunächst eine jüdische Gruppe unter vielen. Durch die Wahl der 12 sollten die zerstreuten Stämme Israels wieder gebündelt werden, sodass zunächst keine Rede von einer Isolation sein kann; dies änderte sich jedoch mehr und mehr. Insbesondere versuchte man sich gegenüber der heidnischen Umwelt abzugrenzen. Für die Heiden waren die Anhänger Jesu nicht mehr, als eine jüdische Sekte, eine Splittergruppe. Als die Christen nicht mehr als jüdische Sekte wahrgenommen wurden, genossen sie nicht mehr 5 die religiöse Toleranz des römischen Staates. Die Folge waren heftige Auseinandersetzungen und Marginalisierung. Indes kann man sagen, dass die ersten Christen sich eher selbstgewählt von der römischen Welt und Kultur distanzierten. Natürlich änderte sich dies durch die Konstantinische Wende und insbesondere, als das Christentum 380 n. Chr. zur Staatsreligion wurde.

Werfen wir jedoch einen kurzen Blick auf Paulus und seiner Haltung gegenüber dieser Welt.

„Und stellet euch nicht dieser Welt gleich, sondern verändert euch durch Erneuerung eures Sinnes, auf dass ihr prüfen möget, welches da sei der gute, der wohlgefällige und der vollkommene Gotteswille.“

Römerbrief 12,2

Diese Entschlossenheit Pauli begeistert mich zutiefst „stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern verändert euch (…)“. Die ersten Christen durchdrangen vom Glauben entfacht diese Welt. Sie stellten sich gegen all das, was nicht mit der Lehre Christi vereinbar war. Ein Christ ging damals im Gegensatz zu den Römern beispielsweise nicht in das Lusthaus. Man hielt die christlichen Feiertage, obwohl man sich dadurch großen Gefahren aussetze. Ich denke, dass wir heute wieder neu uns ein Beispiel an der Entschlossenheit der frühen Christen nehmen können bzw. sollten. Was heute für Christen dazugehört, beispielsweise das Nichteinhalten der kirchlichen Feiertage bzw. des Sonntages, wäre zumindest für ein Großteil der ersten Christen unvorstellbar gewesen. Durchdringen wir heute noch diese Welt? Sind wir heute noch das „Gewürz“ für eine dem Nihilismus, Relativismus und einer „Mir-egal-Einstellung“ verfallene Welt?

Der heilige Augustinus formulierte einmal treffend, „was du willst in anderen entzünden, das muss in Dir brennen!“ Eventuell „brennt“ die Flamme des Glaubens oftmals nur auf Sparflamme, sodass wir nicht mehr diese Welt und ihre Einstellungen durchdringen können.

Stellen Sie sich vor, der Bischof würde ihnen verbieten, dass sie in der Adventszeit, welche eine Fastenzeit ist, den Weihnachtsmarkt besuchen. Würden sie folgen? Würde ein Bischof dies noch wagen auszusprechen?

Es ist keine Besonderheit mehr, dass Bischöfe zu staatlichen, säkularen Belangen Stellung beziehen. Beispielsweise ist es für keinen mehr verwunderlich, wenn die deutschen Bischöfe gerade öffentlich zur „Flüchtlingskrise“ sich positionieren. Des Weiteren schaltete der Kölner Erzbischof Woelki als Zeichen gegen Pegida die Lichter des Domes ab. Um nicht falsch verstanden zu werden, ich finde gut, dass die Bischöfe zu Ungerechtigkeiten, Gefahren in der heutigen Zeit sich äußern bzw. warnen, aber befinden wir uns nicht in einer tiefen, spirituellen Krise?

Papst Franziskus hat in seiner Rede an die Deutsche Bischofskonferenz im Rahmen des „adlimina“ Besuches am 20. November 2015 deutliche Worte gegen eine reines in der Welt verhaftet sein – der Verweltlichung, gefunden:

„Es herrscht eine gewisse Weltlichkeit vor. Die Weltlichkeit verformt die Seelen, sie erstickt das Bewusstsein für die Wirklichkeit. Ein verweltlichter Mensch lebt in einer Welt, die er selbst geschaffen hat. Er umgibt sich gleichsam mit abgedunkelten Scheiben, um nicht nach außen zu sehen.“

Als gläubiger Christ kommen mir immer wieder die Worte des Erlösers in den Sinn: „Ich habe die Welt besiegt!“ (Joh 16,33). Auch Papst Benedikt XVI. formulierte in seiner Rede – die er 2011 in Freiburg hielt – treffend:

„Um ihren eigentlichen Auftrag zu genügen, muss die Kirche immer wieder die Anstrengung unternehmen, sich von dieser Verweltlichung zu lösen und wieder offen auf Gott hin zu werden. Sie folgt damit den Worten Jesu: ‚Sie sind nicht von der Welt, wie auch ich nicht von der Welt bin.‘“

JOH 17,16

Ein möglicher Versuch wäre also, dass die Kirche und auch jeder Christ (!) sich wieder neu auf das Himmlische konzentrieren sollte, denn dieser Fixpunkt – der Himmel – führt hinaus in das Weite. Eine feste Verwurzelung in den Sakramenten, dem Gebet, ermöglicht erst ein tatkräftiges Eintreten gegenüber den Ungerechtigkeiten in dieser Welt. Wenn dieser transzendente Überbau, die Abgrenzung, die Distanz zur Welt fehlt, geht man völlig in dieser Welt auf.

Man droht von ihr „verschlungen“ zu werden. Papst Benedikt XVI. beklagt, dass oftmals der christliche Glauben völlig verweltlicht zu sein scheint. Hilfreich wäre, dass die Christen – insbesondere die Deutschen – wieder neu von ihrer Lauheit befreit werden, sodass sie wahrhaft wieder „Salz der Erde“ sind. Oftmals erscheinen Christen heutzutage wie Politiker oder Funktionäre, aber viel hilfreicher, strahlender wären beispielsweise Christen, die sich wie der Hl. Augustinus – als echte Kämpfer für das Evangelium verstehen. Brennt das Feuer der Begeisterung für den Glauben noch in unserem Land? Herrschen die Freude und auch die Entschlossenheit der ersten Christen noch vor?

Der Artikel erschien auf kathnews und wurde uns vom Autor zur Weiterveröffentlichung zur Verfügung gestellt.

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Markus Lederer (23) studiert katholische Theologie an der Universität Würzburg. Seit 2013 arbeitet er als freier Mitarbeiter bei kathnews. Insbesondere die Schriften Bendikts XVI. haben ihn tief begeistert, da sie ihm immer wieder veranschaulichen, dass lehramtstreue Gesinnung und wissenschaftliches Studium sich nicht ausschließen, sondern sich gegenseitig bedingen müssen.

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