Bischof Dr. Georg Bätzing dankt in einem offenen Brief für die kritischen Worte der Nordischen Bischofskonferenz und möchte die „Besorgnis“ zerstreuen. Niemand hat anscheinend vor, eine deutschkatholische Funktionärskirche zu gründen, die auf den Wogen des Zeitgeistes in das Land Kunterbunt segelt.
So schreibt der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz: „Blickt man auf die Texte, die aus diesen intensiven Beratungen hervorgehen und insbesondere auf den theologischen Orientierungstext, den die Synodalversammlung mittlerweile verabschiedet hat, dann wird klar, dass der Synodale Weg gerade auf der synodalen Suche nach lebensspendendem Potenzial im Leben und Wirken der Kirche heute ist, zu der Papst Franziskus, wie Sie selbst sagen, die ganze Kirche aufruft.“ Begründete Kritik an einer unklaren Verfahrensweise und an fragwürdigen Diskursen wird schulmeisterlich abgewiesen. Nur der Abschnitt 18 aus dem als theologisch apostrophierten Orientierungstext sei exemplarisch genannt: „Die Bibel ist allerdings auch ein Buch, das vielen Menschen schwer zugänglich ist. Sie ist in der Sprache einer vergangenen Zeit geschrieben. Sie spiegelt ein Weltbild, das in Teilen untergegangen ist. Sie enthält eine Fülle von Schriften, deren Bedeutung und Zusammenhang Fragen auslösen und Kritik finden. Sie wird immer wieder missbraucht, um Herrschaft über andere Menschen auszuüben. Desto wichtiger sind gute Erklärungen. Wer glaubt, bleibt niemals am Buchstaben der Bibel kleben, sondern will den „Geist“ atmen, der „lebendig“ macht (2 Kor 3,6).“
Wir können das vielleicht so übersetzen: Die Bibel stammt eigentlich aus der Welt von gestern. Wir sprechen zwar noch immer vom „Wort des lebendigen Gottes“ und von der „Frohen Botschaft unseres Herrn Jesus Christus“, aber im Grunde darf man den „Buchstaben der Bibel“ nicht so ernst nehmen, dafür aber die „guten Erklärungen“. Ernsthaft? Sollten wir vielleicht nicht eher doch auf das Wort des lebendigen Gottes vertrauen statt auf die vielen synodalen Worte, die manche deutschen Theologen und Bischöfe in erklärender Absicht machen? Ich bin dafür – und Sie?
Bischof Bätzing verknüpft dann strukturelle Fragen mit dem „sakramentalen Mysterium der Kirche“ und einem Reigen von „Veränderungen“: „Viele Organisationsaspekte, Strukturen und auch Kompetenzzuweisungen in der Kirche wurden auf konkrete geschichtliche Rahmenbedingungen hin ausgebildet und müssen dann auch Gegenstand von Veränderung und Erneuerung sein, wenn sie sich aufgrund veränderter Anforderungen als obsolet oder gar hinderlich für die Verkündigung des Evangeliums erweisen. Das sakramentale Mysterium der Kirche ist dadurch nicht berührt, gilt doch für die Kirche immer gleichzeitig: „Sie ist zugleich heilig und stets der Reinigung bedürftig, sie geht immerfort den Weg der Buße und Erneuerung.“ (LG 8) Um diese Veränderungen geht es dem Synodalen Weg und auf der Suche nach neuen Wegen in diesem Sinn orientiert er sich an den zentralen Erkenntnisquellen des Glaubens: der Schrift und der Tradition, dem Lehramt und der Theologie sowie dem Glaubenssinn der Gläubigen und den Zeichen der Zeit. Im Zueinander dieser Erkenntnisquellen verdichtet sich ja die Gewissheit der Glaubensaussagen.“
Die „Zeichen der Zeit“ trennt Bätzing vom „Zeitgeist“: „Nach den Zeichen der Zeit zu fragen hat also nichts damit zu tun, dem Zeitgeist nachzugehen.“ Auf den Hinweis, eine Sammlung stabiler Deutungsmuster aus den von Michel Foucault inspirierten „Humanwissenschaften“ als Interpretationshilfe zu nutzen, verzichtet er.
Energisch weist Bischof Bätzing Vermutungen zurück, die „Katholiken in Deutschland“ wollten sich auf einem „Sonderweg“ von der „Gemeinschaft der Weltkirche“ nun „entfernen“. Das stimmt: Katholiken in Deutschland wollen einfach nur römisch-katholisch sein und bleiben, im Leben und im Sterben. Aber viele von ihnen hegen den begründeten Zweifel daran, dass der Synodale Weg dazu beiträgt, die Evangelisierung zu befördern und die Einheit der Kirche in Glauben, Hoffnung und Liebe zu stärken. Die Vertreter der Polnischen Bischofskonferenz und der Nordischen Bischofskonferenz haben das klar erkannt. Dass sie das öffentlich artikulieren, dafür sind viele Katholiken in Deutschland sehr dankbar.
Die Weltkirche wartet zudem mitnichten auf Impulse von synodalen Schulmeistern aus Deutschland. Nicht die Orientierungstexte des Synodalen Weges sind wegweisend, sondern Jesus Christus, dessen Tod wir verkünden und dessen Auferstehung wir preisen, bis er kommt in Herrlichkeit.