Samstag, 23. November 2024

2021 – Neuausrichtung auf Gott: Warum ein Vorsatz für das Neue Jahr genügt

Der bekannte Publizist Alexander Kissler hat sich in einem lesenswerten, pointierten und provokativen Beitrag in der renommierten „Neue Zürcher Zeitung“ zur Situation der Kirche – auch die Kirchengemeinschaften der Reformation berücksichtigend – geäußert: 

„Waren Religionen in früheren Zeiten Krisengewinner, so sind die großen Kirchen heute Krisenverlierer. Unverschuldet gerieten sie in eine geistliche Schieflage, die sie durch eigenes Zutun bis an den Rand der spirituellen Insolvenz führt. Die Austrittszahlen werden auf ein historisches Hoch emporschnellen. Man wird es auf die Rezession schieben und die teils erzwungenen, teils vorauseilend vollzogenen Kirchenschliessungen und so den Kern des Desasters verfehlen: dass eine Kirche, die in guten Zeiten politisiert und in schlechten Zeiten schweigt, nur von denen vermisst wird, die nichts Besseres gewohnt sind. Die Missbrauchs- und Vertrauenskrise kommt verschärfend hinzu.

Weite Teile des kirchenamtlichen Establishments haben sich mit dem Gang in die Überflüssigkeit abgefunden. Die reiche institutionelle Fassade gaukelt eine Bedeutung vor, die angesichts kollabierenden Glaubens nicht gegeben ist. Man kann darin eine Pointe der Geschichte sehen: Der Gipfel finanzieller Ausstattung geht mit einem Tiefpunkt an religiöser Relevanz einher.“

Ist die Kirche des Herrn unsichtbar geworden? Oder stehen wir – positiv gewendet – durch eine mögliche Entweltlichung, die schon Papst Benedikt XVI. 2011 in Freiburg als wünschenswert und erforderlich angesehen hat, am Anfang einer Besinnung auf das Wesentliche, auf die Neuevangelisierung? Markant spricht Kissler von einer „spirituellen Insolvenz“. Möglicherweise sind in 2020 viele Bücher, die irgendeinen höheren Sinn in einer Viruserkrankung erkennen möchten, in besorgter Eile und in bester Absicht geschrieben worden. Auch fragwürdige Worte von Geistlichen – nicht unbedingt geistliche Worte – gab es. Doch selbst eine fade oder möglicherweise sogar säkulare Predigt eines Klerikers – gleich welchen Ranges in der Hierarchie – kann das Sakrament des Altares weder verdrängen noch verdecken. Der Herr ist und bleibt gegenwärtig in der geweihten Hostie, wovor also sollten wir uns fürchten? Ich habe in fast 50 Jahren Katholisch-Sein gelernt, dass man durch alle Predigten hindurch den Blick einfach auch fest, dankbar und glücklich auf den Tabernakel richten kann.

Vielleicht gehört die katholische Kirche zu den „Krisenverlierern“, weil etliche Bischöfe und die Mitglieder des Zentralkomitees der deutschen Katholiken an dem „Synodalen Weg“ und den hiermit verbundenen Gestaltungsfantasien festhalten? Die römisch-katholische Kirche in Deutschland hat auch schon die „Würzburger Synode“ überstanden, die 1975 zu Ende ging – und bis heute hat Rom nicht auf die seinerzeit formulierten Forderungen reagiert. Zu manchem kann man einfach auch nur schweigen.

Ein Gedanke von Alexander Kissler bleibt zu diskutieren: Politisiert eine Kirche in guten Zeiten? Ich denke, mit dem heiligen Augustinus, dass die Kirche gut daran tut, sich weder in Kirchenpolitik zu verstricken noch sich auf die bestmögliche Einrichtung dieser Welt zu konzentrieren. Wenn andere Religionsgemeinschaften – ob christlich oder nicht – sich dazu berufen wissen, Politik zu treiben oder politisch sichtbar zu werden, mögen sie das in aller Freiheit tun. Wer sind wir Katholiken, dass wir sie daran hindern wollten? Doch alles Weltliche vergeht. Wichtig ist für uns: Zeugnis zu geben für Christus, gestern, heute und morgen.

Benedikt XVI. verweist auf das Wesentliche: „Das missionarische Zeugnis der entweltlichten Kirche tritt klarer zutage. Die von materiellen und politischen Lasten und Privilegien befreite Kirche kann sich besser und auf wahrhaft christliche Weise der ganzen Welt zuwenden, wirklich weltoffen sein. Sie kann ihre Berufung zum Dienst der Anbetung Gottes und zum Dienst des Nächsten wieder unbefangener leben. Die missionarische Pflicht, die über der christlichen Anbetung liegt und die ihre Struktur bestimmen sollte, wird deutlicher sichtbar. Sie öffnet sich der Welt, nicht um die Menschen für eine Institution mit eigenen Machtansprüchen zu gewinnen, sondern um sie zu sich selbst zu führen, indem sie zu dem führt, von dem jeder Mensch mit Augustinus sagen kann: Er ist mir innerlicher als ich mir selbst (vgl. Conf. 3, 6, 11).

Er, der unendlich über mir ist, ist doch so in mir, daß er meine wahre Innerlichkeit ist. Durch diese Art der Öffnung der Kirche zur Welt wird damit auch vorgezeichnet, in welcher Form sich die Weltoffenheit des einzelnen Christen wirksam und angemessen vollziehen kann. Es geht hier nicht darum, eine neue Taktik zu finden, um der Kirche wieder Geltung zu verschaffen. Vielmehr gilt es, jede bloße Taktik abzulegen und nach der totalen Redlichkeit zu suchen, die nichts von der Wahrheit unseres Heute ausklammert oder verdrängt, sondern ganz im Heute den Glauben vollzieht, eben dadurch daß sie ihn ganz in der Nüchternheit des Heute lebt, ihn ganz zu sich selbst bringt, indem sie das von ihm abstreift, was nur scheinbar Glaube, in Wahrheit aber Konvention und Gewohnheit ist.“

Schauen wir auf das Jahr 2021 und darüber hinaus, so sehen wir, dass die wahre Zukunft in Gott, in der Kirche und in den Sakramenten liegt. Der Regensburger Bischof Dr. Rudolf Voderholzer hat in der heiligen Messe zum Jahresschluss das Wesentliche benannt. Notwendig sei die „Neuausrichtung auf Gott, auf den Schöpfer“ und eine „Neuentscheidung für das Christentum“ – und damit die Neuausrichtung auf unseren Herrn Jesus Christus. Empfohlen sei darum zur Besinnung und Betrachtung auch diese Predigt von Pater Engelbert Recktenwald. Ganz gleich, wie es draußen in der Welt zugeht – der heilige Paulus schreibt an die Römer und zugleich an uns: „Spe salvi facti sumus.“ (Röm 8,24) Auf Hoffnung hin sind wir gerettet.

Mit Benedikt XVI. dürfen wir zu Beginn des Neuen Jahres beten: „Heilige Maria, Mutter Gottes, unsere Mutter, lehre uns, mit dir zu glauben und zu hoffen und zu lieben. Zeige uns den Weg zu seinem Reich. Stern des Meeres, leuchte uns und führe uns auf unserem Weg!“

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