Die Suche nach dem verlorenen Vater
Von einem männlichen Mitglied der KJB.
Eine Leere, der ich mir nicht bewusst war. Die Suche nach männlichen Vorbildern, die mich dazu brachte, homosexuelle Erfahrungen zu suchen. Gefühle, die mir eine aufregende Welt zeigten, in der endlich die Leidenschaft vorhanden war, die ich aus meinem (Glaubens-)Leben nicht kannte. Das war ich. Doch ich merkte, dass man die Versuchungen im sechsten Gebot vielleicht mehr als alle anderen Versuchungen ganzheitlich angehen muss. Ich habe gelernt, dass viele Sehnsüchte in einem gestörten Verhältnis liegen zu dem, was unser seelisches Fundament sein sollte. Gerne möchte ich euch mitnehmen in das, was ich im Rahmen dieser Selbstfindung herausgefunden habe – nicht als „Seelenstriptease“, sondern als Einladung, sich einmal über die eigene Biografie Gedanken zu machen und etwas zu finden, was mehr ist als das bloße Vermeiden von Fehlern, mehr als schlichtes Bravsein: Erlösung und Leidenschaft für Gott. Es geht vielmehr darum, diese Probleme zu lösen, nicht bloß den sexuellen Trieb krampfhaft zu unterdrücken, um ein moralisch einwandfreies Leben zu führen.
Als Junge suchte ich mir schon immer männliche Vorbilder, welchen ich ähnlich werden wollte. Diese oder jene Eigenschaft gefiel mir an jemandem, und ich versuchte, mir sie anzueignen. Warum das ganze? Ich war permanent dabei, mich anzupassen, um vom eigenen Umfeld die Anerkennung (welche jedes Kind sucht) zu bekommen. Wenn mir an einem Klassenkamerad eine bestimmte Art gefiel, so ahmte ich ihn nach. Die Art wie er sich kleidete, wie er seine Hand zum Gestikulieren bewegte, oder auch, wie er es verstand, unangenehmen Situationen im Gespräch rhetorisch einwandfrei auszuweichen. Durch solche Beobachtungen war mir klar, durch welche Verhaltensweisen man die Annahme der Gruppe am besten bekommt. Nachdem ich mich von der Gruppe angenommen fühlte, reichte das aber nicht mehr aus.
Ich hatte mich an die Aufmerksamkeit gewöhnt, das Gefühl der Annahme war ausgeschöpft. Die oberflächliche Anerkennung meines Umfelds war mir nicht mehr genug. Mit wenigen einzelnen Kameraden sprach ich nun auch über Dinge, die mich wirklich bewegten und über meine tieferen Gefühle. Hier kam es auch öfters zu Gesprächen über die eigene Sexualität (was jeder kennt, wenn er in das Alter kommt, in welchem sich der Körper verändert). Durch diese Gespräche wurde mir ein großes Vertrauen gegeben. Ohne es zu wissen, war ich auf der Suche nach etwas Innigerem, Tieferen. Ich bekam darin nun die ehrliche Bestätigung von anderen und eine tiefe Annahme. Bis dahin war ja alles okay, aber es führte bereits zum nächsten Schritt.
Die Gespräche wurden intimer, und waren oft auch nicht mehr sachlich. Aber weil ich hier das Vertrauen und die Annahme fand, blieb ich dabei, obwohl ich mittlerweile andere (ohne es damals zu wissen) zur Sünde verführte. Dieses Bedürfnis hatte für mich eine höhere Priorität als moralische Grundsätze. Daher ist es nicht verwunderlich, dass es auch zu körperlichem und schließlich immer wieder zu intimem Kontakt mit diesen „Freunden“ kam. Darüber machte ich mir zunehmend Gedanken: Warum war ich so? Was bedeuteten diese Gefühle in mir? Wollte Gott, dass ich so bin? Warum empfanden die anderen nicht so wie ich? Oder taten sie das? Mit der Zeit habe ich dann mehr und mehr erkannt, dass der eigentliche Grund, so zu fühlen, eben diese gewünschte Annahme und die Bestätigungssuche ist.
Wie kann es zu den genannten Dingen kommen? Diese Frage stellte ich mir und fand heraus: In den Menschen, welche der Mann (bzw. Junge) sich zum Vorbild nimmt, sucht er einen Vater, welchen er (in dem zum Vorbild genommenen Bereich) in der Regel in der eigenen Vaterbeziehung nicht erfüllt bekommt. Wenn der Junge sich ein Vorbild darin nimmt, wie zum Beispiel ein Klassenkamerad auf Menschen zugeht, so ist es gut möglich, dass der Vater des Jungen nicht sehr gut auf Menschen zugehen kann und dem Jungen darin also nicht als Vorbild dient. Das zeigt, dass er sich gerne das „Optimum“ – einen vollkommenen Vater – wünscht. Auch in der Suche um Annahme sucht der heranwachsende Mann einen Vater, bei dem er sich geborgen fühlt, von dem er weiß, dass er ihn bedingungslos liebt. Einen Vater, von dem er verstanden wird und der verzeiht – ganz egal was man getan hat, wenn man nur zu ihm zurückkehrt. Aber warum suchen wir überhaupt eine vollkommene Vaterfigur, wo sie uns doch kein Mensch geben kann, weil niemand perfekt ist?
Die Suche nach dem Vater hat begonnen, als sich Adam im Garten Eden verführen ließ. Vor der Erbsünde hatten die Menschen den direkten Kontakt zu Gott, welcher ihnen der Vater war, den wir Alle auch brauchen. Sie sprachen mit ihm so wie wir mit unserem leiblichen Vater sprechen. Diese Art von Bezug endete aber mit der Vertreibung unserer Stammeseltern aus dem Paradies. Seitdem versucht jeder Mensch auf die eine oder andere Art seinen vollkommenen Vater wiederzufinden. Was sollen wir aber tun, wenn ja sowieso kein Vater vollkommen ist, und uns kein Mensch alle (psychischen) Bedürfnisse erfüllen kann?
Findest du dich in deinem Empfinden in diesen Zeilen wieder?
Ich rate dir, zu versuchen, diesen Bezug zu Gott wieder aufzubauen. Er wird dir das geben, was du brauchst, wenn du Ihn darum bittest. Werde dir darüber klar, dass Er dich um deinetwillen liebt. Dass Er der vollkommene Vater ist, den du suchst. Du kannst Ihm nichts wegnehmen und nichts geben. Er hat dich nur zu deinem eigenen Glück geschaffen, weil Er dich liebt. Er liebt dich trotz deiner Sünden, aber deine Sünden nicht. Bekämpfe diese deshalb aus Liebe zu Gott – und nicht, um dir selbst etwas zu beweisen! Baue den persönlichen Bezug zu Ihm auf, indem du Ihm alles anvertraust, damit du Ihn auch als Vater hast, wie du es suchst. Wenn du Ihn als vollkommenen Vater annimmst, werden heilsame Veränderungen in deinem Leben möglich.
Die vollkommene Vaterfigur, welche wir in Vorbildern und in der Annahme bei anderen suchen, können wir nur von Gott auch so erfüllt bekommen. Dies ist aber keine Erkenntnis, die sofort unsere Probleme löst, sondern eine Erkenntnis, die am Anfang eines Prozesses stehen kann. Für diesen Prozess ist es sehr wichtig, die eigenen Gefühle zu erkennen, sie zu reflektieren und ihnen auf den Grund zu kommen. Nicht nur was Homosexualität betrifft, sondern auch Pornografie und alle anderen Bereiche des sechsten Gebotes. Außerdem ist es gut (für jedermann), wahre Freundschaften zu suchen und zu pflegen. In einer Situation, wie ich sie erlebt habe, ist es ganz besonders wichtig, einen (wahren) Freund zu haben, mit welchem man auch über seine Emotionen und Empfindungen offen sprechen kann. Natürlich ist die gestörte Beziehung zum Vater im Himmel Grundlage jeder Sünde. Da Versuchungen gegen das sechste Gebot aber einen starken psychosozialen Komplex im Menschen ansprechen, tritt hier besonders deutlich zu Tage, dass ein halber Glaube (Frommsein nur des konservativen Lebensstils wegen oder „weil es sich so gehört“) uns hier nicht weiterhilft, sondern nur der Wille, unsere eigentliche christliche Berufung zu leben: Gottliebende Anbeter zu sein „in Geist und Wahrheit“ (Joh 4, 23).
Das Wichtigste (was auch auf den Freundschaften aufbaut) ist und bleibt der Bezug zum himmlischen Vater. Bemühen wir uns, Ihn als Vater anzunehmen und zu lieben, damit er uns verändern kann.