Dienstag, 26. November 2024

Von Freiheit, Tod und Gott – Verdis „I masnadieri“

Eine Opernkritik von John Galt

Freilich, die Wiener Volksoper ist insbesondere für ihre großartigen Inszenierungen von Operetten bekannt. Nichtsdestotrotz spielt sie in jeder Saison auch immer einige Inszenierungen von Opern, die in den vergangenen Jahren stets mehr als nur gelungen waren. Zu nennen sind Werke wie La Traviata, Così fan tutte, Hoffmanns Erzählungen, Don Giovanni, Der Barbier von Sevilla und nun, nach der österreichischen Erstaufführung an der Volksoper im Jahr 1963 eben Verdis I masnadieriDie Räuber, nach Schillers berühmten Erstwerk.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Standard. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Weitere Informationen

Wie immer an der Volksoper galt auch hier die Devise, dass das Werk in deutscher Sprache aufgeführt wird. Eine Tatsache, die dem Werk in keiner Weise abträglich war. Alexander Schulin gelang es im Gegenteil seine Inszenierung außerordentlich lyrisch zu gestalten. Dies begann bereits mit der Ouvertüre: Das Orchester der Volksoper unter der Leitung von Jac van Steen legte eine perfekt gespielte, dramatische Eröffnung der Oper vor. Bereits hier fasste Schulins Inszenierung Fuß: das Orchester wurde in das Bühnenbild mit eingebunden und Roland Lindenthal spielt das Solo auf dem Violoncello brillant als Teil der Szenerie.

Sofia Soloviy (Amalia), Boaz Daniel (Franz), Chor
© Barbara Pálffy/Volksoper Wien

Diese war angenehm schlicht gehalten, als gräfliches Schloss diente eine schwarze, drehbare Schachtel mit mehreren unterschiedlich großen Türen. Alles außerhalb des Schlosses blieb angenehm schlicht gehalten, ohne jedoch auf postmoderne Affektiertheit zurückzugreifen. Die Gestaltung der Kostüme war historisch korrekt im 18. Jahrhundert angesiedelt und bestach durch umfangreiche Farbgebung und angenehme Opulenz. Teilweise erinnerte die Räuberbande an aufständische Schotten im Film Braveheart, die blauen Schminkakzente waren hier wohl eine Reminiszenz.

Dennoch stellte Schulin nicht den politischen Aspekt von Schillers Drama in den Vordergrund. Hier ging es klar um die schwierigen Beziehungsgeflechte in einer disfunktionalen Familie: Ein Vater der den einen Sohn so sehr vernachlässigt, dass dieser seinem als Konkurrenten empfundenen Bruder nicht nur die Frau ausspannen will, sondern Vater und Bruder gleich töten möchte. Die musikalische Untermalung der dabei verschiedenen Charaktere, welche Verdi sehr klar kompositorisch umsetzte gelang dem Orchester der Volksoper tadellos: Jeder Ton saß, nie übertönte das Orchester die Singstimmen und konnte dennoch an den richtigen Stellen dramatisch, aber auch emotional sein.

Zur gesanglichen Besetzung:

Buoz Daniel sang den vernachlässigten und getriebenen Bruder Franz Moor in sehr solidem Bariton und konnte gleich im zweiten Bild des ersten Aktes mit einer fulminanten Arie überzeugen. Man bemerkt Daniels Erfahrung im italienischen Fach; gesanglich wirkt seine Boshaftigkeit völlig überzeugend.

Sodann Vincenz Schirrmacher als Karl Moor. Der Tenor konnte bereits vor zwei Jahren als er kurzfristig für den Kalaf an der Volksoper einsprang begeistern. An diesem Abend wurde klar, dass sich seine Stimme sehr gut weiterentwickelt hat. Schirrmacher verfügt über eine sehr warme und präzise Stimme die er hier zu vollen Höhen bringen konnte. Der stimmliche Facettenreichtum der Rolle wurde in allen Details hervorgekehrt, sowohl die lyrischen Parts als auch die typischen Manrico-Haften Stellen: Die Hin- und Hergerissenheit zwischen der Freiheit als Räuber, der Liebe zu Amalia und der Verpflichtung gegenüber Vater, Gott und Gesellschaft. Schirrmacher wird bei stimmlicher Weiterentwicklung noch häufig überzeugen können, ein Bravo an ihn!

Vincent Schirrmacher (Karl)
© Barbara Pálffy/Volksoper Wien

Die Rolle des Vaters, Maximilian Moor übernahm Kammersänger Kurt Rydl. Was soll man zu diesem Opernurgestein noch sagen? Rydl feierte unlängst seinen siebzigsten Geburtstag und beherrscht seinen Bass nach wie vor tadellos.  Ein Ausnahmetalent, das nicht nur mehr als tausendmal auf den Brettern der Staatsoper stand, sondern zunehmend auch seltene Rollen wie zuletzt den Stromminger in „La Wally“ fabelhaft umsetzte. Auch als Graf Moor gelang ihm eine bravoureuse Vorstellung. Die Zerissenheit des Vaters der an seinen eigenen Erziehungsfehlern zugrunde geht war nahezu greifbar.

Kurt Rydl (Maximilian/Moser), Vincent Schirrmacher (Karl), Sofia Soloviy (Amalia) © Barbara Pálffy/Volksoper Wien

Hinzu kommt noch, dass die Rolle des Priester wegfiel und der Part durch Rydls Rolle übernommen wurde. Das ist hier spannend, denn im originalen Libretto verweigert der Priester Franz die Absolution für seine Schandtaten. Hier wird er jedoch vom Vater gerichtet und des Lebens beraubt. Er wird somit quasi vom Vater zum Übervater der als Konsequenz seiner Sünden den intriganten Bruder Franz richtet.

Sofia Soloviy gab in ihrer Rolle als Amalia ihr Debut an der Volksoper. Die aus Lviv stammende Sopranistin legte eine sehr zarte aber auch dynamische Interpretation ihrer Figur vor. In den gesanglichen Spitzen wirkte sie in manchen Teilen noch etwas zu zart, hauchte aber ihrer Rolle das nötige Leben ein. Sowohl die tiefe Liebe zu Karl, als auch die Abscheu gegenüber Franz wirkten authentisch und konnten überzeugen.

Am Ende stirbt auch Amalia durch Karls Hand, da diese nicht durch sein Tun als Räuberhauptmann entehrt weiterleben muss, während dieser sich dem Schaffott stellt. Vater Maximilian hingegen stirbt an der Last seines Versagens – eine klassische dramatische Oper also. Der Vorhang fällt, sieben Minuten Ovationen, verdiente Bravos für Vinzenz Schirrmacher und natürlich Kurt Rydl, als auch für die grandiose Leistung des Volksopernorchesters unter Jac van Steen. Ein rundum gelungener Opernabend, der sowohl für Anfänger als auch Liebhaber Genuss in jedweder Hinsicht verspricht!

Vincent Schirrmacher, Kurt Rydl, Boaz Daniel
© Johannes Ifkovits, zum einmaligen Abdruck freigegeben.

***

Die Räuber

Oper in vier Akten von Giuseppe Verdi
Libretto von Andrea Maffei
Deutsche Fassung von Hans Hartleb
In deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Premiere war am Samstag, 14. Oktober 2017
Weitere Vorstellungen am 18., 22., 27., 30. Oktober,
1., 8., 15., 23., 29. November, 7., 11. Dezember 2017

Dirigent: Jac van Steen/Lorenz C. Aichner
Regie: Alexander Schulin
Bühnenbild: Bettina Meyer
Kostüme: Bettina Walter
Choreinstudierung: Holger Kristen
Dramaturgie: Helene Sommer

Besetzung

Maximilian/Moser: Kurt Rydl/Andreas Mitschke
Karl, sein erstgeborener Sohn: Vincent Schirrmacher/Mehrzad Montazeri
Franz, sein jüngerer Sohn: Boaz Daniel/Alik Abdukayumov
Amalia, seine Nichte: Sofia Soloviy/Anja-Nina Bahrmann
Herrmann, Kammerdiener: David Sitka/Alexander Pinderak
Roller: Christian Drescher/Thomas Sigwald

Wer ist John Galt? – John Galt heißt natürlich nicht wirklich John Galt. Er greift mit diesem Synonym auf das Buch „Atlas Shrugged“ von Ayn Rand zurück. Von Wien – der Hauptstadt der Gegenreformation – aus, behandelt er Fragen im Spannungsfeld von Politik, Wirtschaft und Religion, aber auch von Ästhetik, Kunst und Kultur oder einfach nur einem katholischen Alltag zwischen Messe, Punsch und Schnitzel.

1 Kommentar

  1. Sehr bezeichnend für Ignoranz wieder, daß in der Kritik einer CHOROPER der Volksopernchor mit KEINEM Wort erwähnt wird.Herzlichen Dank.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Hat Ihnen der Artikel gefallen?

Mit Ihrer Spende können Sie dafür sorgen, dass es noch mehr davon gibt:

Neueste Artikel

Meistgelesen