Eine Filmkritik von Dr. José Garcia
Im Jahre 2007 veröffentlichte der 1955 als Sohn von Missionaren in Kanada geborene und im heutigen West Papua aufgewachsene William Paul Young den christlichen Roman „The Shack“ (Deutsch: „Die Hütte – Ein Wochenende mit Gott“). Das Buch, das vorher von 26 Verlagen abgelehnt und deshalb im Eigenverlag „Windblown Media“ erschien, blieb zunächst fast unbeachtet. Erst durch christliche Mundpropaganda in Kirchen, auf Internetforen und auf Radiosendern avancierte es 2008 zum Bestseller. „The Shack“ hielt sich auf Platz 1 der New York Times 70 Wochen lang. Inzwischen erreichte das Buch eine weltweite Auflage von 22 Millionen Exemplaren.
Gil Netter, Produzent der bekannten Spielfilme „Blind Side – Die große Chance“ (2009), „Wasser für die Elefanten“ (2011) und „Life of Pi: Schiffbruch mit Tiger“ (2012) sicherte sich die Filmrechte, und produzierte den gleichnamigen Film zusammen mit „Windblown Media“-Gründer Brad Cummings. Regie führt Stuart Hazeldine nach einem Drehbuch von John Fusco und Andrew Lanham. Dadurch und durch die Beteiligung prominenter Darsteller, allen voran der insbesondere aus dem umsatzstärksten Film aller Zeiten „Avatar – Aufbruch nach Pandora“ (2007) und zuletzt aus Mel Gibsons „Hacksaw Ridge – Die Entscheidung“ bekannte Sam Worthington sowie die für „The Help“ (2001) mit dem Oscar ausgezeichnete und für „Hidden Figures: Unerkannte Heldinnen“ (2016) oscarnominierte Octavia Spencer, ist „Die Hütte – Ein Wochenende mit Gott“ eine aufwändige, größere Produktion geworden.
Eine Off-Stimme erzählt aus der Kindheit von Mackenzie „Mack“ Philips, insbesondere vom Zerwürfnis mit seinem Vater, der ihn und seine Mutter immer wieder schlug. Als Erwachsener ist Mack (nun von Sam Worthington dargestellt) mit der tiefgläubigen Nan (Radha Mitchell) verheiratet, die eine kindliche Beziehung zu Gott hat – sie nennt ihn immer nur „Papa“. Dies versucht sie auch den drei gemeinsamen Kindern Josh (Gage Munroe), Kate (Megan Charpentier) und Missy (Amélie Eve) beizubringen. Insgesamt sind die Phillips eine geeinte und glückliche Familie. Insbesondere das Nesthäkchen Missy ist der Sonnenschein der Familie, auch wenn sie manchmal Mack religiöse Fragen stellt, die er nicht beantworten kann.
Das Familienglück zerbricht allerdings jäh, als an einem Wochenende in den Bergen die kleine Missy entführt und offenkundig ermordet wird. Das FBI findet ihr blutgetränktes Kleid in einer verlassenen Berghütte. Vom Leichnam fehlt jedoch jede Spur. Für Mack beginnt die „Große Traurigkeit“, die ihn immer mehr von der Familie entfremdet. Aus der lebenslustigen Kate ist ein in sich gekehrter Teenager geworden, weil sie sich die Schuld am Tod ihrer kleinen Schwester gibt.
Eines Tages findet Mack in seinem Briefkasten einen mit „Papa“ unterzeichneten Brief, der ihn zu einem Wochenende in der „Hütte“ auffordert. Erstaunlich ist es dabei, dass auf dem verschneiten Grundstück keine Spuren zu sehen sind. In den tiefwinterlichen Bergen findet er die verlassene, verfallene Hütte. Da er dort niemand antrifft, will er den Rückweg antreten, als Mack einem jungen Mann mit Bart begegnet, der ihn aus der Winterlandschaft in eine frühlingshaft blühende Gegend führt, in der die Hütte in bestem Zustand und bunten Farben erstrahlt. Mack begegnet Gott in dreifacher Gestalt. Eine afroamerikanische, mütterlich wirkende Frau in den besten Jahren (Octavia Spencer) steht für Gottvater – in einer wichtigen Szene erscheint er aber in einer männlichen, indianischstämmigen Version (Graham Greene). Ein junger Handwerker mit Bart und dunklem Teint (Avraham Aviv Alush) steht für Jesus, und die junge, ätherisch verhuschte Asiatin Sarayu (wörtlich: „Der Wind“, eine der Übersetzungen des biblischen „Ruach“) für den Heiligen Geist. Dass diese Darstellung ziemlich gewöhnungsbedürftig erscheint, braucht nicht ausdrücklich erwähnt zu werden. Auch wenn die Ästhetik des Filmes teilweise mit seinen weichen und bunten Farben in Kitsch umschlägt, ist dies im Vergleich zu ähnlich gelagerten Filmen, etwa „Den Himmel gibts echt“ und „Himmelskind“, dank der schauspielerischen Leistung der Darsteller noch erträglich.
Schwerer wiegt die selbstgebastelte „Religion“ des Autors, der für alles Leid simple, in Sentimentalitäten verpackte Antworten anbietet, und die laut dem Autor selbst keine „religiöse“ Antworten sein sollen: „Wir im Westen haben eine Theologie erschaffen, in der Gott ichbezogen, distanziert und unerreichbar ist, einer, der entweder Vater oder Richter ist. Das Problem mit der Theologie ist: Oft ist Gott nicht einmal ein guter Vater. Ich glaube, meine Bücher geben den Leuten eine Sprache, um über Gott auf eine Art zu sprechen, die nicht religiös ist.“
Einige Ansätze zur Theodizee-Frage enthalten zwar die ausgedehnten, sich um Vergebung, Liebe und Glaube drehenden Dialoge: woher das Böse, wie sich Wille, Freiheit und Schmerz zueinander verhalten. Von der Weisheit in Gestalt der schönen Sophia (Alice Braga) lernt Mack nicht zu richten. Trotz seines anfänglichen Widerstands kann er endlich aus sich selbst herauskommen und Gottes Liebe verstehen und annehmen. Solche Ansätze werden freilich von einfallsarmen Metaphern und abgegriffenen Elementen begleitet, etwa als Mack mit Jesus übers Wasser läuft. Die Gefühlsduseleien lassen entscheidende Fragen, vor allem die der Versöhnung und der Annahme von Gottes Willen, der alles zum Guten führt, eher in den Hintergrund treten.
Filmische Qualität: | 3/5 |
Regie: | Stuart Hazeldine |
Darsteller: | Sam Worthington, Radha Mitchell, Octavia Spencer, Tim McGraw, Avraham Aviv Alush, Sumire Matsubara, Alice Braga, Graham Greene |
Land, Jahr: | USA 2017 |
Laufzeit: | 133 Minuten |
Genre: | |
Publikum: | ab 12 Jahren |
Einschränkungen: | — |
im Kino: | 4/2017 |
Quelle: http://textezumfilm.de