Die neue Religion, the new religion – dieses Schlagwort verwenden einige traditionelle Geistliche, insbesondere gewisse Bischöfe, um die inhaltliche Neugestaltung des Glaubens durch den Modernismus zu beschreiben. Viele dieser Aspekte finden wir in den Texten und den Jahren nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil verwirklicht. Es handelt sich dabei nicht in erster Linie um eine polemische Zuspitzung, sondern um einen realen Konflikt: den Gegensatz zwischen traditionellem und modernem Christentum. Worin besteht dieser Konflikt?
1. Die Bedeutung der Welt
Das traditionelle Christentum zeichnet sich durch eine klare Ausrichtung auf das Jenseits aus. Diese Welt wird als gefallene, vom Sündenfall geprägte Welt betrachtet – als lacrimarum valle, das Jammertal (Salve Regina). Der Mensch lebt, so das traditionelle Verständnis, zur Ehre Gottes. Seine Aufgabe auf Erden ist es, Verdienste für den Himmel zu erwerben, nicht jedoch, die Welt zu genießen. In der Oration der Alten Messe für den Heiligen Franziskus heißt es sinngemäß: „Gott, der Du Deine Kirche durch die Verdienste des heiligen Franziskus um einen neuen Spross erweitert hast, gewähre uns, durch seine Nachahmung das Irdische zu verachten und uns immer der Teilhabe an den himmlischen Gütern zu erfreuen.“
Das moderne Christentum hingegen pflegt eine positive, oft optimistische Sicht auf die Welt. Begriffe wie Weltverachtung und Jammertal gelten als veraltet oder gar als abstoßend. Das Zweite Vatikanische Konzil formuliert in Gaudium et Spes: „Immer größer wird die Zahl der Männer und Frauen jeder geselIschaftlichen Gruppe und Nation, die sich dessen bewußt sind, selbst Gestalter und Schöpfer der Kultur ihrer Gemeinschaft zu sein. Immer mehr wächst in der ganzen Welt der Sinn für Autonomie und zugleich für Verantwortlichkeit, was ohne Zweifel für die geistige und sittliche Reifung der Menschheit von größter Bedeutung ist. Diese tritt noch deutlicher in Erscheinung, wenn wir uns die Einswerdung der Welt und die uns auferlegte Aufgabe vor Augen stellen, eine bessere Welt in Wahrheit und Gerechtigkeit aufzubauen. So sind wir Zeugen der Geburt eines neuen Humanismus, in dem der Mensch sich vor allem von der Verantwortung für seine Brüder und die Geschichte her versteht.“ Das moderne Christentum betont die Aufgabe, die Welt zu gestalten und zu verbessern, in nahezu naiver Weise, sodass sich Kardinal Heenan, Erzbischof von Westminster, genötigt sah über Gaudium et Spes zu sagen: „written by clerics with no knowledge of the world“ – geschrieben von Klerikern, die die Welt nicht kennen.
2. Das Menschenbild
Im traditionellen Glauben gilt, dass der Mensch mit der Erbsünde belastet geboren wird. Seine Natur ist zum Bösen geneigt. Zwar nimmt die Taufe die Erbsünde hinweg und schenkt die heilsnotwendige Gnade, jedoch bleibt die Konkupiszenz – die sinnliche Begierlichkeit – als ständige Versuchung bestehen. Das Leben eines Christen ist daher vor allem am Beginn ein Kampf gegen die Sünde. Fasten, Beten und die Sakramente sind notwendig, um in der Gnade zu bleiben. Bei schwerer Sünde ist die Beichte unerlässlich, um die Gnade wiederherzustellen. Wer in Todsünde stirbt, kommt in die Hölle.
Das moderne Christentum hingegen deutet die Erbsünde oft als eine allgemeine „Sündenverstrickung“ der Menschheit. Der Mensch wird nicht selten als von Grund auf gut betrachtet, und die Taufe erscheint eher als sichtbares Zeichen der ohnehin bestehenden Liebe Gottes. Die Vorstellung der Todsünde und der Hölle wird häufig gemieden oder relativiert. Stattdessen herrscht die Überzeugung vor, dass ein liebender Gott niemanden verdammen werde.
3. Das Verständnis von Kirche
Im traditionellen Christentum gilt der Grundsatz: Extra ecclesiam nulla salus – Außerhalb der Kirche kein Heil. Dieses Dogma, das auf dem Konzil von Florenz (1438–1445) definiert wurde, betont die Notwendigkeit, zur katholischen Kirche zu gehören, um gerettet zu werden. Die Ökumene wird kritisch gesehen, da sie die Heilsnotwendigkeit der katholischen Kirche zu untergraben droht und Nicht-Katholiken in falscher Sicherheit wiegt, ihre falschen Glaubensüberzeugungen könnten Heil bringen.
Im modernen Christentum wird dieser Exklusivanspruch oft als intolerant bezeichnet. Der Satz extra ecclesiam wird vielfach auf alle christlichen Gemeinschaften ausgeweitet. Ökumene wird als positives Mittel zur Annäherung und Einheit der Christen verstanden. Es wird betont, dass es genüge, an Jesus zu glauben oder „ein guter Mensch zu sein“, um gerettet zu werden.
Der Konflikt zwischen traditionellem und modernem Christentum lässt sich als Spannungsverhältnis zwischen einer übernatürlich ausgerichteten Religion und einer weltzugewandten, humanistisch geprägten Religion beschreiben. Das traditionelle Christentum hat seine Wurzeln im Glauben der Apostel, das moderne Christentum hingegen beruht auf dem Protestantismus, der Aufklärung und anderen humanistischen Irrtümern.
In erster Linie handelt es bei der katholischen Tradition nicht um eine Frage der Liturgie, sondern um eine Frage des Glaubens – und um des Glaubens willen wird an der Alten Messe festgehalten, die die Inhalte des überlieferten Glaubens wunderschön und vollständig enthält.
Für das Überleben der Tradition, müssen wir vor allem einem Erzbischof danken: