Mittwoch, 30. Oktober 2024

War Lefebvres Exkommunikation gültig?

Am 1. Juli 1988 verkündete der Heilige Stuhl ein Dekret, das die Exkommunikation von Erzbischof Marcel Lefebvre, Bischof Antônio de Castro Mayer und der vier von ihnen geweihten Bischöfe bestätigte. Diese Entscheidung war das Ergebnis der Bischofsweihen, die Lefebvre ohne päpstliche Genehmigung durchgeführt hatte. Die Bischofsweihen wurden als „schismatischen Akt“ betrachtet, was zur automatischen Exkommunikation führte (CIC/1983, Can. 1387: „Ein Bischof, der jemanden ohne päpstlichen Auftrag zum Bischof weiht, und ebenso, wer von ihm die Weihe empfängt, ziehen sich die dem Apostolischen Stuhl vorbehaltene Exkommunikation als Tatstrafe zu.“)

Die Weihen wurden von Erzbischof Lefebvre als notwendig erachtet, um die Tradition der Kirche zu bewahren und sicherzustellen, dass die heilige Messe und die Sakramente gemäß der traditionellen Liturgie weiterhin verfügbar sind. Die Maßnahmen wurden nicht gegen die Kirche, sondern für die Erhaltung des katholischen Glaubens ergriffen.

Argumente für die Rechtmäßigkeit der Exkommunikationen

Wenn ein Papst im Motu Proprio Ecclesia Dei (1988) davon spricht, dass Erzbischof Lefebvre und die zu weihenden Bischöfe der Exkommunikation verfallen sind, ist das bindend:

„Die Tat [Bischofsweihe] als solche war Ungehorsam gegenüber dem Römischen Papst in einer sehr ernsten und für die Einheit der Kirche höchst bedeutsamen Sache, wie es die Weihe von Bischöfen ist, mit der die apostolische Sukzession sakramental weitergegeben wird. Darum stellt dieser Ungehorsam, der eine wirkliche Ablehnung des Römischen Primats in sich schließt, einen schismatischen Akt (Vgl. Codex Iuris Canonici, can. 751) dar. Da sie diesen Akt trotz des offiziellen Monitums vollzogen, das ihnen durch den Kardinalpräfekten der Kongregation für die Bischöfe am vergangenen 17. Juni übermittelt wurde, sind Msgr. Lefebvre und die Priester Bernard Fellay, Bernard Tissier de Mallerais, Richard Williamson und Alfonso de Galarreta der schweren Strafe der Exkommunikation verfallen, wie die kirchliche Disziplin vorsieht. (Vgl. Codex Iuris Canonici, can. 1382).“

Argumente gegen die Rechtmäßigkeit der Exkommunikationen

Notwendigkeit der Weihen: Die Krise in der Kirche und die Verbreitung moderner Praktiken, die schädlich waren und sind, machten diesen Schritt erforderlich. Die Weihen waren notwendig, um den traditionellen katholischen Glauben und die Überlieferte Liturgie zu bewahren.

Legitimität nach Kirchenrecht: Erzbischof Lefebvre erkannte einen Notstand in der Kirche und handelte entsprechend dem Kirchenrecht, das in solchen Fällen außergewöhnliche Maßnahmen erlaubt. Laut Can 1323 (4) ist derjenige nicht strafbar, „wer bei Übertretung eines Gesetzes oder eines Verwaltungsbefehls […] aufgrund einer Notlage oder erheblicher Beschwernis gehandelt hat, sofern jedoch die Tat nicht in sich schlecht ist oder zum Schaden der Seelen gereicht“. Wichtig ist hier auch, dass dies sogar dann gilt, wenn derjenige glaubt, dass einer dieser Umstände vorliege (7).

Zusätzlich betont Kanon 1324, dass auch in zweifelhaften Fällen der Glaube Vorrang hat und der Täter mildernde Umstände geltend machen kann.

Intention und Gehorsam: Die Absicht war nie, sich von der Kirche abzuspalten oder ungehorsam gegenüber dem Papst zu sein. Vielmehr war das Handeln aus einem tiefen Pflichtbewusstsein gegenüber dem Glauben und der Tradition motiviert. Die Bischofsweihen sollten sicherstellen, dass die traditionelle Lehre und Praxis der Kirche erhalten bleiben.

Rechtfertigung durch den Glauben: Der hl. Glaube und die Tradition stehen über allem. In außergewöhnlichen Umständen sind außergewöhnliche Maßnahmen gerechtfertigt. Die Bewahrung der traditionellen Liturgie und Sakramente war in der gegebenen Situation von höchster Priorität.

Historisches Beispiel – Papst Liberius: Ein ähnlicher Fall in der Kirchengeschichte war die Exkommunikation von Bischof Athanasius durch Papst Liberius im vierten Jahrhundert. Trotz der Exkommunikation blieb Athanasius in der Kirche anerkannt und wurde später heiliggesprochen. Dieses Beispiel zeigt, dass kirchliche Exkommunikationen in Krisenzeiten manchmal ungerechtfertigt sein können und später korrigiert werden.

Eine Dissertation von Father Gerald E. Murray aus New York an der Päpstlichen Universität Gregoriana (1995) spricht sich ebenfalls für die Ungültigkeit der Exkommunikation aus. Denn es bestünden ernsthafte Zweifel, ob Lefebvre der Exkommunikation „latae sententiae“ unterliege. Die Exkommunikation gegen Lefebvre wurde nämlich nie ausgesprochen, sondern nur von Kardinal Gantin „erklärt“, weil diese automatisch wegen der begangenen Tat der Bischofsweihen gelte. Aber, so Murray, hier müsste auch Cann. 1323 u. 1324 geprüft werden (s.o.).

Hier könne man fragen, ob der der Papst als Gesetzgeber nicht über dem Kirchenrecht stehe? Kann er es nicht ändern? – Ja, aber das habe er nicht getan. Solange er das Gesetz nicht ändere, sei er an das Gesetz gebunden. War Johannes Paul II. sich dessen nicht bewusst?

Murray antwortet darauf: „Ich muss antworten, dass der Papst selbst kein Kanonist ist; und die Meinung, die ihm gegeben wurde, war die, die im L’Osservatore Romano veröffentlicht wurde, in einem Kommuniqué, in dem es hieß, dass der in Kanon 1323 vorgesehene Notstand nicht anwendbar sei. Ich denke, dass seine Berater ihm gesagt haben, dass Lefebvre nicht das Recht hat, sich auf die Kanones 1323 und 1324 zu berufen. …. Ich glaube, dass seine Berater sich geirrt haben, denn der Fall Lefebvre ist nur ein Beispiel dafür, dass der alte Kodex ganz klar war, während der neue viel weniger rigoros ist. ….

Dennoch könnte der Papst sagen: ‚Vergessen Sie diese Kanones. Ich bestimme, dass diese Leute von mir exkommuniziert werden, es sei denn, sie unterwerfen sich ab morgen meinem Urteil.‘ Aber der Papst ging nicht auf diese Weise vor. Er handelte nach der Meinung seiner Berater und nach dem geltenden Kirchenrecht…. Und wenn die kanonischen Strafen in Bezug auf Lefebvre selbst zweifelhaft sind, dann sind sie es auch in Bezug auf die Laien, die mit der Gesellschaft verbunden sind.“

Auch ließe sich aus Einer Handlung aus Ungehorsam noch kein Schisma herleiten: „Ein Schisma setzt eine systematische, gewohnheitsmäßige Weigerung voraus, abhängig zu sein“ (P. Mattheus Conte a Coronata). „Das Schisma wäre klar, wenn die Gehorsamsverweigerung die Autorität an sich angreifen würde… wenn jemand ein Gebot oder ein Urteil des Papstes, das in Ausübung seines Amtes ergangen ist, ablehnt und ihn nicht als Vorgesetzten anerkennt…“ (P. Congar). „Schisma darf nicht mit Ungehorsam verwechselt werden.“

Schlussfolgerung

Die Exkommunikation wurde nicht explizit ausgesprochen, sondern als latae-sententiae-Exkommunikation gemäß dem Kirchenrecht „erklärt“. Die Exkommunikation von Erzbischof Lefebvre, Bischof Antônio de Castro Mayer und der vier Weihbischöfe lässt sich aber nicht als „automatische Exkommunikation“ mit dem Kirchenrecht begründen, weil sich Lefebvre als Cann. 1323 und 1324 berufen konnte. Und solange ein Papst ein Gesetz nicht ändert, ist es auch für ihn bindend. Es bestand auch kein schismatischer Bruch, sondern ein tiefes Bestreben, die Tradition und den Glauben der Kirche zu bewahren. Es wird zur Einheit im Glauben und zur Rückkehr zur traditionellen Liturgie aufgerufen, um in einer Zeit der Kirchenkrise die ewig gültige Lehre und das Heil der Seelen sicherzustellen.

2 Kommentare

  1. Meines Erachtens geht der Artikel am Thema vorbei. Man sollte doch erst einmal untersuchen, warum Lefebvre überhaupt diese Weihen vorgenommen hat. Hätte er es getan, wenn er der bestehenden Kirchenleitung rechtmäßige Bischofsweihen zugetraut hätte?Doch wohl sicher nicht. Was folgt also in der Konsequenz, wenn man die Weihen des Papstes nicht mehr für gültig hält? Und wären dann die „Exkommunikationen“ eines solchen Papstes überhaupt selbst gültig?

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