Sonntag, 24. November 2024

Ohne Hölle kann die Kirche nicht missionieren

Augustinus schreibt: „Unruhig ist unser Herz, bis es ruht in dir“. In diesem Satz stecken viele Annahmen: Dass der Mensch auf Gott hin geschaffen ist, dass der Mensch ohne Gott keine Ruhe findet, dass der Mensch Gott für seinen Frieden und seine Freiheit braucht. Diese Annahmen sind in der Geschichte oft genug bestätigt worden. Und die Kirche hat bis heute den offiziellen Auftrag, die Menschen zu Gott zu führen. Aber das funktioniert nicht mehr. Die Kirche kann heute nicht mehr missionieren, weil sie ihre eigenen Inhalte aufgeweicht hat, weil sie die Ernsthaftigkeit und die klare Botschaft scheut.

Ich bin heute nicht mehr katholisch, weil ich im Priesterseminar war und Theologie studiert habe, sondern trotz allem. Außerhalb der katholischen Tradition gibt es keine ernsthafte Mission mehr, und deshalb stirbt das Christentum in Europa aus. Durch das Zweite Vatikanische Konzil und die liberale Amtsführung der Päpste seit den 60er Jahren ist ein humanistischer Geist in die katholische Kirche eingezogen. Es geht vor allem darum, ein „guter Mensch“ zu sein, nicht „zu extrem“ zu sein und von der Welt geliebt zu werden.

Die Angst vor der Hölle gilt als psychische Störung. Nicht die kirchliche Tradition und die Kirchenväter sind heute Autoritäten in Fragen der Moral, sondern die „Humanwissenschaften“ und Ärzte. Die Todsünde gilt als etwas so Schlimmes, dass man sich in unsren humanistischen Zeiten kaum vorstellen kann, dass sich jemand ernsthaft in einem solchen Zustand befindet. Braucht es heute noch Priester? Als Begleiter der Gemeinde, als Lebenshelfer vielleicht. Als Mann Gottes, der die Gemeinde zum Himmel führt? – Viel zu vorkonziliar.

Die moderne Bibelwissenschaft bezweifelt die Existenz von Adam und Eva und die Historizität des Alten Testaments allgemein. Die Wunder Christi spielen keine große Rolle mehr, und die Auferstehungsberichte im Markusevangelium gelten als spätere „Hinzufügungen“. Damit bleibt vom Christentum nichts mehr übrig: Der Glaube gilt als wissenschaftlich überholt und die Moral als „menschenverachtend“. Letztere sei gegen die Humanwissenschaften und stehe im Widerspruch zu neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen.

Die alte Strenge gilt nicht mehr. Eine neue Zeit ist angebrochen, die auch als Befreiung empfunden wird. Michael Matt erinnert sich an die Situation nach dem Konzil: „Die Kirche befand sich im Umbruch, vom Vatikan bis zur Gemeindeebene und die katastrophalen Folgen waren noch nicht vollständig absehbar. Die Messe wurde radikal verändert, Altäre zerhackt, Chorräume planiert, Nonnen verließen die Klöster, Priester zogen los, um zu heiraten – alle waren „endlich frei“ … So dachte man jedenfalls.“

„Endlich frei“ – aber sind die Verheißungen der neuen Zeit, das liberale Leben und der Hedonismus wirklich ein neues Evangelium, und eine frohe Botschaft für unsere Zeit? Es ist sicher das Beste, was die Welt zu bieten hat und unendlich seriöser als ein Christentum, das seinen Glauben aufgibt. Die Welt der Studentenverbindungen, Festivals und Freizügigkeit ist unendlich attraktiver als das moderne Christentum. Keine historisch-kritische Methode ist das Haar einer Frau wert. Kein Stuhlkreis schlägt einen Kommers. Selbst wenn das Herz unruhig bleibt, die moderne Kirche kann es nicht mehr zur Ruhe bringen.

Was braucht es, um das zu schaffen? Es braucht wahre Liebe, wahren Glauben und die klare Sprache des Evangeliums. Es braucht Priester und Bischöfe, die glauben, dass die Botschaft des Evangeliums wahr ist. Priester, die an den Sündenfall, an die Wunder und die Auferstehung Christi, an die Autorität der Kirchenväter, an die Heilsnotwendigkeit der katholischen Kirche usw. glauben. Solche Priester können laue Seelen zurückgewinnen, die auf der Suche sind.

Wenn ein Priester in der Beichte sagt: „Früher war das so“, dann ist dem Sünder nicht vergeben und keine Umkehr erreicht. Er mag noch so viele erbauliche Worte sagen und sich beliebt machen, im Grunde liebt er nur sich selbst, weil er den Sünder in seinen Sünden belässt. Echte Liebe hat der Priester, der in der Vollmacht Christi zur Umkehr mahnt und deutlich macht, dass die Hölle droht, wenn man nicht aufhört zu sündigen und zu kämpfen. Genau diese Klarheit braucht es, um missionieren zu können – denn das ist die Wahrheit des Evangeliums. Darum ist, wie die Schrift sagt, die Gottesfurcht der Anfang der Weisheit.

Priester, die die Realität der Hölle sehen, glauben auch an den Himmel und die Macht und Schönheit Gottes. All dies ist notwendig, um wirklich den guten Kampf zu führen und von allen Lastern und Anhänglichkeiten frei zu werden. Louis-Marie Grignion de Montfort warnt vor der Heilsvermessenheit und spricht davon, dass es besser sei, sich Gewalt anzutun, als zu sündigen. Diese Furcht vor der Sünde und die damit verbundene Ehrfurcht vor Gott brauchen wir wieder. Dann begreifen wir, was Christus am Kreuz für uns getan hat, und wir bauen wieder Kathedralen – aus Dankbarkeit.

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3 Kommentare

  1. Literaturangabe zum Klassiker der traditionellen Sicht der Hölle, in Antiquariaten ein gesuchter Titel:
    Dr. Joseph Bautz: Die Hölle – Im Anschluss an die Scholastik dargestellt von J.B., Professor der Theologie an der Königlichen Universität zu Münster, 2. verbesserte Auflage, Mainz 1905.

  2. Ihre Ausführungen erinnern mich an das hundertjährige Standardwerk über die Hölle, den sog. „Höllen-Bautz“, den Sie vermutlich kennen, dabei hat er auch über das Fegefeuer und den Himmel mit fast gleich grosser Sprachkraft publiziert. Ein Autor, den sich kein katholischer „Befürworter“ der Hölle entgehen lässt. Für mich war freilich diesbezüglich Meister Eckhart am überzeugendsten, was Sie in dessen Predigten aber selber nachlesen können. An zweiter Stelle kam Dante, von dem mein benediktinischer Lehrer sagte, sein Werk enthalte keine dogmatischen Fehler. Mit dem Theologen Herbert Haag verstand ich mich 1986 besser beim gemeinsamen Engagement gegen den UNO-Beitritt der Schweiz, womit Haag gegen den Universalanspruch jener Weltorganisation Stellung nehmen wollte. Selber bekannte ich ihm aber mein Nichteinverständnis betreffend die Hölle, so wie bei Balthasar, zwar Haag-Gegner, die sophistische These, es gäbe die Hölle, sie sei aber „leer“. Meister Eckhart widersprach ihm schon vor 700 Jahren, weil er einen kannte, der nach seiner Akzeptanz des Willens Gottes drin war: Er selber, Eckhart von Hochheim, dessen 27 verurteilte Sätze nur losgelöst vom Kontext Ketzereien sind. Möchte ich diesen Herbst noch bei einer Vorlesung über meinen Lehrer Alois M. Haas, Balthasar-Schüler, klarlegen.

    Herr Jung, sofern Erasmus von Rotterdam ein Humanist war, der in der Substanz der Katholizität keinen Kompromiss kannte und deshalb Zwingli und Luther Warnbriefe schrieb, auch mit unvergleichlichem Bekenntnis zur wahren Freiheit eines Christenmenschen, nämlich die dem Menschen gewährte Willensfreiheit, dann sind Ihre Ausführungen über das, was man humanistischen Geist zu nennen hat, wohl ein Irrtum. Hätte Ihnen wohl auch Papst Benedikt XVI. bestätigt. Erasmus setzte übrigens entschieden auf Papst Hadrian VI., seinen Landsmann, der leider kaum ein Jahr im Amt war, Zwingli leider bereits zu spät ein bedeutendes, nichts verwässerndes Versöhnungsangebot machte, eben der ehem. Bischof Hadrian von Utrecht, in dessen Bistum später freilich der sog. Altkatholizismus seinen Anfang nahm. Die Durchsicht des Gesamtwerkes von Erasmus einschliesslich seiner unübertrefflichen Briefe bezeugt ihn als textlinguistisch dogmatisierenden Katholiken, in welcher Methode er seiner Zeit um 500 Jahre voraus war, aber gerade dann von den Modernisten und etwa Küng nicht eingeholt, schon weil die unvergleichliche Sprachpräzision und sozusagen lateinische beinahe „Allgemeingültigkeit“ von Erasmus ihnen ebenso abging wie das ganz grosse spirituelle Musikgehör, das wir ab Dionysios Areopagita (vgl. das Vermächtnis Kaltenbrunners) über Beda den Ehrwürdigen bis zur Mystik nicht bloss von Margaretha Ebner und Heinrich von Nördlingen bis Angelus Silesius sowie Pascal und Baader bis viel später wahrnehmen, gerne hätte ich noch Balthasar genannt, wäre er sich nicht selber etwas im Wege gestanden, im Gegensatz zu Reinhold Schneider, der wie Kierkegaard bei den Protestanten auch als Katholik einem etwas zur Glaubenskrise sagen konnte, wovon jeder einzelne von uns ehrlicherweise nicht ausgeschlossen ist. Theologisch hielt ich von Haas stets grössere Stücke als von Haag.

    PS. Das eindrücklichste von mir gelesene Buch über das Fegefeuer stammt vom Schweizer Historiker und Staatsmann Ägidius Tschudi, Verfechter des Tridentinums in der Schweiz. Er brachte es auch fertig, dass Papst Pius IV. den schon im Indes der Verbotenen Bücher eingetragenen Erasmianer Glarean, damals Professor im Breisgau, wieder aus der Liste der Indizierten gestrichen wurde, mit Entschuldigungsbrief des Papstes an den fälschlich Inkriminierten, damals Lehrer an der Universität Freiburg im Schwarzwald.

  3. Zur Erinnerung: Bei der dritten Erscheinung der Muttergottes in der Cova da Iria am 13. Juli 1917 in Fatima hatte Lucia eine Höllenvision, bei der sie einen Schmerzensschrei ausstieß. 25 Jahre berichtete sie von dem Ereignis:

    „Als die Muttergottes die letzten Worte aussprach, von denen ich berichtet habe, öffnete sie die Hände, wie sie es schon in den beiden vorhergehenden Monaten getan hatte. Das Strahlenbündel, das von dort ausging, schien in die Erde einzudringen, und wir sahen etwas wie ein großes Feuermeer, und in ihm versunken schwarze, verbrannte Wesen, Teufel und Seelen in Menschengestalt, die fast wie durchsichtige, glühende Kohlen aussahen. Sie wurden innerhalb der Flammen in die Höhe geschleudert und fielen von allen Seiten herab wie Funken bei einer großen Feuersbrunst, gewichtlos und doch nicht schwebend; dabei stießen sie so entsetzliche Klagelaute, Schmerzens– und Verzweiflungsschreie aus, dass wir vor Grauen und Schrecken zitterten. (Es wird wohl bei diesem Anblick gewesen sein, dass ich den Schmerzensruf ausstieß, von dem die Leute erzählten). Die Teufel hatten die schreckliche und widerliche Gestalt unbekannter Tiere, waren jedoch durchsichtig wie glühende Kohle. Dieses Gesicht dauerte einen Augenblick; und wir müssen unserer gütigen himmlischen Mutter danken, dass sie uns vorher den Himmel versprochen hatte; ich glaube, sonst wären wir vor Schrecken und Entsetzen gestorben.“

    „O mein Jesus, verzeihe uns unsere Sünden; bewahre uns vor dem Feuer der Hölle, führe alle Seelen in den Himmel, besonders jene, die Deiner Barmherzigkeit am meisten bedürfen.“

    Da wir um die Existenz der Hölle wissen, tragen wir eine große Verantwortung für die Rettung unserer Brüder und Schwestern durch unser Gebet, vornehmlich auf die Art und Weise, wie es die Mutter Gottes die Seherkinder lehrte.

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