Donnerstag, 21. November 2024

Sex und die Frau – Die Enzyklika „Humanae vitae“

Erstveröffentlichung: 25. Juli 2018

Von Beile Ratut

In der Enzyklika „Humanae vitae“ kommt ein Verbot der künstlichen Empfängnisverhütung zum Ausdruck, das dem heutigen Menschen wie aus einer anderen Welt erscheinen muss, und die Weitergabe menschlichen Lebens erklärt die Enzyklika auch noch zu einem von zwei zentralen Merkmalen des Sex. Das heute vorherrschende Konzept des Sex ist auf Lustgewinn ausgerichtet – und wird das je hinterfragt? Bei Menschen, die etwas auf ihre Anständigkeit halten, kommt vielleicht ein Element der phasenweisen Verbindlichkeit hinzu.

Kaum wird man irgendwo aber noch einen Christen antreffen, der ernsthaft nach der „vollmenschlichen Liebe“ strebt, nach „Ganzhingabe“, nach lebenslanger „Treue und Ausschließlichkeit“, und das alles unter Verzicht auf künstliche Verhütungsmittel.

Natürlich kann man niemanden dazu zwingen, Verhütungsmittel nicht zu verwenden; und man kann in der heutigen Gesellschaft auch nicht davon ausgehen, dass das für einen Menschen eine auch nur im Ansatz nachvollziehbare Möglichkeit darstellen würde. Auch wenn sie das eigentlich ist.

Der christliche Glaube ist radikal

Der christliche Glaube ist im Kern ein radikaler Glaube. Und genauso radikal ist die Selbsthingabe an das Leben, die in dem Verzicht auf den Gebrauch von Verhütungsmitteln läge. Beides aber unterliegt der freien Entscheidung des Menschen. Verhütungsmittel sind – auch von der Frau und für die Frau – als Befreiung gefeiert worden. Heute kann sich kaum noch einer vorstellen, wie das gehen soll, Sex ohne Selbstbestimmung über Auswahl und Wechsel der Kopulationspartner und der Situationen, in denen kopuliert wird? Sex ohne absolute Autonomie in der Frage, wann Nachwuchs kommt und wann nicht?

So selbstverständlich erscheint die freie Verfügbarkeit des Sex, dass sogar in Filmen, deren Handlung in einem früheren Jahrhundert spielt, inzwischen lustig kopuliert wird, als wäre ein solches Konzept der „Freiheit“ auch damals schon ein Allgemeinplatz und mit Konsequenzen nicht zu rechnen gewesen. Der Kontext, in den Sex gestellt ist, ist das Vergnügen, die Versuchung, der man natürlich nachgeben darf, und der Lustgewinn. Sex wird von der Warte der menschlichen Selbsterfüllung her beurteilt.

Selten wirft man einen Blick hinter die Kulissen, wo man womöglich auf ein Geflecht von Lügen und Selbstbetrug stößt, auf Orientierungslosigkeit, Alkoholmissbrauch, Prostitution, Pornographie, Drogen und Manipulation. Was man aber außerhalb des christlichen Ideals an Sex erleben kann, ist meist nur ein schaler Abklatsch sexueller Möglichkeiten, und diesen Abklatsch fährt man oft noch künstlich hoch durch Variabilität, Exzesse, Drogen, Alkohol, antrainiertes Posen, Künstlichkeit und Hilfsmittel.

Mittels der Verhütungsmittel steht die Frau uneingeschränkt für Sex zur Verfügung, ob in der Ehe, auf dem freien Fleischmarkt oder in der Prostitution. Weil auch für die meisten Christen Sex nicht an die Ehe geknüpft ist, ist es notwendig durchzudenken, was das mit dem Menschen, insbesondere mit der Frau, macht.

Nun könnte man sagen, für die Frau handelte es sich in erster Linie um eine Befreiung. Lebt die Frau nach den Gesetzen der säkularen Gesellschaft mit ihrem Ideal von „Selbstbestimmtheit“, dann ist es das möglicherweise vordergründig auch. Sie kann selbst entscheiden, wann sie sexuelle Lust aus einer wie auch immer gestalteten Begegnung zieht und wann eben nicht. Sie ist nicht mehr auf die Stimme des Mannes, sein Wollwollen und seinen Schutz angewiesen. Der Frau wird suggeriert, dass diese Form der Selbstbestimmtheit ein Ideal wäre, das sie anstreben soll.

Die Pille beeinflusst Partnerwahl und Gesundheit

Verhütungsmittel haben nicht nur durch ihre Substanz einen Einfluss auf das Leben insbesondere der Frau. Die Pille nimmt einen nicht unwesentlichen Einfluss auf Gesundheit und Zyklus; daneben beeinflusst die ständige Hormonzufuhr aber auch die Partnerwahl; Frauen präferieren den in Mode gekommenen „weichen Mann“, den sie oft gar nicht anziehend finden, wenn sie doch noch ein Kind wollen und die Pille daher schließlich absetzen.

Eine Gesellschaft, die die große Mehrheit der Frauen durch permanente Hormoneinnahme den Gezeiten ihrer natürlichen Fruchtbarkeit entfremdet, führt also auch zu einer Gesellschaft, die einen nicht-maskulinen Typ Mann favorisiert.

Wie viele andere Instrumente der Selbstbestimmtheit auch versetzt die Pille die Frau in eine Lage, in der die Chancen einer gelingenden Beziehung erschwert sind, denn das Gelingen wird ständig herausgefordert, wo Hingabe, Aufeinander-Bezogensein und auch Angewiesen-Sein aufgehoben werden. Ist die Frau fruchtbar und der Mann in sexuellen Dingen aufgeklärt, dann ist auch der Mann gezwungen, aufgrund der Fakten der Natur, Rücksicht auf die Frau zu nehmen. Die Frau kann alleine schon daran, wie er an sie herantritt, auf seinen Charakter schließen (eine wichtige Erkenntnis, wenn man einen Mann sucht, mit dem man sein Leben teilen will). Nimmt er beispielsweise keinerlei Rücksicht auf sie und riskiert eine Schwangerschaft, obwohl er das nicht will, dann kann sie sich sicher sein, dass es sich bei dem Mann um einen Zeitgenossen handelt, dem man besser aus dem Weg geht.

Hat sie sich eingelassen, dann ist auch die Art und Weise, wie der Mann mit ihrer biologischen Natur umgeht, ein entscheidender Faktor dafür, wie sie miteinander wachsen. Die Frau lebt ohne Pille in den Gezeiten ihrer Fruchtbarkeit, sie kann spüren, was mit ihr geschieht, sie ist Teil der Natur. In der Natürlichkeit kommen sich Mann und Frau auf eine ganz andere Weise nah als in einer künstlich unfruchtbar gestellten Beziehung. Die Fruchtbarkeit stellt ein Paar fundamental in die Frage: wer sind wir wirklich miteinander?

Wahre Liebe und Romantik gehen verloren

Die Pille schafft eine Illusion von Unabhängigkeit, sie wirft die Frau auf sich selbst zurück, sie eliminiert eine entscheidende gemeinsame Verantwortung von Mann und Frau. Paul VI. schreibt in Humanae vitae: „Männer, die sich an empfängnisverhütende Mittel gewöhnt haben, könnten die Ehrfurcht vor der Frau verlieren“. Dem Mann kann die Natur der Frau egal sein, er wird davon nicht tangiert. Wo er früher noch durch die Fruchtbarkeit der eigenen Verantwortung nicht ausweichen konnte, kann er die Frau nun als sexuelles Spielzeug ansehen.

Die Welt sieht Liebe vom Ego des Menschen her, sie ist dann ein „Zufall von Harmonie“ zwischen dem Recht des einen und dem Recht des anderen. Du schenkst mir mein Wonneleben und ich schenke dir deinen Honigmond. Kommt die Harmonie ins Wanken, dann ist die Liebe eben ausgelaufen, verhallt und verjährt, und man trennt sich. Da Menschen aber sehr verschieden sind, kann man Liebe nicht von Rechten und Bedürfnissen her denken, die sich mal erfüllen und dann wieder nicht.

Wonneleben und Honigmond können Geschenke eines erfüllten Ehelebens sein, sie entspringen einem tiefen Geheimnis, das wächst, wo zwei Menschen sich sinnlich und geistig einander anvertrauen, ohne Vorbehalte, ohne das Pochen auf Rechte, ohne Eheverträge und ohne Notausgang.

Verhütungsmittel sind ein Vorbehalt. Sie sagen: „Ich bin Herr über mein Leben.“ Die vorherrschende Weltanschauung findet das in Ordnung. Sexuelle Vollmacht ist dabei heruntergebrochen auf eine rein materielle Choreographie, die nur noch Phantomen der Lust nachjagt, von Natur schwätzt, aber die Natur in ihrem umfassenden Sinne leugnet.

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HUMANAE VITAE

ENZYKLIKA 
SEINER HEILIGKEIT 
PAUL PP. VI.

ÜBER DIE WEITERGABE DES LEBENS

5 Kommentare

  1. Der Begriff der Pille kommt übrigens in der Enzyklika nicht vor. Las den Text gleich beim Erscheinen, sogar lateinisch. Eher lustig über die Enzyklica machte sich damals der katholisch-konservative Publizist Eric von Kuehnelt-Leddihn, bekannter monarchistischer „Reaktionär“, bei einem Vortrag sinnigerweise im Hotel „Zum Storchen“ Zürich, wo übrigens schon Paracelsus mal abgestiegen ist. Der heilige Pirmin verglich in seinem Scarapsus (724) Empfängnisverhütung mit Abtreibung, wobei er darüber offenbar schon Kenntnisse hatte, wie auch über magisches Brauchtum. Meine Eltern wie auch ich und meine Frau haben im Eheleben nie auf solche Mittel zurückgegriffen. Die Probleme von Ehe und Familie liegen eh tiefer.

  2. Die mitten im Leben stehende Theologin Margot Käßmann hat es auf dem Ökumenischen Kirchentag unter minutenlangen Beifall vor allem aus katholischen Händen ausgesprochen:

    >> Die „Pille“ ist ein Geschenk Gottes an die Frauen!“ <<

    Den fernab von der Lebenswirklichkeit der Menschen stehenden Oberhirten und in der Seelsorge unerfahrenden Päpste sei indessen ihre Meinung unbenommen!

  3. Die Enzyklika Humanae Vitae hat in der Tat eine wichtige Botschaft für unsere Zeit – nämlich an den Zusammenhang zwischen Sexualität und Fortpflanzung zu „erinnern“. In den Debatten um die Homo-Ehe und Abtreibung sind die absurdesten Blüten der Entkoppelung beider Aspekte deutlich zu sehen. Man braucht dazu nur den Kommentarteil eines beliebigen Online-Portals zu einem Artikel aus diesem Themenfeld zu öffnen, wo man für den Hinweis ausgelacht wird, dass Geschlechtsverkehr ‚in der Regel‘ zu Zeugung von Nachkommen führe und dies ein Aspekt sei, den man bei der Partnerwahl und in seinem Sexualleben durchaus berücksichtigen sollte. Die Homo-Ehe dagegen wird zu einer Liebes- und Verantwortungsgemeinschaft idealisiert, die geradezu engelsgleich rein sei, ohne aber in diesem Zusammenhang von Sexualität sprechen (die es in einer solchen Beziehung nach katholischem Verständnis ja auch gar nicht geben kann, sondern nur gleichgeschlechtliche erotische Akte). Die Sexualisierung der Gesellschaft durch jederzeit verfügbare Pornographie und Prostitution ist zu kritisieren. Dass hormonelle Verhütung in der Tat mit schweren Problemen verbunden ist, ist offenkundig.

    ABER: Das Frauenbild, das in Artikeln wie diesem vermittelt wird, ist geradezu absurd. Es wird unterstellt, Frauen würden durch künstliche Verhütung zu Lustobjekten gemacht, die jederzeit verfügbar seien. Das ist aber eine Argumentation, die weltweit gesehen geradezu historisch blind ist. Vor der Einführung der künstlichen Verhütung hätten Frauen demnach in vormodernen historischen Gesellschaft geradezu auf Händen getragen werden und von allen Seiten als reine Mütter geachtet werden müssen. Nichteuropäische und nichtchristliche Gesellschaften, in denen künstliche Empfängnisverhütung verpönt ist, müssten demnach geradezu Paradiese der Achtung gegenüber Frauen sein. Der Befund ist aber ein anderer: Wenn Mädchen nicht schon zu hunderttausenden im Gegensatz zu Jungs abgetrieben gemacht, haben sie dort oft keinen Wert, der über eine Gebärmaschine hinausgeht. Im Gegenteil – gerade in unserer westlichen Gesellschaft werden Frauen geachtet und respektiert, wie es noch niemals irgendwo sonst der Fall gewesen ist. Ist das Verbot einer Vergewaltigung in der Ehe ein Ausdruck steter sexueller Verfügbarkeit der Frau?

    Damit will ich weder sagen, dass es keine Probleme bei der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau gebe, noch, dass es biologische und psychische Unterschiede zwischen den Geschlechtern gebe, die nivelliert werden müssen. Aber angesichts der weltweiten und historischen Situation von Frauen muss man doch sagen, dass die Interpretation von Humanae Vitae als ‚prophetisches Dokument‘ nicht trägt. Dieses Problem wurde schon von den Bischöfen gesehen, die an der Beratung beteiligt waren und von der naturrechtlichen Argumentation der Enzyklika nicht überzeugt waren (man denke nur daran, dass die Zahl abgehender befruchteter Eizellen bei natürlicher Empfängnisverhütung viel höher sein kann als bei künstlicher!). Es ist bekannt, dass die Enzyklika auf einem Minderheitenvotum beruht. Bei all ihrem Wert geht es nicht an, sie derart zu idealisieren, dass dies mit der Unterstellung verbunden ist, katholische Ehepaare, die sich für künstliche Familienplanung entschieden haben, verweigerten einander letztlich die vollkommene Hingabe. Das ist Anmaßung! Denn wer vermag in die Herzen zu schauen außer Gott?

    • Hm. Interessante Gedanken, die Sie da äußern. Ich habe den Text nun nicht so gelesen und verstanden, dass da eine solche Vereinfachung oder ein simpler Zusammenhang hergestellt würde.

    • Es ist doch im Text deutlich gesagt, dass jeder diese Dinge selbst entscheiden muss. Und dennoch kann man auch die Ansicht vertreten, dass künstliche Empfängnisverhütung nicht Sinn der Sache sein kann in der Ehe. Damit muss man sich dann eben auseinandersetzen. Die Frauen haben aus meiner Sicht viel erreicht, was sie aber ganz bestimmt nicht erreicht haben ist, dass man sie heute mehr wertschätzt. Es gibt ein unheimliches Volumen an Frauenhass in der Gesellschaft, und ich habe den Eindruck, viele Ausdrucksformen der Gleichberechtigung vertiefen diesen Frauenhass. Es ist also ganz richtig, hier einmal genauer hinzuschauen. Frauenhass drückt sich doch auch nicht nur aus in Gewalt oder Aggression! Ich kenne viele Männer, die bereits fünfzig sind, und die denken gar nicht daran, für Frau und Kinder Verantwortung zu übernehmen, die besuchen so gut sie können immer neue Weiden, und wenn man ihnen genau zuhört und die richtigen Fragen stellt, dann wird deutlich, dass sie zur Frau gar keinen Bezug haben als den Sexuellen. Das sind nette Kerle, aber sie sehen die Frau eben nicht als Geschöpf Gottes, sondern als ihre Spielwiese. Gesellschaftlich ist das voll anerkannt, und diese Männer gelten sogar als vorbildlich in ihrer „Achtung“, da sie den Müll raustragen. Dies ist nur ein einzelnes Beispiel, es gäbe noch eine Unmenge.

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