Wir leben in interessanten Zeiten! Verborgenes wird offenbart, Geheimnisse kommen ans Licht, der Nebel des Schweigens löst sich auf. Das erinnert an das Herrnwort aus dem Lukasevangelium: „Es gibt nichts Verborgenes, das nicht offenbar wird, und nichts Geheimes, das nicht bekannt wird und an den Tag kommt“ (8, 17).
Jetzt offenbart sich mehr und mehr, was nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil in der Kirche passiert ist. Der Kurienpriester Charles Murr schreibt ein Buch über die Freimaurer-Untersuchung von Kardinal Gagnon im Vatikan und spricht immer offener über die Verwüstung nach dem Konzil und darüber, was Kardinal Gagnon über Lefebvre sagte. Murr möchte, dass die Wahrheit bekannt wird, bevor er stirbt.
Kardinal Gagnon wurde 1985 von Papst Johannes Paul II. zum Kardinal erhoben und war der Präsident des Päpstlichen Rates für die Familie. Nach dem Attentat auf Johannes Paul II. (13. Mai 1981) soll der Papst nach Gagnon verlangt haben und wurde über dessen Freimaurer-Untersuchung aufgeklärt. 1984 wurde Baggio vorzeitig als Präfekt der Kongregation für die Bischöfe abberufen.
1987 visitierte Kardinal Gagnon Lefebvres Priesterseminar in Ecône. Gagnon wohnte am 8. Dezember der Messe Lefebvre bei und schrieb ins Gästebuch, dass „das in diesem Haus wunderbar vollbrachte Werk der Priesterausbildung zum Wohle der heiligen Kirche überall seine Ausstrahlung finde“.
Ein Jahr später, nach den vier Bischofsweihen durch Erzbischof Marcel Lefebvre und Bischof Antônio de Castro Mayer, besuchte Kardinal Gagnon Charles Murr in Mexiko und berichtete ihm über seine Visitation. Murr gibt im Video-Interview mit OnePeterFive (Youtube-Link unten) das Gespräch wieder. Murr fragte Gagnon:
Murr: „Was war Ihr Eindruck von Lefebvre und vom Seminar?“
Gagnon: „Ich kannte Lefebvre schon länger, ich denke seit dem Konzil, er ist ein sehr frommer Mann, ein sehr heiliger Mann.“
Murr: „Und was ist mit dem Priesterseminar?“
Gagnon: „Das Priesterseminar sollte als Vorbild genommen werden für jedes Priesterseminar auf der Welt.“
Murr: „Wirklich?“
Gagnon: „Wirklich, wirklich, es ist ausgezeichnet. Es ist so, wie ein katholisches Priesterseminar sein sollte.“
Dann fragte Murr, was Gagnon von den Bischofsweihen halte und der Kardinal antwortete:
Gagnon: „Erzbischof Lefebvre hat nicht dem Vatikan vertraut, insbesondere hat er nicht Kardinal Ratzinger vertraut, dass sie dem treu bleiben, was sie Lefebvre vorgeschlagen haben. Indem sie nur einen Bischof anboten, hatte er Angst, dass es ein Bischof wäre, den sie [die Kurie] mag, der dann die Bewegung infiltrieren und sabotieren würde. Also hat er vier Bischöfe seiner eigenen Wahl geweiht.“
Murr: „Was hat er falsch gemacht?“
Gagnon: „Er hat nichts falsch gemacht, indem er dem Vatikan nicht vertraute.“
Habe vor 49 Jahren für eine katholische Zeitung in der Schweiz, gab es damals noch, einen Bericht mit Gespräch mit Erzbischof Lefebvre gemacht. Es brauchte Standfestigkeit, darüber unpolemisch zu berichten. Die alte Messe hatte damals im Aargau ihre hartnäckigen Anhänger, erinnere mich an einen tapferen Unternehmer im unteren Aaretal.
Bei Respekt vor den Anliegen des Erzbischofs, auch Besuch von Ecône vorletzten Sommer, im Anschluss an einen Festgottesdienst der Schweizer Johanniter in der Bischofskirche Sion, eine andere Art Traditionalisten, hatte ich an jenem Sonntagnachmittag von den Seminaristen, die unter einer Linde musizierten (bin zwar über die Baumart nicht mehr sicher), einen wirklich guten Eindruck. Es waren, wenn ich mich richtig erinnere, mehrheitlich Franzosen. Besuchte auch das Grab des Erzibischofs und die Buchhandlung, zusätzlich gab es im Kreuzgang eine grössere Ausstellung antiquarischer Bücher, oft noch aus dem 19. und dem frühen 20. Jahrhundert, mehr französische als deutsche, englische und italienische. Dort machte ich die interessantesten Entdeckungen, nämlich das eines sehr hohen geistigen und geistlichen Niveaus im nachrevolutionären Frankreich. Es hielt bis tief ins 20. Jahrhundert durch. Man verstand, warum ein Paul Claudel sich bekehrte. Bin mir nicht mehr sicher, wie er sich heute verhalten würde.
Die Begegnung mit Marcel Levebvre vor einem halben Jahrhundert machte mir einen sehr glaubwürdigen Eindruck. Freilich nicht ganz einen so starken wie Prof. Ratzinger wenige Jahre zuvor bei seinem Vortrag über den Indianerbefreier Bartolomé de Las Casas bei einer Tagung in Freiburg i.B. wenige Jahre zuvor, wo auch ein persönlicher Austausch möglich war. Hätte Mühe, ihn zu den 1000 bedeutendsten Katholiken der Kirchengeschichte mitzuwürdigen. Ideologisch und geistesgeschichtlich gehört er ins Milieu der französischen Rechten um die Zeit des Ersten Weltkrieges, wohl nicht weit von Charles Maurras und Maurice Barrès, von welch letzterem selbst Thomas Mann beeindruckt war. Ich natürlich auch, aber das war’s dann schon.
Das Engagement für die Alte Messe finde ich echt katholisch, da denke ich wie mein Autorenkollege Hürlimann. Dass Bischof Vitus Huonder, dem ich gelegentlich zum Namenstag gratulierte mit ehrenvoller Antwort, sich an der Seite des Erzbischofs beisetzen liess, spricht indes für dessen Isolation in der Schweiz. Bischofskonferenz. Ich könnte mich zu einem solchen letzten Willen nicht entscheiden, wiewohl grosse Mühe mit Abdankungen incl. „Kommunionfeier“, wie unterdessen in meiner Heimatgegend üblich geworden.
Vielen Dank für Ihren Kommentar. Gerne würde ich einen Artikel lesen, über Ihre Begegnung mit dem Erzbischof. Ich würde ihn auf cathwalk.de veröffentlichen. Wenn Sie Interesse haben, schreiben Sie mir gerne eine E-Mail josef-jung@gmx.de