Dieser Artikel wurde mit der freundlichen Genehmigung von Dr. Peter Kwasniewski vom Cathwalk übersetzt und veröffentlicht. Den Originalartikel (englisch) finden Sie auf der Homepage OnePeterFive.
Oft wird behauptet, der traditionelle römische Ritus bringe deutlicher als der Novus Ordo zum Ausdruck, dass die Messe ein wahres und echtes Opfer sei – eine unblutige Vergegenwärtigung des blutigen Opfers Christi am Kreuz. Da diese dogmatische Wahrheit von zentraler Bedeutung ist, um den katholischen Glauben zu leben und weiterzugeben, sollten wir fragen, wie und warum dies der Fall ist. Können wir die Merkmale der Alten Messe erkennen, die ihren Opfercharakter so deutlich machen? Mit einer gesunden Furcht vor Auslassungen schlage ich zu Beginn Folgendes vor: Ich stelle diese Merkmale nicht in einer bestimmten Reihenfolge ihrer Bedeutung dar, weil ich glaube, dass sie alle wichtig sind und zusammen eine kumulative und überwältigende Wirkung haben.
Die Ad-Orientem-Ausrichtung
In jeder traditionellen Liturgie wenden sich die Christen dem Osten zu, der aufgehenden Sonne, dem Symbol des kommenden Christus in Herrlichkeit und des unauslöschlichen Lichts Gottes. Wenn der Priester in der katholischen Messe zum Altar kommt, sich mit uns nach Osten wendet und die heiligen Gaben darbringt, ist es offensichtlich, dass er etwas für uns tut, als unser Vermittler mit Gott und als Abbild des einen Vermittlers zwischen Gott und den Menschen, Christus Jesus. Er ist mit dem Werk des Altars, mit dem Lamm Gottes, das unsere Sünden wegnimmt, beschäftigt – da kann es keine Illusion geben, dass es nur um uns geht, im Sinne des „in sich geschlossenen Kreises“, von dem Joseph Ratzinger spricht.
Nun können wir immer darauf hinweisen, dass versus populum nie vom Zweiten Vatikanischen Konzil oder späteren Dokumenten vorgeschrieben wurde und dass ad orientem im Novus Ordo vollkommen „zulässig“ ist, aber da die Jahre vergehen und wir einerseits sehen, wie Kardinal Sarah vom Vatikan für die Befürwortung von ad orientem gemaßregelt wird, und andererseits, wie Kardinal Cupich es ultra vires verbietet, können wir mit Sicherheit sagen, dass es im Novus Ordo-Kontext nie eine allgemeine Rückkehr zur östlichen Ausrichtung geben wird. Wenn dies schon nicht unter Papst Benedikt XVI. geschehen ist, der ihr sehr wohlwollend gegenüberstand, so scheint es auch für die Zukunft unwahrscheinlich zu sein, da eine Kombination aus institutioneller Trägheit und einer neuen neomodernistischen Agenda die meisten Versuche einer Liturgiereform im Keim ersticken wird.
In Wahrheit kehrt die traditionelle Ausrichtung zurück, wann immer und wo immer die traditionelle Liturgie zurückkehrt. Die „Psychologie“ der neuen Messe, so wie sie aufgezwungen und inkulturiert wurde, ist mit der von Ratzinger kritisierten horizontalistischen Mentalität verwoben, und es wird viel schwieriger sein, diesen Irrtum zu überwinden, als den usus antiquior als etwas Neues und Anderes wieder einzuführen, das bereits über eine Reihe einheitlicher harmonisierender Züge verfügt.
Vorbereitung durch das Stufengebet
Psalm 42 [in der Vulgata, Psalm 43 in der Einheitsübersetzung], der davon spricht, zum Altar Gottes zu gehen, von seinem Licht und seiner Wahrheit zum heiligen Berg und zu den Tabernakeln [Einheitsübersetzung: „Wohnung“] des Herrn geführt zu werden, das Heil zu preisen (man denke daran, wie die Messe im römischen Kanon als „sacrificium laudis“ bezeichnet wird), ist ein idealer Einstieg in die Messe. Dieser Psalm ist durchdrungen von der Sprache des Opfers, des Leidens, der Hoffnung auf Erlösung – all das unterstreicht die bevorstehende mystische Vergegenwärtigung des Leidens unseres Herrn.
Der ausführliche Bußritus unterstreicht, dass wir ein ernstes Werk in Angriff nehmen, das nicht auf die leichte Schulter genommen werden darf. Die menschliche Psyche kommt nicht umhin, sich zu fragen: „Was soll das alles? Worauf bereiten wir uns vor?“ Die beträchtliche Zeitspanne zwischen dem ersten Kreuzzeichen und dem Beginn der eigentlichen Messe mit dem Introitus bietet die nötige Gelegenheit, sich auf das bevorstehende Opfer einzustellen, die Sünden zu beklagen und um Gnade zu bitten.
Die Trennung des Priesters vom Volk
Der alte Ritus unterscheidet in vielerlei Hinsicht deutlich zwischen dem Priester und dem Volk – sie werden nicht in einen Topf geworfen, wie im modernen Ritus, sondern entsprechend ihrer ontologischen Unterscheidung behandelt. So spricht beispielsweise der Priester das Confiteor zuerst für sich selbst, und dann sprechen die Messdiener das Confiteor für sich und das Volk. Im Hochamt spricht er allein das Gloria und das Glaubensbekenntnis und fährt dann fort, sie getrennt zu rezitieren, während das Volk oder der Chor singt. Im Offertorium, dem Suscipe, Sancte Pater, wird die Rolle des Priesters als Vermittler und seine persönliche Sündhaftigkeit deutlich hervorgehoben:
„Nimm an, heiliger Vater, allmächtiger, ewiger Gott, diese makellose Opfergabe, die ich, Dein unwürdiger Diener, Dir, meinem lebendigen und wahren Gott, darbringe für meine unzähligen Sünden, Fehler und Nachlässigkeiten, für alle Umstehenden und auch für alle lebenden und verstorbenen Christgläubigen, damit sie mir und ihnen zum Heil gereiche, zum ewigen Leben. Amen.“
Der Priester empfängt zuerst die heilige Kommunion, um das Opfer zu vollenden, und reicht sie erst dann dem Volk. Er sagt dreimal das „Domine, non sum dignus„, und erst danach sagen es die Messdiener oder das Volk dreimal. Das Placeat tibi verdeutlicht noch einmal die besondere Rolle des Priesters:
„Es möge Dir wohlgefallen, heilige Dreifaltigkeit, die Huldigung meines Dienstes. Gewähre, dass das Opfer, das ich Unwürdiger vor den Augen Deiner Majestät dargebracht habe, Dir angenehm sei und mir und allen, für die ich es dargebracht habe, durch Dein Erbarmen zur Versöhnung gereiche.“
Dies ist nicht das Gebet eines bloßen „Vorstehers“ oder „Präsidenten der Versammlung“.
Inwiefern ist eine solche Unterscheidung und Trennung für unser Thema von Belang? Betrachten wir die Lehre des Hebräerbriefs: „Denn jeder Hohepriester wird aus den Menschen ausgewählt und für die Menschen eingesetzt zum Dienst vor Gott, um Gaben und Opfer für die Sünden darzubringen.“ (Hebr 5,1; vgl. 2,17; 8,3). Das ist die Definition eines Priesters: derjenige, der als Vermittler Opfer für die Sünden darbringt. Alles, was den klaren Ausdruck des priesterlichen Amtes schmälert oder abschwächt, schmälert den Opfercharakter seines Handelns. Der Priester am Altar handelt wirklich in persona Christi, und zwar in einer Weise, die sich qualitativ von der Art und Weise unterscheidet, in der die Laien oder die untergeordneten Kleriker mitwirken, und die Alte Messe bringt dies in aller Deutlichkeit zum Ausdruck. Sicherlich ist dies einer der Gründe, warum das Priestertum in den Gemeinschaften, die sich auf die traditionelle Messe stützen, mit größerer Wertschätzung und Respekt behandelt wird und warum die Zahl der Berufungen aus diesen Gemeinschaften immer größer sein wird.
Die vielen Altarküsse
Als ich in meinen Zwanzigern zum ersten Mal die Alte Messe kennenlernte, stellte ich mit Freude fest, dass der Priester im alten Ritus viel häufiger den Altar küsst als im neuen Ritus, wo er dies nur zweimal tut – zu Beginn und am Ende der Messe. Was für ein verzweifelter Verzicht auf Sinn, Schönheit und Zuneigung ist das! Die vielen Küsse im usus antiquior lenken unsere Aufmerksamkeit während der ganzen Messe immer wieder auf den Altar und richten unsere Aufmerksamkeit dorthin, auf den Ort des Opfers, für den der Priester geweiht wurde, zu dem er immer wieder aufsteigt und mit dem er als einer der auserwählten Freunde unseres Herrn eng verbunden ist. Da der Altar Christus darstellt, sind diese Küsse echte Zeichen der Liebe, des Dienstes und der Hingabe an Ihn. Dies ist eine weitere kleine, aber ergreifende Art und Weise, wie die traditionelle Messe Geist und Herz auf den Herrn und die Unermesslichkeit seiner Liebe zu uns – die vor allem in seiner Passion zum Ausdruck kommt – konzentriert und wie ihre Symbole in uns den Wunsch wecken, Liebe mit Liebe zu erwidern.
Die Gebete selbst
Die traditionellen Gebete des Offertoriums, der Römische Kanon und das Placeat tibi bringen in absoluter Vollkommenheit die Lehre von der Messe als wahrem, eigenem, sühnendem, büßendem Opfer für die Lebenden und die Verstorbenen zum Ausdruck – eine Lehre, die vom Konzil von Trient in vollendeter Form formuliert und mit einer dichten Hecke von Anathemas umgeben wurde.
Der Ritus des Offertoriums ist eines der mittelalterlichen Juwelen der Messe, das in ganz Europa in allen Riten, Variationen und Verwendungen zu finden ist. Er wurde von den puritanischen Reformern des 16. und 20. Jahrhunderts als „mittelalterliches Anhängsel“ entfernt und verworfen. Der Römische Kanon, den einige der eifrigsten Modernisten der Ära Pauls VI. ganz aus ihrem avantgardistischen Messbuch streichen wollten, wird in der traditionellen lateinischen Messe immer verwendet – kein Wunder, denn er ist das bestimmende Merkmal des römischen Ritus. Nimmt man das gesamte vom Komitee geschaffene Sammelsurium an eucharistischen Gebeten zusammen, so wird es immer noch nicht gelingen, die Lehre vom Messopfer so klar und andächtig auszudrücken, wie es der römische Kanon für sich allein tut. Im besten Fall sind sie Neuheiten, die frei von Lehrfehlern sind; im schlechtesten Fall scheinen sie um die Lehre herumzutanzen, aus Angst, die Lutheraner vom reich gedeckten Tisch auszuschließen.
Die Stille des Kanons
Die Stille, die während des römischen Kanons über die Kirche hereinbricht, ist eines der schönsten Merkmale des usus antiquior. Man kann der prächtigsten Messe der Welt beiwohnen, mit Orgeln und Chören, die mit den Engeln wetteifern – aber wenn es Zeit für das große Wunder ist, verstummen alle und beten an. Die Elevationen sind wie ein visueller Donner inmitten dieses unhörbaren Gebetssturms. Die Glocken dringen in den stillen Raum ein und schärfen unser Bewusstsein noch mehr, so dass alle Sinne angespannt sind und das Herz doch in Frieden ruht. Die hohle Stille macht, ebenso wie die ad orientem-Ausrichtung, deutlich, dass der Priester sich auf das große Werk unserer Erlösung konzentriert, etwas, das offensichtlich von Gott und für Gott ist; es geht nicht um dich – zumindest nicht sofort; es geht um Christus, das Haupt des mystischen Leibes, und somit um uns, insofern wir seine Glieder sind.
Elevation während der doppelten Kniebeuge
Die Tatsache, dass der Priester im Novus Ordo angewiesen wird, zuerst die Hostie oder den Kelch zu erheben und sich erst danach vor dem Herrn zu beugen, ist eindeutig eine Änderung, über die selbst päpstliche Maximalisten nichts Gutes sagen können. Das Erheben von Hostie und Kelch hat den Zweck, den Gläubigen die Möglichkeit zu geben, das Allerheiligste anzubeten, nachdem der Priester es zuerst angebetet hat; Hostie und Kelch müssen erhoben werden, weil der Priester nach Osten schaut und sein Körper den Blick auf die konsekrierten Gaben versperrt. Auf das Wunder der Transsubstantiation gibt es keine natürlichere, selbstverständlichere, korrektere und frommere Reaktion, als in Anbetung auf die Knie zu fallen. Die doppelte Kniebeuge des usus antiquior – also sowohl vor als auch nach der Elevation – vermittelt die demütige Ehrfurcht und die angemessene Huldigung des Dieners vor seinem Meister, des Geschöpfes vor seinem Schöpfer. Diese unmissverständliche Betonung der Realität des göttlichen Opfers dient, wie so viele andere Details, dazu, die Messe als wahres und nicht nur symbolisches Opfer zu unterstreichen.
Mit dem Anheben des Messgewandes, dem wiederholten Läuten der Glocken und den häufigen Weihrauchwolken ist die Elevation in der traditionellen lateinischen Messe zudem ein weitaus nachdrücklicherer Moment, der mehrere Sinne mit einer reicheren Symbolik anspricht. Wie William Mahrt schreibt:
„Wenn die Messe mit dem Gesicht zum Altar zelebriert wird (mit dem Gesicht zu Gott und nicht nur mit dem Rücken zum Volk), wird das Sakrament in einer Aura des Geheimnisses und des Wunders geweiht, und wenn es zur Anbetung des Volkes erhoben wird, sehen sie es als etwas, das angebetet werden soll. Wenn die Messe am Altar mit dem Gesicht zum Volk zelebriert wird, sieht das Volk jede Handlung des Priesters, und die Elevation ist dann kein so großer Höhepunkt.„[1]
Die Elevation ist der visuelle Höhepunkt der Messe, eine Geste, die uns an die Opferung des Sohnes an den Vater, des makellosen Lammes an die ewige Dreifaltigkeit, für uns Menschen und für unser Heil erinnert. Niemand, der auch nur ein bisschen aufpasst, kann übersehen, dass sich in diesem Moment etwas Dramatisches ereignet. Indem es an die Auferweckung Christi am Kreuz erinnert, lenkt es unsere Gedanken zu Recht auf den Karfreitag, auf die erlösende Passion und auf die Großzügigkeit, mit der unser Herr diese Gabe seiner selbst in unserer Mitte gegenwärtig macht, indem er uns mit der gleichen aufmerksamen Liebe überschüttet, die er auf dem Kalvarienberg seiner heiligsten Mutter und seinem geliebten Jünger Johannes erwiesen hat. Da wir wissen, dass die Messe ein wahres und echtes Opfer ist – das Opfer von Golgatha, ein Dogma des katholischen Glaubens, wie es in Trient festgelegt wurde -, sollte die Messe in einer Weise gefeiert werden, die nicht wie das Paschamahl am Gründonnerstag aussieht, das in Erwartung des kommenden Erlösungsopfers stattfand.
Im Kontext des Novus Ordo gibt es weder eine reine Opferhandlung noch ein reines Gesellschaftsmahl, sondern eine unpassende Mischung aus beidem, so dass das Ergebnis weder Fisch noch Fleisch ist. Aus diesem Grund wird die neue Liturgie weder die Progressiven noch die Konservativen zufrieden stellen, und aus diesem Grund ist ihre ars celebrandi seit fast fünfzig Jahren ein Tauziehen. Die alte Liturgie ist in dieser Hinsicht kein Tauziehen, denn sie genießt das Privileg, einfach sie selbst zu sein, zeitlos und ewig jung, und versucht nicht, relevant oder aktuell zu sein, was immer zu peinlichen oder inkohärenten Ergebnissen führt.
Die Kommunion und die Ablutionen des Priesters
Wie bei der Vorbereitung während des Stufengebets verstärkt die Ernsthaftigkeit, mit der der Priester die Kommunion im usus antiquior empfängt – die größere Anzahl und Ausführlichkeit der Gebete, das Rezitieren von Psalmenversen, die bewusstere Handhabung des Kelchs (mit dem er sich bekreuzigt) usw. – unterstreicht die Feierlichkeit des Augenblicks, die Tatsache, dass man tatsächlich an den heiligen, ehrfurchtgebietenden, unsterblichen und lebenspendenden Geheimnissen Christi teilnimmt. Die Ablutionen (Waschungen), die in ihren Gebeten und in ihrer Gründlichkeit umfangreicher sind und das Waschen von Zeigefinger, Daumen und Kelch mit Wein und Wasser umfassen, unterstreichen dieselbe Wahrheit und bewahren den Priester davor, sich der großen Schuld auszusetzen, den Sohn Gottes unachtsam zu behandeln. Der Kommunionritus und die Ablutionen zusammen betonen die Realität des opfernden Opfers („sacrificial Victim“), die durch die Konsekration in unserer Mitte gegenwärtig wird, und zeigen einmal mehr, dass das, was wir vor und nach der Konsekration tun, für das Gesamtverständnis dessen, was in der Messe geschieht, keineswegs unwichtig ist.
Im Novus Ordo wurden die meisten dieser Gebete und Ablutionen abgeschafft, was für zahllose Küster, Messdiener und Messbesucher erschreckende Folgen hatte. Die Vereinfachung dieser Elemente der Messe hat das Festhalten am orthodoxen Glauben, an die Heilige Eucharistie als den wahren Leib und das wahre Blut Christi oder die Messe als sein wahres und angemessenes Opfer, nicht bestärkt.
Das Schlussevangelium
Die fast tägliche Rezitation des Prologs des Johannesevangeliums unterstreicht, dass das Drama, dem wir beigewohnt haben, eine Art Fortsetzung des Geheimnisses der Menschwerdung selbst ist. Es war das Wissen um diese ehrfurchtgebietende Realität, das die Katholiken, die – aus welchen Gründen auch immer – die Kommunion in einer bestimmten Messe nicht empfangen konnten, aufrechterhielt; sie waren dort, weil die Messe an und für sich der höchste Akt der Anbetung, des Lobes, des Dankes und des Flehens war – und nicht, weil sie ein verherrlichter Kommuniongottesdienst war.
Schlussfolgerungen
Was die so genannte „Reform der Reform“ betrifft, so kann man die ernüchternde Tatsache feststellen, dass der Novus Ordo in seiner jetzigen Form, selbst mit seinem Füllhorn an Optionen, nur wenige der oben beschriebenen Merkmale nachahmen kann, und das auch nur unter Treibhausbedingungen. Die meisten dieser Elemente sind so weit von seinem Ethos und seinen Rubriken entfernt, dass der neue Ritus erheblich überarbeitet werden müsste, um sie unterzubringen. Machen wir uns nichts vor: Die Architekten des neuen Ritus wollten die Betonung des Opfers loswerden. Deshalb haben sie aus dem alten Ritus absichtlich fast alles entfernt, was oben aufgeführt ist.
Wenn man ein mäßig katechisierter Katholik ist, ist es nicht möglich, der traditionellen lateinischen Messe beizuwohnen, ohne sie in gewisser Weise als ein Opferritual zu erleben, als die Darbringung des Sohnes Gottes in seiner menschlichen Natur für die Heiligste Dreifaltigkeit. Die oben erwähnten Merkmale, die ein fester Bestandteil des Ritus selbst sind und nicht weggelassen werden können, lehren und zeigen dies ganz deutlich. Umgekehrt wird es selbst einem katechetisch gebildeten Katholiken schwerer fallen, die Wahrheit über die Messe im neuen Ritus zu erkennen. Da die Reformatoren einen neuen Schwerpunkt auf die Gemeinde und ihre aktive Teilnahme legten, mussten die Opfergebete und Zeremonien – die zumeist in den Zuständigkeitsbereich des Priesters und der anderen Amtsträger im Altarraum fielen – reduziert oder abgeschafft werden. Diese neue populistische oder kongregationalistische Ausrichtung steht im Widerspruch zu einem geschärften Bewusstsein für die unmittelbare und eigentliche Bedeutung der dargebotenen Mysterien.
Wenn wir einmal verstanden haben, dass die Messe das Opfer Christi, des Hauptes des mystischen Leibes, ist, dann wird es uns möglich, sie als unser Opfer zu verstehen, als den letzten Akt der Liebe, der uns als Glieder desselben Leibes eint. Aber die horizontale Dimension hängt ganz und gar von der vertikalen Dimension ab, das Menschliche vom Göttlichen, die Gemeinschaft hängt vom Priestertum Christi und seinem Opfer ab.
Anders ausgedrückt: Sobald ein Katholik die Wahrheit tief verinnerlicht hat, dass der grundsätzliche Zweck der Messe darin besteht, Gott das einzige und all-wohlgefällige Opfer für das Leben der Welt darzubringen und deren geistliche Früchte zu empfangen, wird es für diesen Katholiken schwierig oder unmöglich sein, den Novus Ordo zu tolerieren so wie er, bis auf ganz wenige Ausnahmen, zelebriert wird. Er wird sich auf die Suche nach einer Messe machen, die so „aussieht“, wie die Messe in Wirklichkeit ist, bei der der Klerus und die Laien handeln und empfangen, als ob sie wüssten, was sie ist. Sobald er der traditionellen lateinischen Messe begegnet, wird er tief im Inneren erkennen, dass dies die katholische Messe ist, die Liturgie, die den Glauben der Kirche verkörpert.
[1]Sacred Music 142.2 [Summer 2015], 4 [Übersetzung vom Cathwalk]
Das neue Buch von Peter Kwasniewski ist auch in deutscher Sprache erschienen: „Wahrer Gehorsam in der Kirche„
Guten Tag,
ich bin auf diese Website gestossen aus Interesse an der katholischen Soziallehre und dem Artikel über Distributismus, der bei Wikipedia verlinkt ist. Als Christ, der Jesus nachfolgt aber nicht Mitglied der katholischen Kirche ist, hat mich der Artikel überrascht. Er hat sehr klar herausgearbeitet, wie wichtig dem Autor die Idee des Opfers ist, die Rolle des Priesters und die des Altars. Da mir eine Aussage von Jesus (aus einer späteren nichtbiblischen Offenbarung) bekannt ist, dass die Interpretation seines Todes am Kreuz als Opfer eine Fehlinterpretation ist, möchte ich hier noch einmal schauen, was es mit der Idee des Opfers auf sich hat und welche Rolle es in der Nachfolge Jesus spielen oder nicht spielen kann. Was lässt sich aus den Lehren Jesus, wie sie uns aus seinen Reden, Gleichnissen und Wunderwirkungen bekannt sind, entnehmen?
Ein Opfer im religiösen Sinn bedeutet, dass der Opfernde ein Objekt aus seiner Verfügungsgewalt Gott übergibt zitiert nach [ https://de.wikipedia.org/wiki/Opfer_(Religion) ]. Psychologisch sieht das für mich nach einer Ersatzhandlung aus. Der Opfernde gibt etwas um etwas zuerreichen, aber er selbst braucht sich dafür nicht über das hinaus zu geben als über den Verzicht an der Verfügungsgewalt an dem Objekt. Insoweit hat ein Opfer zugleich etwas Verbindendes und etwas Trennendes zwischen Mensch und Gott. Die Gabe des Opfers verbindet und das sich nicht selbst geben müssen trennt. Wird das der Beziehung zwischen Gott und den Menschen gerecht wie sie Jesus gelehrt hat und wie er das Gesetz der Thora verstanden wissen wollte? Jesus antwortet auf die Frage eines Schriftgelehrten, was der Kern der Thora sein, man solle Gott den Herrn mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraftaus ganzem Herzen lieben. Im Vater Unser heist es, „Geheiligt werde Dein Name“. Jesus lädt uns ein zu Gott Abba, Papa zu sagen. Aus all dem wird deutlich, Leben als Christ bedeutet in der Nachfolge Jesu sich ganz auf Gott auszurichten, auf ihn hin zu leben, mit Herz und Verstand und sich dabei von Jesus leiten zu lassen. Es ist aber kein Opfer in dem Sinn dass man dabei etwas verliert sondern es ist ein völliger Gewinn. So verstanden lebt ein Christ alles was er tut als Gebet auf Gott hin. In der Beziehung zwischen Gott und den Menschen ist nicht Ambivalentes auf der Seite Gottes und sollte und braucht auch nichts Ambivalentes seitens des Menschen sein. Jesus hat gezeigt, dass und wie das möglich istt. Er spricht den Anspruch an uns aus es ihm gleich zu tun. Er sagt ich bin das Licht und der Weg und die Wahrheit und er sagt ihr seid das Licht. Er ruft seine Jünger auf ebenfalls Wunder zu wirken und weist sie darauf hin. Wenn Euer Glaube nur so groß wie ein Senfkorn wäre könntet ihr Berge versetzen. Er fordert uns damit auf in unsere Kraft, besser gesagt mit in Gottes Kraft zu kommen und segensreich zu wirken durch unsere Verbindung mit Gott unerem Vater. Das Heilangebot von Gott an uns Menschen durch Jesus ist ein durch und durch glückseligmachendes Angebot. Gott ist bedingungslose, verzeihende, barmherzige Liebe. Jesus hat dies vorgelebt und gezeigt, dass es dabei für Gott keine Grenzen gibt. Er hat aus dieser Verbindung mit Gott heraus geheilt und zahlreiche Wunder zum Wohl der Menschen gewirkt. Er hat mit Lazerus einen Toden zum Leben erweckt und gezeigt, dass auch ihm selbst der Tod nichts anhaben kann. Jesus hat nicht nur geredet er hat alles manifestiert.
Die Trennung von Gott und Menschen durch die Idee des Opfers wird auch dadurch deutlich, dass der Altar, auf dem das Opfer zelebriert wird, ein physischer Altar ist. In der mir vorliegenden Quelle sagt Jesus, dass wir selbst, unsrer innerer Seelenraum, Altäre Gottes seien. Begreift man das, wird klar, dass Priestern in diesem Prozess keine hervorgehobene Rolle zukommen kann, sondern dass jeder Christ gleichermassen gefordert ist, Jesus so konsequent und immerwährend nachzufolgen. Es gibt nur Arbeiter im Weinberg des Herrn. Wir alle sind gleich gerufen zu folgen. Jeder, der sich hat taufen lassen, ist ein Arbeiter im Weinberg des Herrn. Gottes Segen für alle Leser.
Lieber Herr Michael,
vielen Dank für Ihren Kommentar. Es gibt zwischen Katholiken und Protestanten eine unterschiedliche Dogmatik darüber, was die Messe ist. Aber es ist für beide eindeutig, dass der Tod Christi am Kreuz ein Opfer ist. Ich habe in einem Artikel herausgearbeitet, wie das genau definiert ist:
„Opfer im allgemeinen ist die Hingabe eines Gutes für einen edlen Zweck, besonders wenn sie mit empfindlicher Entsagung verbunden ist. Opfer im religiösen Sinne sind nach dem biblischen Sprachgebrauche Leistungen aller Art, durch die der Mensch die freie Hingabe seiner selbst an Gott zum Ausdruck bringt. Als Beispiele nennt Diekamp: Gebete, Werke der Barmherzigkeit, gerechter Wandel, Abtötung des Fleisches, Reue und Zerknirschung des Herzens.“
Thomas von Aquin sagt: „Omne illud, quod Deo exhibetur ad hoc, quod spiritus hominis feratur in Deum, potest dici sacrificium“ [Alles das, was Gott dargebracht wird zu dem Zwecke, dass sich der Geist des Menschen auf Gott richte, kann als Opfer bezeichnet werden] (3 q. 22 a. 2). Diekamp betont, dass ein rein äußerliches Opfer keinen Wert vor Gott habe, es müsse der Ausdruck der Opfergesinnung vorhanden sein.
De fide definiert ist: „Christus hat durch seinen Tod am Kreuze ein wahres und eigentliches Opfer dargebracht.“ Das Wesen des Kreuzesopfers besteht, so Diekamp, „darin, dass Christus die vollkommenste Selbsthingabe an den Vater sowohl innerlich in Gehorsam und Liebe als auch äußerlich durch die blutige Darbietung seines Leibes und Blutes in der Form einer Opfergabe vollzog.“
https://www.thecathwalk.de/2021/11/12/die-erloesung-jesu-christi-nach-der-lehre-von-thomas-von-aquin/
Viele Grüße
Josef Jung | Chefredakteur von Cathwalk.de