Kaiser Karl V. herrschte über ein Reich, in dem die Sonne nie unterging. Er war Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, König von Spanien und König von Neapel und besaß Kolonien in Asien und Amerika.
Sein gesamter Titel umfasst die ganze Welt:
Wir, Karl der Fünfte, von Gottes Gnaden erwählter Römischer Kaiser, immer Augustus, zu allen Zeiten Mehrer des Reiches, in Germanien, zu Kastilien, Aragon, León, beider Sizilien, Jerusalem, Ungarn, Dalmatien, Kroatien, Navarra, Granada, Toledo, Valencia, Galicien, Mallorca, Sevilla, Sardinien, Córdoba, Korsika, Murcia, Jaén, Algarve, Algeciras, Gibraltar, der Kanarischen und Indianischen Inseln und des Festlandes, des Ozeanischen Meers etc. König, Erzherzog zu Österreich, Herzog zu Burgund, zu Lothringen, zu Brabant, zu Steyr, zu Kärnten, zu Krain, zu Limburg, zu Luxemburg, zu Geldern, zu Kalabrien, zu Athen, zu Neopatria und zu Württemberg etc. Graf zu Habsburg, zu Flandern, zu Tirol, zu Görz, zu Barcelona, zu Artois und zu Burgund etc. Pfalzgraf zu Hennegau, zu Holland, zu Seeland, zu Pfirt, zu Kyburg, zu Namur, zu Roussillon, zu Cerdagne und zu Zutphen etc. Landgraf im Elsass, Markgraf zu Burgau, zu Oristan, zu Goziani und des Heiligen Römischen Reiches, Fürst zu Schwaben, zu Katalonien, zu Asturien etc. Herr zu Friesland und der Windischen Mark, zu Pordenone, zu Biscaya, zu Monia, zu Salins, zu Tripolis und zu Mecheln etc.
Krönung in Aachen
Karl wurde am 24. Februar 1500 in Gent geboren und 1520 in Aachen, im Alter von 20 Jahren vom Erzbischof von Köln zum König des Heiligen Römischen Reiches gekrönt.
Der Einzug in die Kaiserstadt am 22. Oktober 1520 „überbot alle Pracht und allen Glanz der burgundischen Joyeuse-Entrée-Feste wie der Inauguralfeierlichkeiten Spaniens“ (Schilling, wie andere weiteren Zitate). Am darauffolgenden Tag war die Krönung. Der Erzbischof von Köln stellte Karl sechs Fragen: Ob er den überlieferten Glauben bewahren, Kirche und Geistlichkeit beschirmen, gegenüber Papst und römischer Kirche Ehrfurcht und Ergebenheit zeigen, das Reich mit Gerechtigkeit regieren, die Rechte des Reichs wahren und sein entfremdetes Gut wiedergewinnen, ein gnädiger Richter und Anwalt der Armen wie der Reichen, der Witwen und Waisen sein wolle. Jede einzelne Frage bejahte Karl. Danach wurden die Anwesenden gefragt, ob sie sich Karl V. unterwerfen und gehorsam sein wollen. Durch ein dreimaliges „Fiat“ wurde Karl vom Volk bestätigt. Dann folgte die Salbung an Kopf, Brust, Nacken und Händen. Danach kam es zur eigentlichen Krönung durch Übergabe von Ring, Szepter, Reichsapfel und des Schwertes Karls des Großen. Abschließend setzten ihm drei Kurfürsten die Reichskrone aufs Haupt. Karl setzte sich anschließend auf den Thron Karls des Großen und empfing die heilige Eucharistie.
An seinem 30. Geburtstag, am 24. Februar 1530, wurde Karl in Bologna zum Kaiser gekrönt. Papst Clemens VII. setzte ihm die Eiserne Kronen der Langobarden auf. Zur Erinnerung an die Kaiserkrönung wurden Goldmünzen geprägt und von den Herolden unters Volks gebracht. Die Münzen hatten auf der Vorderseite die Aufschrift „Carolus V Imperator“ und auf der Rückseite ein Wappen Karls mit den Säulen des Herkules und dem Spruch „Plus Ultre“ (Über das Bekannte hinaus).
Karl V. gegen Luther
Eine seiner ersten Amtshandlungen führten ihn Ende Januar 1521 nach Worms. Auf dem Reichstag musste er sich mit dem Problem Martin Luther beschäftigen. Luther wurde am 3. Januar 1521 exkommuniziert, weil er hartnäckig auf seinen Irrtümern bestand und sich gegen Papst und Kirche stellte. Karl suchte die Versöhnung, aber Luther bestand auf seiner Häresie und machte geltend, er sei in seinem „Gewissen durch die Worte Gottes gefangen.“
Karl V. zeigte mehr persönliche Religiosität als seine Vorgänger und musste diese Anmaßung Luthers als Bedrohung verstehen. Schließlich wandte sich Luther nicht nur gegen Nebensächlichkeiten, sondern gegen die Kirche selbst, gegen das Papstamt, die Hierarchie und die Ordnung. Karl wurde gekrönt, um den Glauben zu bewahren und die Kirche zu schützen. Hier standen sich zwei Welten gegenüber. Der Kaiser repräsentierte „anderthalb Jahrtausende lateinisch-christlicher Frömmigkeit und Kirchlichkeit“ und Luther stand für den Anspruch einer angeblichen Rückkehr zu „frühchristlichen, ‚evangelischen‘ Ursprüngen.“
Die Bekehrung Luthers scheiterte. Der Reformator verließ Worms und wenig später verhängte Karl die Reichsacht über ihn. Das sollte der Reformation keinen Abbruch tun. Luthers Anhänger waren zu zahlreich. Die Reformation nahm Fahrt auf und mit ihr kamen Kriege und die Spaltung des Reichs.
Die Behandlung der Indios in den Kolonien
Eine wichtige Rolle spielte Karl V. im Konflikt um die Kolonien in Amerika. Die Franziskaner und Dominikaner beschwerten sich über die Gewaltherrschaft der Konquistadoren. Der Dominikaner Bartolomé de Las Casas erhob in Spanien seine Stimme. Las Casas wollte ein Ende der Versklavung der Ureinwohner und die Einrichtung einer Mission ohne Zwang. In der Schule von Salamanca wurden zu Beginn des 16. Jahrhunderts Theorien eines Völkerrechts entwickelt. Ihr wichtigster Vertreter war der Dominikaner Francisco de Vitoria.
Karl V. erteilte Las Casas am 19. Mai 1520 das Recht, ein Siedlungsprojekt mit freien Indios zu gründen. Karl war als frommer Kaiser durchaus darum bemüht, die Situation der Indios zu verbessern und gab den Konquistadoren die königliche Aufgabe: „die Eingeborenen zum christlichen Glauben zu bekehren durch freundliche Belehrung und Behandlung unter Vermeidung jeder Gewalttat.“ Karl brauchte aber die Reichtümer Amerikas und hatte zwei Hauptsorgen in Europa. Der Kaiser musste gegen den Protestantismus kämpfen und osmanische Angriffe abwehren.
Erst 1542 kam es zu umfangreichen neuen Gesetzen für die Indios in der Neuen Welt. Viele Kernbestimmungen wurden von Las Casas formuliert. Die Versklavung wurde verboten und die Indios zu „freien Menschen und Untertanen“, denen der katholische Glaube gelehrt werden solle.
Rücktritt und Tod
1555/56 trat Karl V. von allen Ämtern zurück. Der so genannte „Augsburger Religionsfriede“ von 1555 belastete Karl schwer. Er war das Werk seines Bruders Ferdinand. Karl quälte sich mit Fragen nach seinem persönlichen Seelenheil: „Bin ich auf dem Weg zum ewigen Heil oder zum ewigen Verderben meiner Seele?“ Sein Rücktritt sollte dieser Fragen Rechnung tragen.
Anfang August 1557 erreichte Karl in einer Sänfte das Kloster San Jerónimo de Yuste (Spanien). Die Mönche begrüßten ihn mit dem Te Deum laudamus. Der Kaiser eines Weltenreichs bezog ein Landhaus in Klosternähe, weit unter seiner Standeswürde. Dort lebte er mit wenigen Bediensteten „in geistig-geistlicher Symbiose mit den Mönchen“ und nahm an den Heiligen Messen und Frömmigkeitsübungen teil.
Am 21. September 1558 starb der Kaiser. Gegen zwei Uhr morgens bat er um eine geweihte Kerze vom Altar von Unserer Lieben Frau von Montserrat und um das Kruzifix. Der Erzbischof von Toledo, der Dominikaner Bartolomé de Carranza, war bei ihm. Karl betrachtete das Kreuz und sprach auf Spanisch: „Jetzt, Herr, komme ich.“ Dann entglitt dem Sterbenden das Kreuz. Der Erzbischof hielt es für ihn, sodass der Kaiser mit dem Antlitz Christi sterben konnte. „Ach Jesus!“, waren seine letzten Worte auf dem Weg ins ewige Reich, wo die Sonne niemals untergeht.
Literatur:
Schilling, Heinz, Karl V. Der Kaiser, dem die Welt zerbrach (457 Seiten).