Dienstag, 3. Dezember 2024

Pius X.: Verteidiger des Glaubens

Ignis ardens – brennendes Feuer – nennt die Weissagung des Malachias Pius X. Dieser Ausdruck dient auch als Titel für die Biographie des Papstes von Wilhelm Hünermann, der das Leben und Wirken dieses heiligen Papstes eindrucksvoll würdigt. Seine schnelle Heiligsprechung durch Pius XII. im Jahr 1954 zeigt, dass Pius X. eine herausragende Figur in der Geschichte der Kirche war.

Doch wie bei allen großen Persönlichkeiten ist auch Pius X. nicht unumstritten. Auf seinem Grab steht der Satz „Sanftmütig und von Herzen demütig“. Trotzdem wird ihm von Kardinal Gasparri vorgeworfen, die Gründung und Förderung des Sodalitium Pianum unterstützt zu haben – einer Organisation, die innerhalb und außerhalb der Kirche, sogar unter Kardinälen, spioniert haben soll. Gasparri geht so weit, zu behaupten, dass er damit eine Art Freimaurerei innerhalb der Kirche etabliert habe, was in der Kirchengeschichte einmalig sei.

Wer also war Pius X.? War er ein antimodernistischer Inquisitor, der überall Feinde sah, oder ein Heiliger, der die Kirche vor innerer und äußerer Zerstörung bewahrte? Prälat Hesse beschreibt ihn als jemanden, der einfach Gott und die Menschen liebte, dessen bloße Anwesenheit einen Seminaristen zum Weinen brachte und dessen Augen in seinen letzten Jahren hell leuchteten. Auf jeden Fall scheint er eine Ausnahmeerscheinung auf dem Papstthron gewesen zu sein – ein großer Mann aus einfachen Verhältnissen, Sohn eines Postbeamten aus Venetien, das damals zum Kaiserreich Österreich gehörte.

Giuseppe Sarto, so sein bürgerlicher Name, wurde 1835 in Riese geboren. Er wuchs mit drei Brüdern und sechs Schwestern auf und besuchte das Knabenseminar in Treviso sowie das Priesterseminar in Padua. 1858 wurde er zum Priester geweiht. Im Gegensatz zu vielen adeligen Päpsten begann er seine Laufbahn als Landpfarrer.

J.R.R. Tolkien schrieb über ihn: „Ich denke, die größte Reform unserer Zeit war jene, die vom hl. Pius X. ausgeführt wurde. Sie überbietet alles, was das Zweite Vatikanische Konzil, mag es auch nötig sein, erreichen wird“ (Brief an seinen Sohn Michael, Nr. 250, 1963). Diese Reformen, die Tolkien so sehr schätzte, sind wahrscheinlich die Einführung der Kinderkommunion (1910) und die Empfehlung, die Kommunion täglich zu empfangen, wenn man im Stand der Gnade ist.

Das Leben von Pius X. war von vielen Wundern begleitet. Ursprünglich sollte er gar nicht Papst werden, da das Konklave zunächst den Diplomaten Rampolla favorisierte. Doch der österreichische Kaiser drohte mit einem Veto gegen Rampolla. Wie stark dieses Veto die Wahl beeinflusste, ist umstritten, aber schließlich wurde Giuseppe Sarto am 4. August 1903 zum Papst gewählt. Er wählte den Namen Pius X. in Anlehnung an seine Vorgänger, die erfolgreich gegen Sekten und Irrtümer gekämpft hatten. Sein Wahlspruch lautete: „Instaurare omnia in Christo“ – Alles in Christus erneuern.

Maßnahmen gegen Modernismus

Pius X. schlug einen anderen Kurs ein als sein Vorgänger Leo XIII. Er ernannte Raffaele Merry del Val zu seinem Staatssekretär, der schnell zu seiner engsten Vertrauensperson wurde. Zusammen mit Gaetano De Lai und dem Kapuziner José de Calasanz Félix Santiago Vives y Tutó formte er eine antimodernistische Trias, die maßgeblich für die strikten Maßnahmen gegen den Modernismus verantwortlich war. Dazu gehörten das Dekret Lamentabili (1907), die Enzyklika Pascendi (1907) und das Motu Proprio Sacrorum Antistitum (1910), das den Antimodernisteneid einführte. Diese Schritte, die von Claus Arnold als „antimodernistische Offensive“ bezeichnet wurden, institutionalisierten den Antimodernismus fest als religiös-disziplinäre Gegenmaßnahme.

Obwohl die Reformen von Pius X. nicht die Anmut von Leos XIII. besaßen, waren sie nach Ansicht von Joseph Schmidlin stark von praktischer Erfahrung geprägt. Pius X. sah sich vor allem als Seelsorger und wird häufig als zweiter Gründer der Kurie angesehen. In der umstrukturierten Kurie nahm das Heilige Offizium eine zentrale Rolle ein, indem es für den Schutz der Lehre und die Entscheidung über Häresien zuständig war.

Pius X. verfolgte einen entschiedenen und kompromisslosen Kurs gegen die modernistischen Strömungen seiner Zeit. Während in Bereichen wie der Liturgie, der Kurie und der Kodifikation des Kirchenrechts (CIC) Reformen durchgeführt wurden, blieb seine Haltung gegenüber dem Modernismus konsequent reaktionär und integralistisch. Die drei zentralen Maßnahmen – Lamentabili, Pascendi und der Antimodernisteneid – verankerten den Antimodernismus bis Ende 1910 als feste religiös-disziplinäre Maßnahme in der Kirche. Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1967) schaffte Papst Paul VI. den Antimodernisteneid ab und ersetzte ihn durch ein Glaubensbekenntnis.

Max Bierbaum urteilte über Pius X., dass er „weder ein fremder Typ unter den Päpsten“ gewesen sei, „noch habe er eine bloß durchschnittliche Intelligenz besessen“. Er zeichnete sich „durch Herzensgüte und Volksverbundenheit“ aus, aber auch durch „einen Zug herber Strenge“ (LThK 8, 1936).

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Standard. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Weitere Informationen

Der menschliche Papst

Der Papst galt als volksnah und bescheiden und stand damit in starkem Kontrast zu seinem Vorgänger Leo XIII. Hünermann berichtet, dass der Papst zunächst nicht in die Prunkgemächer des Vatikans einziehen wollte und erklärte: „Ich bleibe lieber im dritten Stock… da unten in den seidebespannten Prunkgemächern mag wohnen, wer will, ich nicht!“

Pius X. litt unter der Last des Pontifikates und verspürte Heimweh nach der Weite der Lombardei. Viele Aspekte des vatikanischen Protokolls waren ihm fremd und wirkten auf ihn abstoßend. So reagierte er verärgert, als er bemerkte, dass sich die Arbeiter versteckten, wenn er die Vatikanischen Gärten betrat: „Ich bin doch kein wildes Tier oder ein Menschenfresser, dass jeden Sterblichen von meinen Wegen vertreibt! Lassen Sie die Leute in Zukunft ruhig weiter ihre Arbeit tun!“ (Hünermann).

Die Herzlichkeit des Papstes wird durch eine weitere Anekdote verdeutlicht: Einmal besuchte eine Dame mit ihrem 4-jährigen Sohn eine Audienz bei ihm. Der Junge legte dem Papst die Hand aufs Knie. Die Mutter war schockiert über diesen Bruch des Protokolls, doch Pius fragte nur: „Du hast etwas auf dem Herzen, John?“ – „Wann darf ich kommunizieren?“ Nach einer kurzen Unterhaltung stellte Pius die entscheidende Frage: „Wen empfängst du in der heiligen Kommunion?“ – „Jesus Christus!“, antwortete John. „Und wer ist Jesus Christus?“, wollte Pius wissen. „Jesus Christus ist der Gottes Sohn!“, antwortete John prompt. Pius war beeindruckt und sagte der Mutter: „Bringen Sie das Kind morgen früh um 6 Uhr hierher. Ich will ihm selbst in meiner Privatkapelle die heilige Kommunion spenden. Keinen Tag sollst du mehr warten…“ (Hünermann).

Als sich der Erste Weltkrieg immer deutlicher abzeichnete, wurde Pius zunehmend schwächer. „Meine Kinder! Meine armen Kinder! … Ich leide für alle, die auf dem Schlachtfeld sterben! Oh dieser Krieg! – Ich spüre es, dieser Krieg ist mein Tod. Aber ich opfere mein Leben gern für meine Kinder und den Frieden der Welt!“ (Hünermann).

In der Nacht gegen 01:00 Uhr verstarb Pius X., der erste heilige Papst seit fast 500 Jahren (der letzte war Pius V., 1504-1572). Auf seinem Sarkophag steht: „Arm und reich. Sanft und demütig von Herzen. Der starke Verteidiger der katholischen Sache, bestrebt, alles zu erneuern in Christus, fromm entschlafen am 20. August im Jahre des Herrn 1914.“

Selig- und Heiligsprechung

Pius XII. sprach Sarto 1951 selig und 1954 heilig. In der Ansprache zur Seligsprechung, lobte Pius XII. Pius X. dafür, dass er die exakte Diagnose der Krankheiten und Irrtümer der Zeit geliefert hätte, wie auch das entsprechende Heilmittel. Pius X. habe mit den Augen eines heiligen Hirten die Pflicht gesehen, mit einer christlichen Gesellschaft gegen ein kontaminiertes Christentum, die Zeitirrtümer und die Perversion des Jahrhunderts, vorzugehen. Durch die Klarheit und von einem zarten Gewissen beleuchtet, habe er Beschlüsse getroffen, die nur denjenigen einleuchteten, die von gleichem Leuchten erfüllt seien. Pius X. sei ein „Verteidiger des Glaubens, Herold der ewigen Wahrheit, Hüter der heiligsten Traditionen [gewesen und offenbarte] einen feinen Sinn für die Bedürfnisse, Sehnsüchte und die Energien seiner Zeit. Daher gehört er zu den glorreichsten Päpsten, die auf Erden die treuen Sachverwalter der Schlüssel des Himmelreichs sind und denen die Menschheit jedes Voranschreiten auf dem rechten Wege und jeden wahren Fortschritt verdankt“ (Allocutio zur Seligsprechung Pius’ X. vom 3. Juni 1951).

Bei der Heiligsprechung 1954 pries Pius XII. ihn ebenfalls deutlich: „Man muss anerkennen, dass die Klarheit und Festigkeit, mit der Pius X. den erfolgreichen Kampf gegen die Irrtümer des Modernismus führte, bezeugen, zu welchem heroischen Grad die Tugend des Glaubens in seinem Herzen, dem Herzen eines Heiligen, brannte. Einzig darum besorgt, dass das Erbe Gottes unversehrt für die ihm anvertraute Herde bewahrt werde, kannte der große Papst keine Schwächen im Angesicht jedweder hoher Würdenträger oder Autorität von Menschen, kein Schwanken angesichts verlockender, aber falscher Lehren innerhalb und außerhalb der Kirche, und auch keine Furcht davor, persönliche Beleidigungen und ungerechte Verkennungen seiner reinen Intentionen auf sich zu ziehen. Er hatte eine klare Gewissenhaftigkeit dabei, für die heiligste Sache Gottes und der Seelen zu kämpfen. In ihm erfüllten sich buchstäblich die Worte des Herrn an den Apostel Petrus: ‚Ich habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht aufhöre, und du … stärke deine Brüder'“ (Lk. 22, 32)“ (Pius XII., Allocutio zur Heiligsprechung Pius’ X. vom 29. Mai 1954).

Festtag: 3. September

Patronat: Priesterbruderschaft St. Pius X. (FSSPX), Erzbistum Atlanta, Auswanderer aus Treviso, Patriarchat von Venedig, Katecheten.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Standard. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Weitere Informationen

Quellen und Literatur:

Arnold, Claus, Kleine Geschichte des Modernismus, Freiburg i. Br. 2007. 

Bierbaum , Max, Pius X., in: LThK 8 (1936), Sp. 311-313.

Carpenter, Humphrey, Tolkien, Christopher (Hg.), The Letters of J.R.R. Tolkien, London 2006, hier: Brief an seinen Sohn Michael, Nr. 250, 1963.

Gasparri, Pietro, Testis 46 (7 ex officio), in: Sacra Rituum Congregatio, Disquisitio PII PAPAE X, Rom 1950, S. 6-11, hier S. 10.

Hünermann, Wilhelm, Brennendes Feuer. Papst Pius X. Innsbruck, Wien, München 1955.

Pius XII., Allocutio zur Seligsprechung Pius’ X. vom 3. Juni 1951, in: AAS 43 (1951), S. 468-478. 

Pius XII., Allocutio zur Heiligsprechung Pius X. vom 29. Mai 1954, in: AAS 46 (1954), S. 307-313. 

Schmidlin, Joseph, Papstgeschichte der neuesten Zeit, Band 3: Papsttum und Päpste im XX. Jahrhundert. Pius X. und Benedikt XV. (1903 – 1922), München 1936. 

Siehe auch:

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Hat Ihnen der Artikel gefallen?

Mit Ihrer Spende können Sie dafür sorgen, dass es noch mehr davon gibt:

Neueste Artikel

Meistgelesen