Ein Gottesbeweis! – So kann man das Wunder interpretieren. Das Papsttum überlebte die Französische Revolution. Diese Revolution hatte nicht nur Frankreich für immer verändert, sie wollte auch das Papsttum abschaffen. Dazu hatte man Pius VI. für abgesetzt erklärt und entführt. Er starb 1799 in französischer Gefangenschaft. Auf dem Totenbett sorgte er dafür, dass es weiterging. 1798 löste er die Zweidrittelmehrheit für die Papstwahl auf. Wo auch immer es eine größere Anzahl von Kardinälen gebe, solle der Älteste den Wahlplatz aussuchen und die übrigen einberufen. So geschah es am 29. August 1799 unter dem Schutz von Kaiser Franz II. Der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches ermöglichte das Konklave im venezianischen Exil. In einem ehemaligen Kloster auf der Insel San Giorgio wurde der Benediktiner Luigi Barnaba Chiaramonti zum Papst gewählt und gab sich den Namen Pius VII.
Es war geschafft: Die Kirche hatte ihre schlimmste Krise seit der Reformation überlebt. Der „aufgeklärte Atheismus“ Robespierres hatte zwar tausenden Priestern den Tod gebracht, konnte die Kirche aber nicht vernichten. „Der göttliche Bräutigam hörte auf ihre tränenvollen Bitten um einen neuen Esdras, der [die Kirche] aus der Verbannung zurückführen und die Ruinen des Heiligtums wieder aufbauen sollte“, schrieb Pistolesi über dieses Wunder. Nun ging es also weiter: auch im 19. Jahrhundert sollte es die katholische Kirche geben. Die Zusage Christi bewahrheitete sich: „Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Pforten der Unterwelt werden sie nicht überwältigen“ (Mt. 16, 18).
Sieg über Napoleon
Pius VII. galt als Realist. Es wurde akzeptiert, dass die Revolution nicht rückgängig zu machen war. Der Papst zog in Rom ein und schloss bereits 1801 ein Konkordat mit Napoleon, mit demselben Mann, der noch vor wenigen Jahren als Revolutionsgeneral in Italien einfiel. Seit Napoleons Machtübernahme 1799 zeigte der Franzose sich zwar wohlwollend gegenüber der Kirche, aber welche Glaubwürdigkeit hatte das? Pius VII. wollte den Kirchenstaat zurück. Dafür war der Papst sogar bereit, ihn 1804 zum Kaiser zu salben. Doch all das nutzte nichts. Napoleon wollte die Unterwerfung, Pius VII. die Freiheit. Als der Papst sich weigerte, sich an der Kontinentalsperre gegen England zu beteiligen, besetzte Napoleon den Kirchenstaat. Pius VII. sprach die Exkommunikation aus und wurde nach Paris verschleppt. Die Geschichte schien sich zu wiederholen. Aber diesmal war Napoleons Zeit abgelaufen. Nach Napoleons Niederlage in Russland und den anschließenden Befreiungskriegen, konnte Pius VII. 1814 in Rom einziehen. Er war nun der sacerdos magnus, der dem gottlosen Tyrannen die Stirn geboten hatte. Stat petrus dum volvitur orbis – der Petrusfelsen steht fest, während die Welt sich dreht.
1815 kam es zum Wiener Kongress und zur Neuordnung Europas. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation war für immer verloren. Anstelle eines Sacrum Imperium Romanum gab es nur noch ein Kaisertum Österreich und Könige in deutschen Ländern. Preußen und damit der Protestantismus, reichte bis zur niederländischen Grenze. Damit waren die Katholiken am Rhein unter fremder Herrschaft. Diese Unfreiheit sollte bis zum Ende des Ersten Weltkriegs andauern. Ercole Consalvi war auf dem Wiener Kongress der Gesandte des Papstes. Es stand die Frage im Raum, ob der Kirchenstaat nach der revolutionsbedingten Auflösung wiedererrichtet werden sollte – das wurde er. Der Papst galt als die Autorität, welche der Revolution und Napoleon trotzte, so gab man das „Patrimonium Petri“ wieder in geistliche Hände. Das Papsttum hatte im 19. Jahrhundert neue moralische Autorität erhalten, als „Felsen zur Rettung der Völker aus den Stürmen der Revolution“ und als „Werkzeug der Vorsehung zur Völkererziehung“ (Johann von Müller, zitiert nach Schmidlin).
Reform und Restauration
Pius VII. ordnete auch die Kirche in Deutschland neu. Seine größte Tat für unser Land: die Bulle De salute animarum vom 18. Juli 1821. Das napoleonische Bistum Aachen wurde aufgelöst und das Erzbistum Köln wiedererrichtet. Es wurde festgelegt, dass das Bischofswahlrecht bei den Domkapiteln liegt, weil die Fürsten oft evangelisch waren.
Pius VII. stand für die Akzeptanz von Dingen, die man nicht ändern konnte und setzte sonst auf Restauration. Den Jesuitenorden, einst die beste Waffe der Gegenreformation, ließ er 1814 mit der Bulle Sollicitudo omnium ecclesiarum wieder errichten. 1823 starb Pius, am selben Tag wie Pius X. Der Heilige aus Riese sollte 91 Jahre später, ebenfalls am 20. August, in die ewige Seligkeit eingehen. Pius VII. war ein beliebter Papst. Er brachte das Papsttum in die neue Zeit und sorgte sich gleichzeitig um die Weltmission von Amerika und China.
„Sanft, gütig, milde, fromm, bescheiden, einfach, liebenswürdig“ – es gibt kaum eine Tugend, mit der er nicht beschrieben wurde. Pius war streng mit sich, körperlich klein und unscheinbar. „Suaviter in modo, Fortiter in re“ – mild in der Art, stark in der Sache. Benedikt XVI. begann 2007 seinen Heiligsprechungsprozess und verlieh ihm den Titel „Ehrwürdiger Diener Gottes“.
Literatur:
Schmidlin, Josef, Papstgeschichte der neuesten Zeit, Bd. 1.
Wolf, Hubert, Katholische Kirchengeschichte im „langen“ 19. Jahrhundert von 1789 bis 1989, in: Kaufmann u.a. Ökumenische Kirchengeschichte Bd. 3.
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