Es ist kein Märchen aus Tausendundeiner Nacht, sondern ein historischer Fakt: Franz von Assisi, der Bettelmönch aus Umbrien, stand vor dem mächtigen Mann des Morgenlandes: vor Al-Kamil Muhammad al-Malik, dem Enkel Saladins und Sultan von Ägypten. Eine historische Begegnung. Mehr als nur zwei Männer standen sich gegenüber: Das Abendland stand vor dem Morgenland, das Christentum vor dem Islam – und niemand wusste, wie die Sache ausgehen würde.
Heute dient diese außergewöhnliche Begegnung oft als ein Beispiel des Dialogs und Friedens der Religionen. So nach dem Motto: „Der Sultan hat Franziskus auf einen Kaffee eingeladen und dann haben sie über die vielen Gemeinsamkeiten gesprochen, sich die Hand gegeben und erkannt, dass alle Religionen gleich sind und Frieden bringen.“ Es gibt nur einen Haken an diesem postmodernen Narrativ: Es ist falsch!
Es gab kein Kumbaya mit Flower Power. Auf Christen war ein Kopfgeld ausgesetzt. Für jeden abgeschlagenen Kopf eines Christen gab es einen goldenen Byzantiner. Doch wie durch ein Wunder wurde Franz von Assisi nicht enthauptet, sondern bis zum Sultan durchgelassen. Franz von Assisi hatte sein Leben für diesen einen Moment aufs Spiel gesetzt. Er wusste, dass er nur eine Chance hatte und dass es kein zweites Treffen geben würde. Was sagt man in so einer Situation? -„Lieber Sultan, ich wollte schon immer mal einen interreligiösen Dialog mit dir führen“?
Bonaventura und Thomas von Celano berichteten Folgendes von dieser Begegnung: Franz von Assisi sprach über den dreifaltigen Gott und über Christus, den alleinigen Erlöser und Seligmacher aller. Dann sagte er: „Nicht ein Mensch, sondern Gott selbst, der Allerhöchste, sendet mich, um dir und deinem Volk den Weg zum Himmel zu zeigen, und zwar dadurch, dass ich euch die Wahrheit des Evangeliums verkünde.“ Der Sultan bot ihm an, länger zu bleiben. Franziskus erwiderte, er würde das Angebot annehmen, wenn der Sultan und das Volk sich bekehrten. Der Bettelmönch machte sogar den Vorschlag, sich zusammen mit muslimischen Gelehrten in ein Feuer zu werfen, um zu bezeugen, welcher Glaube heiliger und somit anzunehmen sei. Der Sultan lehnte ab. Man liest, er lehnte aus Menschenfurcht ab, aus Angst vor seinen eigenen Leuten. Wie dem auch sei, für Franziskus hieß das: Mission gescheitert. Der Mönch musste gehen, der Kreuzzug wurde fortgeführt.
1220 ging Franziskus wieder in Italien an Land. Er war bereit als Märtyrer zu sterben, doch Gottes Pläne waren andere. Sein Orientaufenthalt blieb nicht ohne gesundheitliche Folgen. Mittlerweile war er fast erblindet. Er wurde magenkrank und immer schwächer. Am 3. Oktober 1226 starb er in der Kirche von Portiuncula im Beisein seiner Mitbrüder.
Weitere Informationen:
- Informationsblatt der Priesterbruderschaft St. Petrus 2/2020.
- Thomas von Celano: Lebensbeschreibung des Heiligen Franziskus (Vita secunda).
- Bernhard Christen, Leben des heiligen Franziskus von Assisi.
- Bonaventura, Legenda maior S. Francisci.