Sonntag, 24. November 2024

Die Kirche ist jung und die Kirche lebt!

Vor bald 30 Jahren entfaltete Eugen Drewermann eine reichhaltige Vortragstätigkeit. Das Fernsehen berichtete. Der Psychotherapeut und Priester des Erzbistums Paderborn trat öffentlich auf. Er sprach vorwiegend vor älteren Zuhörern. Seine umfangreichen Bücher – „Kleriker – Psychogramm eines Ideals“ sowie „Tiefenpsychologie und Exegese“ – wurden zu Bestsellern. Drewermann warb für eine Erneuerung der Kirche. Profilierte säkulare Medien wie „Der Spiegel“ dokumentierten die Analysen. Der neue Kirchenkritiker schien ganz auf der Höhe der Zeit zu sein. Eine Stimme in der Wüste, ein Prophet des Aufbruchs?

Die römisch-katholische Kirche handelte, wie sie handeln musste. Drewermann korrigierte seine Thesen nicht. Der Paderborner Erzbischof Dr. Johannes Joachim Degenhardt entzog dem habilitierten Theologen am 8. Oktober 1991 die kirchliche Lehrbefugnis. Vom Priesteramt suspendiert wurde er im folgenden Jahr. Am 20. Juni 2005 trat Eugen Drewermann aus der Kirche aus. Er bezeichnete diesen Schritt an seinem 65. Geburtstag als „Geschenk der Freiheit an mich selber“.

Öffentlich machte das Drewermann dann am 14. Dezember 2005 in einer Talkshow. Damals wurde der abtrünnige Katholik von vielen Medien hofiert – als streitbarer, populärer Kämpfer für die Meinungsfreiheit. Auf den Tag genau 13 Jahre später bezeichnete ihn Bischof Dr. Heiner Wilmer als einen „verkannten Propheten“.

Sogar Drewermann selbst widersprach wenig später dieser erstaunlichen Zuschreibung. Bischof Dr. Wilmer wurde neulich nach einer Lesung und Diskussionsrunde in der hannoverschen Marktkirche von regionalen Medien als „Lichtgestalt der liberalen Katholiken“ apostrophiert. Ein Ehrentitel ist das nicht. Für solche Stilisierungen kann auch ein Bischof nichts, wenn er doch gewiss nichts anderes getan hat, als in aller Öffentlichkeit ein Glaubenszeugnis abzulegen, um vor der versammelten Stadtgesellschaft, so dürfen wir hoffen, die Chance für die Evangelisierung zu nutzen und die unverbrüchliche Treue zu Christus und Seiner Kirche zu bekräftigen. Das wäre, scheint mir, die Aufgabe des Bischofs – wer dazu mehr wissen möchte, lese einfach eine schöne Homilie von Benedikt XVI. Man darf und sollte heute auch an die Konstitution „Lumen gentium“ erinnern. Dort steht gleich zu Beginn: „Christus ist das Licht der Völker.“ – also nicht die Kirche, nicht ein Bischof und auch nicht eine vielleicht begeistert jubelnde Christenschar.

Alle diese Vorgänge heute könnten aufs Ganze sehen unerheblich, für die Signatur der Zeit aber symptomatisch sein. Früher haben sich Bischöfe als Lehrer und Verteidiger des Glaubens der Kirche verstanden und entsprechend gehandelt. Und heute? In einigen deutschen Kirchenzeitungen wurde am 26. Mai 2019 nicht nur – ausgewogen bis positiv – der Film eines Atheisten über Benedikt XVI. besprochen und beworben. Wozu?

Im Film „Verteidiger des Glaubens“ wird der emeritierte Papst als „Law-and-Order-Mann“ und „tragische Figur“ dargestellt. Die Kirchenstreikbewegung „Maria 2.0“ fand in Kommentaren eine positive Würdigung. Das alles erfolgte wohlgemerkt in kirchlichen, von der Kirchensteuer finanzierten Medien. Deren Aktionen riefen zwar auch vereinzelt Widerspruch hervor. Der Augsburger Bischof Dr. Konrad Zdarsa meldete sich kritisch zu Wort und sprach damit vielen einfach gläubigen Katholiken einfach nur aus dem Herzen.

Zugleich aber wurden die „Maria 2.0“-Aktionen auch von vielen Bischöfen mit einer Melange aus Wohlwollen, Verständnis und Unbestimmtheit begleitet. Gläubige Katholiken, ob Jung oder Alt, verstehen das alles einfach nicht mehr. Stellen wir nur noch Auflösungserscheinungen fest? Verflüssigt sich der Glaube zu einer beliebigen Meinung? Müssen wir eines Tages vielleicht im „Credo“ bekennen: „Ich glaube an Jesus Christus, der heute noch zu uns spricht durch die verkannten Propheten – und an die allgemein kulturchristliche, weltlich sympathische, manchmal genauso heilige und auch unheilige Kirche, in der alles möglich und erlaubt ist?“

Wir leben in einer medial erregten Zeit, ja, und wir werden auch noch einiges an dissonanter Begleitmusik auf den sogenannten „synodalen Wegen“ aushalten und ertragen müssen. Aber auch diese Zeit wird vergehen, darum: Fürchtet Euch nicht! Wir haben Anlass zur Dankbarkeit, etwa für „Maria 1.0“, für klare Worte der katholischen Unterscheidung, die Bischöfe wie Konrad Zdarsa, Felix Genn, Stefan Oster und Rudolf Voderholzer sowie Kardinal Rainer Woelki noch immer äußern – und solche Lehrer des Glaubens werden dringend gebraucht.

Wir können dankbar sein für das Zeugnis der einfach gläubigen Christen, die unbeirrt bleiben und Vorbilder sind. Was mich zutiefst erfreut, was mich von innen her immer wieder frohmacht: Ich habe am Sonntag wieder fromme, gläubige und betende Menschen gesehen, junge Katholiken, die nichts Besseres zu tun wussten und auch nichts Besseres tun konnten, als eine heilige Messe mitzufeiern und das Sakrament des Altares zu empfangen. Sie knien nicht vor den Strömungen der Zeit, sondern vor dem Herrn aller Zeiten. Sie sind die wahren Lichtgestalten von heute, weil in ihnen das Licht Christi aufleuchtet. Sonntag für Sonntag sehen wir betende Menschen. Darum dürfen wir sagen: Die Kirche ist jung, und die Kirche lebt! Die Beter sind die wahren Träger von Glaube, Liebe und Hoffnung in dieser Zeit. Sie sind die Gelehrten und Lehrmeister, denn sie haben alles Wesentliche verstanden. Sie brauchen und wollen auch keine Ämter. Sie fordern nichts. Aber sie betteln um Gottes Liebe. In den Betern wird die Lichtspur des Glaubens sichtbar, die durch alle Zeiten und Dunkelheiten hindurch führt. Als Weltchristen, die treu und fest zum Glauben der Kirche stehen, zu dem Glauben, der derselbe war, ist und bleiben wird, können wir alle Zeugnis ablegen für die Hoffnung, die uns hält – heute!

Am 25. April 2005 hat Papst Benedikt XVI. in der Predigt in dem Gottesdienst zur Amtseinführung in den Petrusdienst gesagt: „Die Kirche ist gar nicht alt und unbeweglich. Nein, sie ist jung. …

Es ist gar nicht wahr, dass die Jugend vor allem an Konsum und an Genuss denkt. Es ist nicht wahr, dass sie materialistisch und egoistisch ist. Das Gegenteil ist wahr: Die Jugend will das Große. Sie will, dass dem Unrecht Einhalt geboten ist. Sie will, dass die Ungleichheit überwunden und allen ihr Anteil an den Gütern der Welt wird. Sie will, dass die Unterdrückten ihre Freiheit erhalten. Sie will das Große. Sie will das Gute. Und deswegen ist die Jugend – seid Ihr – auch wieder ganz offen für Christus. Christus hat uns nicht das bequeme Leben versprochen.

Wer Bequemlichkeit will, der ist bei ihm allerdings an der falschen Adresse. Aber er zeigt uns den Weg zum Großen, zum Guten, zum richtigen Menschenleben. Wenn er vom Kreuz spricht, das wir auf uns nehmen sollen, ist es nicht Lust an der Quälerei oder kleinlicher Moralismus. Es ist der Impuls der Liebe, die aufbricht aus sich selbst heraus, die nicht umschaut nach sich selber, sondern den Menschen öffnet für den Dienst an der Wahrheit, an der Gerechtigkeit, am Guten. Christus zeigt uns Gott und damit die wahre Größe des Menschen.“

2 Kommentare

  1. Was ich nicht verstehe (und hier erbitte ich Aufklärung): wenn die Kirche sooooo jung ist, warum ist sie dann gerade für junge Leute kaum mehr interessant?
    Bei uns sind im sonntäglichen Gottesdienst in der Altersklasse 10 bis 30 weder Männer noch Frauen zu finden.

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