Bis die Pilgerherberge an einem der Ausläufer des sächsischen Jakobswegs bezugsfertig ist, geht noch Zeit ins Land, sagt Lutz Kretzschmar, während er vor dem Gebäude steht, in dem sie unterkommen soll. Als Vorsitzender des aus einer DDR-Natur- und Umweltgruppe hervorgegangenen Vereins Sächsischer Heimatschutz im Crimmitschauer Ortsteil Frankenhausen hat er sich mit Mitstreitern den Erhalt des einstigen Nonnenklosters auf die Fahnen geschrieben.
Von den 1270er-Jahren bis zum Verkauf an Ritter Wilhelm Thumbshirn vor 475 Jahren wurde hier nach den Regeln des Zisterzienserordens gelebt. „Der Naumburger Bischof behielt [aber] stets die Jurisdiktion“, schreibt Thomas Sterba. Eine Ordensmitgliedschaft könne also ausgeschlossen werden.
Arbeitseinsätze halten Sanierungskosten im überschaubaren Rahmen
Während das Gebäude der sogenannten Klosterschule mit alter Holzdecke, Sitznischen an den Fenstern, historischen Bemalungsresten und solchen einer Schwarzküche sowie Stufengiebel dank großen Aufwands des Vereins erstrahlt und zum Tag des offenen Denkmals viele Gäste anzieht, liegt das später errichtete „Witwenhaus“ wie andere Gebäude noch brach. Dabei laufen schon Baumaßnahmen im Innern, die nach dem Hochwasser 2013 dringend wurden, sagt Kretzschmar.
Auch bis dahin sanierte Teile der einst von Angehörigen des niederen pleißen- und vogtländischen Adels besiedelten Anlage, die wohl nie über eine geschlossene Klausur verfügte, trugen Blessuren davon: Risse im Gewölbe, nasse Mauern. Die Elektrik musste abermals auf Vordermann gebracht werden.
253 000 Euro sind für die Sanierung des „Witwenhaus“-Erdgeschosses, über dem die Herberge eingerichtet wird, eingeplant. „Um die Kosten im Rahmen zu halten, finden regelmäßig Arbeitseinsätze statt“, sagt Kretzschmar. Einige nicht in Vereinsbesitz befindliche Gebäude wie das ebenfalls mit Stufengiebel versehene Priorhaus verfallen indes. Ein Italiener hat sie in den 90er-Jahren gekauft, ohne zu sanieren. Wie es damit weitergeht, sei offen.
Nach dem Krieg zog einst eine Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft auf das Areal, ohne für den Erhalt zu sorgen. Einige Frankenhausener konnten den Abriss verhindern, so Kretzschmar: „Man wollte hier eine Großküche errichten.“
Seit 1990 flossen mithilfe von Sponsoren, Unterstützung der Stadt, vom Denkmalsschutz und weiterer Kräfte rund 540 000 Euro in die einst von Dietrich von Landsberg gestiftete und von Nonnen aus dem thüringischen Grünberg besiedelte Anlage. Die im Zuge der Reformation erfolgte Auflösung als „Befreiungstat“ zu deuten, hält der evangelische Frankenhausener Historiker Matthias Kluge für ein „Stereotyp“.
Gerade bei Nonnenklöstern liege man damit immer wieder falsch, hätten sich die Frauen doch „häufig vehement dagegen gewehrt, weil sie im Kloster über einen Bildungs- und Autonomiestatus verfügten, den ihnen die patriarchalische Gesellschaft außerhalb verwehrte“.
Vier Doppel- und ein Einzelzimmer sollen für Pilger bereitstehen
Die Folgen des Weltkriegs fügten der benachbarten evangelischen Kirche ein katholisches Kapitel hinzu. Denn Vertriebene, die sich um Crimmitschau niederließen, suchten bei beschwerlichen Verkehrsverhältnissen auf dem Lande nach einem Ort, an dem sie die Heilige Messe feiern konnten. „Von 1954 bis 2011 fand diese einmal im Monat in der Kirche statt. Das war ein Zeichen der Ökumene, für das wir dankbar sind“, sagt der frühere katholische Pfarrer von Crimmitschau, Michael Gehrke.
Die Geschichte der Kirche ist dabei eine, die sich nicht vollends mit Blick auf ihre Beziehung zum Kloster klären lässt, so Kluge. Einerseits diente der später barockisierte Bau schon der Gemeinde, als das Kloster angesiedelt wurde. Andererseits fehlten Zeugnisse für eine separate Klosterkirche. Ob das Gotteshaus einst dank einer Empore oder anderen baulichen Trennung Gebetsort der Nonnen war, sei offen.
Pilger können jedenfalls hoffen, nach 2020 in Frankenhausen auf historischem Grund rasten zu können. „Vier Doppel- und ein Einzelzimmer“, sagt Lutz Kretzschmar, „soll es geben.“
Zur Sache: Nonnen in politischer Mission – die Klosteranfänge
Als Papst Innozenz IV. 1245 Kaiser Friedrich II. für abgesetzt erklärte, brach das Interregnum an – eine Zwischenzeit, in der sich die feudale Zentralgewalt in Deutschland auflöste. Im Pleißenland kam es zum Machtkampf zwischen den wettinischen Markgrafen sowie sich verselbstständigenden Reichsministerialen, denen einst vom Kaiser das ihm direkt unterstehende Gebiet überantwortet worden war, schreibt Reiner Groß in seiner „Geschichte Sachsens“ (2001). Als Angehörige eines dieser Beamtengeschlechter sind 1276 die von Polekes/von Polkenbergs nachgewiesen. Das Castrum Frankenhausen, ein befestigter Ort, unterstand ihnen – und war damit den Wettinern im Weg. Markgraf Dietrich von Landsberg ließ es zerstören und übergab es bis dato im nahen Grünberg lebenden Nonnen. Mit ihrer Ansiedlung in Frankenhausen sollte der wettinische Anspruch auf die Region gefestigt werden. Unter Äbtissin Christina wurde der Umzug 1292 abgeschlossen. Markgraf Friedrich Tuta von Landsberg stellte das Kloster unter Schutz, König Adolf von Nassau gewährte Steuerprivilegien, schreibt Thomas Sterba in „Herders Neues Klösterlexikon“ (2010).
Dr. Michael Kunze (*1982) ist Journalist, Autor, Blogger, Zeitzeuge. Beiträge für Hörfunk und Zeitung (u.a. FAZ, FAS sowie Die Tagespost) zu Politik, Kultur/Feuilleton, Wirtschafts- und Wissenschaftsthemen, Lokalem. Interesse an Kunst, Literatur und Mode, klassischer Gitarrenmusik von Hans Neusidler bis John Dowland, Politik, Sakralarchitektur und (katholischer) Theologie. Zuletzt erschien: "Sigmund Neumann – Demokratielehrer im Zeitalter des internationalen Bürgerkriegs", Berlin 2015. Homepage: www.michael-kunze.net