Ein Kommentar, warum Jesus der verheißene Messias ist
Von Monsignore Florian Kolfhaus
(CNA Deutsch) Unerkannt geht Jesus mit den Jüngern von Emmaus, die ihm ihr Leid klagen. Alle ihre Hoffnungen und Sehnsüchte, ja ihr Glaube an den Messias, sind mit seiner Kreuzigung brutal zerschlagen worden. Geduldig hört der Herr ihnen zu und die beiden dürfen, so würde man heute vielleicht sagen, ganz offen ihre Gefühle „rauslassen“: Trauer und Wut, Enttäuschung und Angst.
Jesus versteht die beiden Jünger, aber er spielt nicht den einfühlsamen Therapeuten, der „das alles einfach mal so stehen lässt“ oder dazu aufruft „tiefer nachzufühlen, was diese schreckliche Erfahrung in uns denn so macht“. Christus beginnt stattdessen zu erklären, dass all das, was geschehen ist, so in der Heiligen Schrift vorhergesagt wurde.
„Der Glaube kommt vom Hören“ (Röm 10, 14) sagt der heilige Paulus, und eben nicht vom „Wohlfühlen“ oder aus meinem Bauch. Er ist viel mehr als eine Emotion oder eine schöne Idee, die mein Denken prägt. Es ist vernünftig zu sagen: „Ich glaube, dass es heute noch regnet, weil schon dunkle Wolken aufziehen.“ Das ist aber nicht der christliche Glaube, sondern eine gut begründete Meinung. „Ich glaube Jesus, dass er wahrer Gott und wahrer Mensch ist, der verheißene Messias, den die Heilige Schrift bezeugt und die Kirche durch die Jahrhunderte bekennt.“
So klingt der Glaube, zu dem sich Christen bekennen. Sie vertrauen zuerst und vor allem Gottes Wort, das durch Wunder, Prophezeiungen und nicht zuletzt das Blut der Märtyrer als wahr bestätigt und glaubwürdig ist. Der Glaube übersteigt die menschliche Vernunft, aber er widerspricht ihr nicht. Er ist nicht beweis- und machbar, aber auch nicht irrational und „unverständlich“, so als ob der Kopf schweigen müsse, weil allein das Herz zählt. Jesus zeigt seinen beiden Freunden auf dem Weg nach Emmaus, dass die heiligen Schriften Israels genau vorhergesagt haben, was dem Erlöser geschehen sollte.
Es ist dieser Unterricht des Meisters, der nicht – pastoral geschickt und psychologisch wirksam – Betroffenheit provozieren oder Gefühle manipulieren will, sondern den Verstand der Freunde so überzeugt, dass sie dann sagen können „Brannte uns nicht das Herz, als er auf dem Weg mit uns sprach und uns den Sinn der Schrift erschloss“ (Lk 24, 32)?
Was wäre wenn heute Predigt und Religionsunterricht, das Wort zum Sonntag oder die morgendlichen Gedanken zum Tag des regionalen Radiosenders dem Beispiel Jesu folgten? Müsste das Wort Gottes, würden wir es in seiner Kraft und Wahrheit ernst nehmen, nicht zum Flächenbrand in unzähligen Herzen werden?
Die Versuchung ist groß, Weihnachten, das harmonische „Fest der Liebe“, so zu feiern, dass es nur noch um schöne Gefühle geht, die spätestens dann enden, wenn der Plätzchenduft verflogen und der bunt geschmückte Tannenbaum entsorgt ist. Am Geburtstag Jesu sollen unsere Herzen brennen, aber nicht weil wir wegen des Flötenspiels der Enkelkinder gerührt sind, sondern weil der Meister uns den Sinn der Schrift erschließt, die von seinem Kommen in diese Welt spricht.
„Wie schwer fällt es euch, alles zu glauben, was die Propheten gesagt haben?“ (Lk 24, 25)
Das Volk Israel sehnte die Ankunft des Messias herbei und wusste aus Gottes Verheißungen nicht nur dass er kommen werde, sondern auch wann, wo und wie. So ist es eigentlich nicht überraschend, dass Herodes die Hohenpriester und Schriftgelehrten rufen lässt, als die Weisen aus dem Morgenland von der Geburt eines Königs berichten.
Selbst die Heiden, die nicht in den heiligen Schriften, wohl aber im Buch der Schöpfung lesen konnten, haben aus dem Lauf der Sterne erkannt, dass ein neuer Herrscher in Israel zur Welt kommen sollte. Was sie dem König berichten, bestätigen die jüdischen Lehrer dank ihres Wissens um Gottes Verheißungen. Sie kennen den Ort, die Zeit und die wunderbaren Umstände der Geburt des Messias! So heißt es etwa beim Propheten Micha: „Du, Betlehem Efrata, bist zwar zu klein, um unter die großen Städte Judas gerechnet zu werden.
Dennoch wird aus dir einer kommen, der über Israel herrschen soll. Sein Herkunft reicht in ferne Vergangenheit zurück, ja bis in die Urzeit“ (Mi 5,1). Die Gelehrten wissen, dass der Retter seines Volkes aus Bethlehem, der Stadt Davids kommt, und er – wie der Prophet andeutet – der von Anfang an verheißene Sohn „geboren aus einer Frau“ (Gal 5, 5) ist (vgl. Gen 3, 15). Sie wissen auch – diese Berechnung ist für uns heute etwas schwierig nachzuvollziehen – in welchem Zeitraum der Messias kommen sollte: „Du sollst wissen und verstehen: Von der Zeit an, da der Befehl an die Propheten erging, Jerusalem wieder aufzubauen, bis zur Ankunft eines von Gott erwählten Fürsten, werden sieben Wochen vergehen.
Während 62 Wochen wird man die Stadt neu erstehen lassen und ihre besonderen Plätze und Straßen wieder aufbauen“ (Dan 9, 25-26). Interpretiert man die Wochen als symbolische „Jahrwochen“, die sieben Jahre umfassen, so fällt die Erfüllung der Verheißung eines Fürsten etwa 450 Jahre nach dem Befehl zum Wiederaufbau Jerusalems und der die heilige Stadt umgrenzende Mauer in die Zeit der Geburt Jesu. Die gläubigen Juden, die um die Worte der Schrift wissen, erkennen daher in ihm, als er das Reich Gottes predigt und die Menschen heilt, den verheißenen Retter: „Als die Leute diese Wunder sahen, riefen sie aus: ‚Dieser ist wirklich der Prophet, den wir erwartet haben. Er ist es, der in die Welt kommen soll’“ (Joh 6,14).
Ja, die Leute wussten, dass Jesus der ist, den schon Moses seinem Volk angekündigt hatte: „Einen Propheten wie mich wird dir der Herr, dein Gott, erwecken aus dir und deinen Brüdern; auf ihn sollt ihr hören.“ (Deut 18, 15).
„Er ist der Messias, der Herr“ (Lk 2, 11)
Der im Stall Geborene – das konnten die Weisen aus dem Morgenland ohne Kenntnis der Offenbarung nicht wissen – ist mehr als ein menschlicher Herrscher und mächtiger König.
Er ist der Sohn Gottes, der – ohne seine ewige Natur abzulegen – die unsere angenommen hat. Der Prophet Jesaja spricht deutlich sowohl von seiner Abstammung aus dem königlichen Hause Davids und dem damit verbundenen Anspruch auf Israel, als auch von seiner göttlichen Majestät, deren Reich grenzenlos ist und alle Völker umfassen wird: „Denn uns wurde ein Kind geboren, uns wurde ein Sohn geschenkt. Auf seinen Schultern ruht die Herrschaft. Er heißt: wunderbarer Ratgeber, starker Gott, ewiger Vater, Friedefürst. Seine Herrschaft ist groß und der Frieden auf dem Thron Davids und in seinem Reich wird endlos sein. Er festigt und stützt es für alle Zeiten durch Recht und Gerechtigkeit. Dafür wird sich der Herr, der Allmächtige, nachhaltig einsetzen“ (Jes 9, 5-6).
Das sind Worte, die dem König Herodes Angst machen. Er fürchtet um seine Macht, als er von diesem starken Herrscher hört, der unbesiegbar sein wird. Nur so lange er ein kleines Kind ist – so mag er vielleicht gedacht haben – kann er beseitigt und sein Aufstieg verhindert werden. Herodes erkennt nicht, dass das Blutbad, das er anrichtet, schon von Jeremia vorhergesagt wurde: „So spricht der Herr: Man hört Klagegeschrei und bittres Weinen in Rama: Rahel weint um ihre Kinder und will sich nicht trösten lassen, denn sie sind dahin“ (Jer 31, 15). Selbst das Verbrechen des Königs wird so zum Hinweis auf den wahren Messias.
Ein Altar für den Kaiser des Himmels
Wie der Bericht über die Weisen aus dem Morgenland andeutet, hatten selbst die Heiden, die nicht das Wort Gottes kannten, eine gewisse Ahnung vom Kommen eines mächtigen Herrschers, der der Welt den Frieden schenken sollte.
In der von Michelangelo so eindrucksvoll ausgestalteten Sixtinischen Kapelle finden sich daher neben den Propheten des Alten Bundes auch die Sybillen, die Seherinnen der heidnischen Welt, die in ihren Sprüchen und Rätselworten auf einen König und Retter hinweisen. Diese weisen Frauen bezeugen zusammen mit den Magiern, die nach Bethlehem zogen, die Sehnsucht der Völker nach Heil und Erlösung, auch wenn sie – im Gegensatz zu Israel – Gottes Heilspläne nicht kannten. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass Gott auch ihnen – über das philosophische, also dem der menschlichen Vernunft offenstehenden Wissen um sein Dasein hinaus – übernatürliche Hilfen geschickt hat, um die Ankunft seines Sohnes vorzubereiten.
Beeindruckend ist zum Beispiel die Legende, dass die sogenannte Tiburtinische Sybille Kaiser Augustus gesagt habe, dass in seiner Regierungszeit der Mächtigste aller Könige von einer Jungfrau geboren werde, der über Himmel und Erde herrsche. Ihm und seiner Mutter zu Ehren habe daher der Kaiser einen Altar neben dem Kapitol errichten lassen, die so genannte „Ara Caeli“ – „den Altar des Himmels“. Heute befindet sich dort die gleichnamige Kirche, in der eine Statue des Jesuskindes – des neugeborenen Königs – von den Römern innig verehrt wird und nicht nur zur Weihnachtszeit Briefe und Postkarten erhält.
Kann es sein, dass eine heidnische Seherin durch Gottes Gnade das in Bildern schauen durfte, was der Prophet Jesaija im offenbarten Wort verkündete: „Seht! Die Jungfrau wird ein Kind erwarten.“ (Jes 7,14)? Durften die Weisen aus dem Morgenland erkennen, was der heidnische Prophet Bileam mit seinem sprechenden Esel dank einer besonderen Offenbarung vorhersagen konnte: „Ich sehe ihn, aber nicht jetzt; ich schaue ihn, aber nicht von nahem. Es wird ein Stern aus Jakob aufgehen und ein Zepter aus Israel aufkommen“ (Num 28, 14).
Alles nur ein zauberhaftes Märchen? Wenn Engel, Sterne und sprechende Esel den Messias verkünden
In unseren Krippen beten Hirten und Könige das Jesuskind an, das in einer Krippe ruht. Einfache Tagelöhner und kluge Gelehrte finden den Weg zur Krippe, weil sie sich von Engeln und Sternen führen lassen. Schon die Jünger von Emmaus hatten in ihrer Enttäuschung Zweifel an den Engelserscheinungen am leeren Grab Jesu und den Berichten der Frauen, von der Auferstehung des Herrn.
Wer heute an himmlische Geister glaubt und aus der Schönheit eines Nachthimmels erkennt, dass es einen Schöpfergott geben muss, der wird belächelt und nicht ernst genommen. Fehlte nur noch man redete vom sprechenden Esel des Bileam!
Nur zu Weihnachten – um der schönen Stimmung willen – kann man ungestraft von Engeln, Sternen und Tieren, die in der Heiligen Nacht ihre Geschichte erzählen, sprechen. Viele Exegeseprofessoren, die in den Weihnachtsausgaben der großen deutschen Wochenzeitungen jedes Jahr zu Wort kommen, haben die Bibel „entmystifiziert“: Singende Engel und richtungsweisende Sterne gibt es ihrer Meinung nicht! Deshalb finden sie, die gebildeten Damen und Herren eines „das-Wort-ist-Papier-geworden“ Glaubens, auch nicht zur Krippe! Ja, es fehlen die Theologen, die zum Stall eilen und anbeten. Die, die die heiligen Schriften kennen, kommen nicht nach Bethlehem, dem, so die Übersetzung des Ortsnamens, „Haus des Brotes“.
Wer Gottes Wort nur historisch-kritisch zerpflückt, der findet nicht zum „lebendigen Brot, das vom Himmel herabgekommen ist“ und nun als unsere Nahrung in einer Futterkrippe liegt. Wer sich nicht vom Wort Gottes, das wie Engel und Sterne in der Nacht leuchtet, führen lässt, der beugt auch nicht das Knie vor dem Tabernakel unserer Kirche, in denen Jesus zu finden ist. All denen aber, denen sich die Schrift, die auf jeder Seite von Jesus spricht, wie den Jüngern von Emmaus erschließt, die eilend nach Jerusalem zurück rannten, denen brennt das Herz, so dass sie so schnell wie möglich zum Stall laufen, um dort das Wort zu finden, das Fleisch geworden ist.