Ein Kommentar von Monsignore Florian Kolfhaus
ROM, (CNA Deutsch).- Ein Nuntius erzählte einmal, dass er – er war erst vor wenigen Tagen in seiner neuen Mission angekommen – bemerkte, dass jeden Abend das Untergeschoss des Hauses hell erleuchtet, die elektrische Lampe vor dem Bild der Madonna aber gelöscht war. Als er die Schwestern, die sich um den Haushalt kümmerten, danach fragte, sagten sie ihm: „Exzellenz, uns ist gesagt worden, jeden Abend das Licht vor der Statue der Jungfrau zu löschen. Das haben wir gemacht. Von den anderen Lampen war nie die Rede.“ – Ist das „blinder Dienst“ nach Vorschrift oder gar Desinteresse an der anvertrauten Aufgabe? Ist es Faulheit, Dummheit, oberflächliche Gleichgültigkeit? Oder ist es vielleicht Demut und Gehorsam, unhinterfragte Pflichterfüllung und Bescheidenheit? Sancta simplicitas – heilige, staunenswerte Einfalt – oder Mangel an Engagement? Es steht uns kein Urteil zu.
Manchen Vorgesetzten sind sogar solche „braven“ und auf Zuruf dienstbereiten Seelen viel lieber als initiativfreudige Mitarbeiter, so dass wir nicht wissen können, ob die frommen Schwestern nicht gerade zu einem solchen „blinden Gehorsam“ erzogen worden sind.
Der heilige Franz von Sales wurde einmal gefragt, was die drei wichtigsten Tugenden im christlichen Leben seien, und er antwortete ohne zu zögern: erstens Demut, zweitens Demut, drittens Demut. Ohne Zweifel hat er Recht, würde man auch nur immer verstehen, was denn Demut wirklich bedeutet. Wie oft meinen nicht wenige Christen, dass Demut heiße, sich stets als schwach und sündhaft zu empfinden, und auch immer wieder zu sagen, dass man voller Fehler sei. Manchmal kann es dann unter frommen Katholiken zu einem wahren Wettkampf kommen, um sich gegenseitig zu unterbieten: „Ach ja, Du kannst wenigstens singen. Ich treffe keinen Ton.“ – „Das mag schon sein, aber mit meinem Herz bin ich gar nicht recht dabei.“ – „Das glaub ich nicht. Ich dagegen denke immer schlecht über die anderen in den Kirchenbänken vor mir“ … Das klingt übertrieben – ist es auch! – aber wir alle kennen die Dynamik einer falschen Demut, die in Wahrheit versteckter Stolz ist.
Nur die „Braven“ kommen in den Himmel?
Im Gleichnis von den Talenten, die der Herr in ungleicher, und mancher denkt vielleicht „in ungerechter“, Weise verteilt, kommt dies ein wenig zum Ausdruck. Der Knecht, der sein Talent vergräbt, verschleudert es nicht, wie vom „verlorenen Sohn“ behauptet wird, sondern bewahrt es treu auf. Er tut nichts Böses – aber er schafft mit dem ihm anvertrauten Gut auch nichts Gutes. Gott hat jedem von uns eine Vielzahl von Talenten und Begabungen gegeben. Manche leben auch in äußerem Wohlstand oder haben beste Beziehungen, um im Leben voran zu kommen. Manche können singen, andere zeichnen; manche sind Organisationstalente, andere Mathematikgenies. Demut heißt nicht „brav“ zu sein und die eigenen Gaben und Begabungen zu verleugnen.
Die Heiligen waren nicht einfach „brav“ im Sinne von „nett“ und „unproblematisch“, sondern leidenschaftliche Störenfriede, denen man immer wieder Stolz und Rechthaberei vorgeworfen hat. Demut ist Wahrheit: Wer singen kann, soll singen! Wer reden kann, soll reden! Ja, manchmal soll er sich sogar vordrängeln, wenn er es nur zur Ehre Gottes tut. Die Talente müssen vermehrt werden, bevor der Herr zurückkommt. Ganz konkret: Gott wird uns einmal fragen, warum er uns das Talent eines Musikers gegeben hat, und wir kein Instrument gelernt haben. Wir werden uns rechtfertigen müssen, warum er uns äußeren Wohlstand geschenkt hat, und wir nicht einmal die Zinsen unseres Reichtums zum Aufbau seines Reiches verwendet haben. Wir werden ihm Antwort geben müssen, ob wir ein bequemes und gemütliches, braves und spießbürgerliches Leben geführt haben – nicht schlechter als so viele andere – oder ob wir alles eingesetzt haben für sein Reich.
Demut ist die Medizin wider Angst und Entmutigung
Im Gleichnis von den Talenten sehen wir, dass Gott mehr verlangt, als nur nichts Böses zu tun. Der König wirft dem faulen Knecht sogar vor, sein Talent nicht einmal zur Bank getragen zu haben, denn dort hätte es ja wenigstens Zinsen gebracht. Wie oft werden Faulheit, Ängstlichkeit und Traurigkeit unter dem Deckmantel der Demut getarnt. Diese Tugend in falscher Weise zu präsentieren, scheint eine Lieblingswaffe des Teufels zu sein. Es wird berichtet, dass dieser dem hl. Bernhard – ein glanzvoller Prediger, an dessen Lippen Scharen von Menschen hingen – eingeflüstert habe, er sei voller Stolz und Eitelkeit und nur deshalb besteige er die Kanzel. Bernhard hat die Versuchung erkannt und geantwortet: „Wegen Dir habe ich nicht angefangen, wegen Dir höre ich nicht auf.“
„Die Welt ist klein, und wir sind groß“
Demut ist Wahrheit, nicht Kleinmacherei und schon gar nicht Angst. Ein aktueller Musikhit sagt: „Die Welt ist klein, und wir sind groß!“ – Das kann man sehr christlich verstehen: „Wir sind Kinder Gottes, denen diese schöne Welt zu klein, zu eng ist.“ Größenwahn? Nein, Wahrheit, Demut, Wissen um die eigene Berufung. Wären doch viel mehr Christen wirklich demütig und würden es wagen, ihre Talente einzusetzen, auch wenn es mal schiefgeht. Wer nie singt, trifft freilich keinen falschen Ton, aber niemals wird sein Lied erklingen.
Wer für Gottes Reich arbeitet, macht Fehler, findet sich in Sackgassen wieder, muss umkehren und von vorne anfangen – aber er wuchert wie ein guter Geschäftsmann und gewinnt am Ende. Manchmal hat man in der Kirche den Eindruck, es wären fast alle nur ängstlich darum bemüht, ja keine Kritik zu ernten, geschweige denn, etwas zu riskieren. „Wenn der Bischof nicht sagt, dass ich das Licht ausknipsen soll, werde ich mich hüten, es auszumachen!“ So unbekannt erscheint uns dieser Gedanke gar nicht, wendet man ihn auf manche Situationen in unseren Pfarreien und Gemeinschaften an. – Demut heißt „Mut zum Dienen“, Mut zum Risiko und Mut zum Einsatz – nicht passives Abwarten. So viele vergrabene Talente.
Der „verlorene Sohn“, der mit leeren Händen umkehrt, findet einen barmherzigen Vater. Der „demütige“ Diener, der in Wahrheit faul und ängstlich war, muss sich dem harten Gericht seines Herrn stellen. Der eine weint und bereut; der andere erklärt, warum es gar nicht so dumm war, sein Talent zu vergraben, das heißt kein Aufsehen zu erregen und Kritik zu provozieren. Der eine darf zum Fest – der andere … ein erschreckendes Gleichnis, wenn wir es ernst nehmen!
Mut zum Dienen ist von uns allen gefordert. Ja, es braucht Mut, mit den Gaben Gottes zu wuchern. Wenn wir ausgelacht und kritisiert werden, dann korrigieren wir uns gegebenenfalls und machen weiter. Wir haben wegen Gott begonnen – wegen ihm dürfen wir nicht müde werden und unsere Talente vergraben. Im Fronleichnamshymnus heißt es: Quantum potes, tantum aude. – Was Du kannst, das wage! Das ist der Wahlspruch eines christlichen, wirklich demütigen Lebens.
Habe soeben diese Überlegungen hier https://katholischlogisch.wordpress.com/2016/08/29/wie-ein-lamm-das-zur-schlachtbank-gefuehrt-wird/ gelesen. Sie sind hier verlinkt worden und stellen ein Echo auf die Diskussion hier dar.
An sich zeigt die Diskussion hier das tatsächliche Problem christlicher Demut. Sie ist nicht „unglücklich“, wie die dortoge Autorin schreibt (oder der Autor), sondern typisch für die Fragestellung.
Die Fragestellung der Demut hat sich für die Autorin eingegrenzt auf die Frage danach, wie man mit erlittenem Unrecht umgeht.
Diese Eingrenzung halte ich an sich nicht für sachgerecht, aber dennoch möchte ich dazu noch etwas sagen, weil ich es für wichtig halte:
Die biblische Metaphorik vom „Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird“ meint kaum:
„Nimm dir zugefügtes Unrecht hin, aber kämpfe, wenn andere Unrecht erleiden!“
Die erste Frage wäre: Hat Jesus denn überhaupt so gehandelt?
Man kann darauf nur mit einem klaren Nein antworten: Weder hat er für andere, denen Unrecht zugefügt wurde, aktiv gekämpft, noch nahm er jedes, ihm zugefügte Unrecht einfach hin.
Jesus heilte, segnete, predigte und diskutierte mit jüdischen Theologen, seinen 12 Jüngern und – was damals ein völliger Tabubruch war – ganz genauso auch mit Frauen. Er setzte sich einmal für die Ehebrecherin ein und hielt dem Mann vor Augen, dass er doch der Auslöser jedes Ehebruchs genauso ist. Ja, er hält dem Mann sogar eine größere Schuld vor Augen, denn er formuliert den Satz vom Eehebruch im Herzen einseitig vom Mann ausgehend.
Aber „kämpfte“ er tatsächlich gegen erlittenes Unrecht bei anderen?
Es hätte ja spektakuläre Kampfmöglichkeiten gegeben, etwa die, sich für Johannes den Täufer einzusetzen, der im Knast saß, weil er dem König vorgeworfen hatte, die Ehe zu brechen. Jesus also, der doch zum Thema Ehebruch nicht anders dachte als Johannes – nein, er „kämpfte“ nicht für Johannes, der ja sogar auch noch mit ihm leiblich verwandt war, der „größte Mensch (des alten Bundes)“, wie er ihn nannte…
Warum kämpfte Jesus nicht für diesen größten Menschen, dem Unrecht widerfuhr?
Die Autorin schiebt die Fragestellung darüber hinaus wie schon hier auf das Gleis des „Nicht um jeden Preis selbst recht behalten Wollens“, diese Absage an das Kämpfen für die eigene Sache.
Ich sprach aber nicht davon, sondern davon, dass auch ein demütiger Christ sich für seine eigene Rechtssache einsetzen muss, wenn es möglich ist. Tut er es nicht, weicht er damit das Recht ANDERER ebenfalls auf, weil er damit ja Exempel statuiert!
Es gibt aber tatsächlich in diesem sündhaften Äon oft genug die Situation, in der man Unrecht hinnehmen MUSS – es gibt keinen Weg mehr, es aufzuhalten.
Und das ist dann die Frage, ob wir bereit sind, das hinzunehmen oder zu ertragen – aber ohne in der Sache einzuknicken!
Ein Kleinbeigeben ist auch eine Form des Hochmuts.
Ich verweise auf Heinrich Seuse, der sich durch harte Kasteiung in „Demut“ üben wollte. SPäter ist er davon völlig abgekommen, weil er zugeben musste, dass der Herr Leid genug auferlegt, und dies gelte es zu bestehen. Leid also, das man nicht mehr abwehren oder heilen kann.
Man muss also nicht freiwillig auf sein Recht verzichten, solange man es noch hat! Aber wenn es einem genommen wird – dann bewährt sich der Glaube.
Die Kirche aber hat dem Gläubigen NIE auferlegt, sich unter großen Nachteilen oder Lebensgefahr für das Recht anderer einzusetzen – gerade das nicht!
Die Kirche ist realistisch: so hat sie etwa keinem Mann vorgeworfen, im Nationalsozialismus nicht Widerstand geleistet zu haben, wenn von ihm eine Familie abhing.
Die Autorin. Nicht „oder der Autor“. Im Gegensatz zu Ihnen schreibe ich unter Klarnamen und habe ein vollständiges Impressum auf meiner Seite.
Namen, die „echt“ klingen, müssen es im Internet nicht sein.
Ansonsten: Jeder weiß, wer „zeitschnur“ ist – oder sagen wir fast jeder, aber nicht jede (!). Ein Impressum habe ich auf meiner Haupt-Homepage… sogar hier auf dieser Site finden Sie meinen Bürgernamen unter den Gastautoren… Und auch auf meinem Blog ist jeder meiner Artikel mit meinem „Klarnamen“ unterzeichnet. Nicht bemerkt?
Was nützen die ganzen philosophischen Betrachtungen dem, der die Liebe nicht hat …
[…] Cathwalk hat Monsignore Florian Kolfhaus einen sehr lesenswerten Artikel zum Thema Demut geschrieben. Die Diskussion darunter verlief leider etwas unglücklich. Da mich das […]
Ich sehe hier eine mächtige Eskalation aufgrund der Tatsache, dass eine Person sich von der Meinung einer anderen ohne besonderen Grund angegriffen fühlte…
Übrigens steht im ersten Kommentar von Claudia Sperlich drin, Unrecht ertragen aber gleichzeitig benennen. Vom Schweigen gegenüber Unrecht ist da keine Rede.
Der Anlass, da jetzt ein Fass aufzumachen erschließt sich mir daher nicht.
Hier ist weder eine „Eskalation“ noch der Rest – wer fühlt sich denn konkret von wem angegriffen? Und woran sehen Sie das? Oder ist für Sie eine Meinungsverschiedenheit schon eine Eskalation?
Also zur Sache und zum ersten Kommentar, den Sie erwähnen, denn den zitieren Sie nicht korrekt. Daher können Sie auch die nachfolgende Debatte nicht verstehen:
C.S. schrieb:
„Meiner Auffassung nach gehört dazu, das selbst erlittenes Unrecht, zumindest dann, wenn es nicht existenzbedrohend ist, auch mal herunterschlucke und übergehe, aber zugleich das anderen Menschen zugefügte Unrecht als solches benenne.“
Wenn es wirklich nur um das „Unrecht“ geht, also um echtes Unrecht, nicht irgendwelche Eitelkeiten, dann ergibt es keinen Sinn, wenn man es mal „schluckt“, mal nicht.
Zum Thema Zitat des hl. Franz von Sales: ohne Zweifel hat er hier nicht recht; und ich gehe mal davon aus, auch (oder gerade?) als künftiger Patron der Journalisten hat er nicht damit gerechnet, daß seine rhetorische Einlassung, die vermutlich ohnehin nur „Demut ist sehr wichtig“ besagen sollte, bis in ein solches Detail von der Nachwelt als Beleg herangezogen werden würde.
Die wichtigsten Tugenden sind selbstverständlich 1. Liebe, 2. Glaube, 3. Hoffnung (bei der Reihenfolge von 2 und 3 bin ich mir nicht sicher). Mehr noch, ich denke, daß das an sich auch der Autor des Theotimus so sah.
Zum Thema „Lampe vor der Madonna“: Das hat ersteinmal mit Demut weder im positiven noch im negativen Sinne viel zu tun. Das Thema hier ist „Gehorsam“, und der hängt mit Demut nur insofern zusammen, als alle Tugenden mit allen zusammenhängen.
(z. B. ist der Vorwurf an die Piusbruderschaft „Ungehorsam“ auch für ihre freundlichsten Mitglieder und Unterstützer eine ernstzunehmende Anklage, auf die sie irgendwie zu antworten haben, der [über überall vorhandene Einzelfälle hinausgehende] Vorwurf „Hoffart“ dagegen einfach auch für ihre fair bleibenden scharfen Kritiker, sofern sie nicht ebenfalls die Begriffe durcheinanderwerfen, schlicht Unsinn.)
Was ist nun das mit dem „von den anderen Lampen war nie die Rede“? Ich kann nicht umhin, eine etwas schelmische Schlitzohrigkeit darin zu sehen: „bei mir wird nämlich jeder Befehl haargenau ausgeführt“. (Zitat SG Kowalski aus 08/15 im Krieg“, nachdem er den unsympathischen Hauptmann in den Graben gefahren hat.) Wie vermutlich jeder, der mal ein paar Monate von Berufs und staatlicher Pflicht wegen gehorsam war, kann ich das nur hochgradig sympathisch finden.
Zumal Vorgesetzte, wenn man ihnen sagt: „Sie haben A erlaubt und B verboten, das ist unlogisch“, in der Regel nicht B erlauben, sondern A verbieten. (Leute, die in der Kirche über Moral diskutieren, übrigens häufig auch, selbst wenn das „unlogisch“ gar nicht stimmt.) Daher die Erkenntnis „selber schuld wer nachfragt; wenn der Obere was haben will, soll er’s wenigstens von sich aus sagen“.
Und wie sagte doch Präsident Gen. U. S. Grant sinngemäß: ‚Der beste Weg, die Abschaffung unsinniger Befehle zu bewirken, ist sie penibel auszuführen.‘
Wörtlich ist Demut „dienende Gesinnung“ (das mittelhochdeutsche „muot“ kann nicht einfach mit dem neudeutschen „Mut“ gleichgesetzt werden).
Meiner Auffassung nach gehört dazu, das selbst erlittenes Unrecht, zumindest dann, wenn es nicht existenzbedrohend ist, auch mal herunterschlucke und übergehe, aber zugleich das anderen Menschen zugefügte Unrecht als solches benenne. Den Teil mit dem herunterschlucken habe ich allerdings noch nicht gelernt.
„Muot“ bezeichnet allgemein den Zustand der Seele/des Geistes – wohlgemut, anmuten, frohgemut, Gemüt, vermuten, zumuten…
„die“ (de) ist ein verkürztes Wort für „Dienst“.
Die Selbstverleugung, die Jesus verlangt, kann jedoch nicht bedeuten, dass man graduell Unrecht bei sich selbst gutheißt oder „schluckt“ und beim andern anprangert.
Hat Jesus erlittenes Unrecht einfach geschluckt?
Nein!
Er sagte selbst noch vor dem Hohenpriester, man möge ihm bitte beweisen, ob er etwas Falsches gelehrt oder gesagt habe. Warum also werde er gerade geschlagen? Er benannte damit das Unrecht ganz scharf!
Niemand muss etwas „schlucken“ – das hat mit Demut nichts zu tun. Es geht eher darum, ob man in einer Situation, die ohne Gewalt oder einen hohen anderen Preis nicht zu rechtzurücken ist, weiterkämpft oder die Ohnmacht äußerlich hinnimmt. nch Ihrer Devise hätte Stephanus aufhören müssen zu predigen, als er merkte, wie die Gelehrten zornig wurden…
Nein, niemand muss Unrecht einfach schlucken.
Unrecht ist unrecht – immer, egal ob bei mir oder andern. Und es muss immer benannt werden.
Immer. Auch wenn es mich betrifft.
Stephanus betet für die Mörder um Nichtanrechung ihrer Sünde – also nennt er ihre Sünde Sünde und schluckt sie nicht einfach.
… „zumindest dann, wenn es NICHT existenzbedroht war.
Wenn man das kleinere Unrecht, das ungerechtfertigte Angeranzt-werden, die durchaus verletzende Bemerkung in der Nachbarschaft oder Gemeinde über irgendetwas Persönliches, die vielleicht gar nicht so schlimm gemeinte Spöttelei, nicht auch übergehen kann, macht man sich selbst und das Verhältnis zu den meisten anderen langsam aber sicher kaputt.
Klar, da gebe ich Ihnen recht – gewissermaßen aus Effizienzerwägungen und Lebensklugheit.
Ich habe schlicht keine Lust, mich mit jedem Dreck auseinanderzusetzen, dafür ist mir vielleicht die Zeit zu schade, und es kratzt mich eh nicht – was juckt es die deutsche Eiche, wenn sich die Wildsau an ihr reibt…
Aber das hat für mich mit Demut nichts zu tun.
Wenn Demut wirklich bedeutet, dass man sich mit Christus zum Diener aller macht, dann geht das für mein Verständnis eher in die Richtung, dass man sein Leben nicht für sich haben will, für den eigenen Genuss, sondern gewissermaßen als Spieleinsatz für das Reich Gottes einsetzt bzw. von Gott einsetzen lässt – und dies im vollen Vertrauen, dass Gott alles, was er mir zugeteilt hat, auch entfaltet sehen will. Wenn mich daran einer hindern will, darf ich das nicht „schlucken“. Und diese Hindernisse sind schillernd… und manchmal kommen sie ja soooo fromm daher….
Es ist diese Geste: Herr, ich habe 5 Brote, und der andere sagt: Ich habe Fische. So kann einer sagen: Herr, ich kann und will singen zu Deinem Lob und zur Freude des Menschen, Herr, ich kann und will mein Geld einsetzen, Herr, ich habe einen Mann und empfange und gebäre leicht viele Kinder… Herr ich kann kontemplieren und das Kontemplierte ins Wort bringen… Herr ich bin ein Mann, aber für Dich will ich mich vollkommen verleugnen, damit Du in den Sakramenten sichtbar wirst – das ist der Ausgangspunkt der Demut, und dann wartet man ab, ob Gott einen in seinen Dienst stellt. Und was das dann gibt, ist immer ein echtes Abenteuer.
Ob mir jemand unrecht tut, ist eigentlich nicht das Thema.
Das kling für mich wie „Ich möchte gehen lernen und fange am besten mit Bergwandern an“.
Falsch – es ist ein anderes Bild: „Wohin Herr soll ich, da Du mich gehfähig gemacht hast, gehen?“
Die Frage „Wohin soll ich gehen?“ gehört selbstverständlich immer dazu.
Nur schließt „Ich muss nicht ständig auf Krawall gebürstet sein“ diese Frage nicht aus. Es geht NICHT immer um mein Recht – mehr habe ich im Grunde nicht gesagt.
Übrigens: die Demut, wie sie unser Heiland etwa im heutigen liturgiereformierten Sonntagsevangelium empfiehlt, hat durchaus, ganz offensichtlich, einiges mit Lebensklugheit zu tun.
Ja sogar, mit Verlaub, mit – vom Heiland gutgeheißener – Bauernschläue.
Habe ich etwas gegen Lebensklugheit gesagt? Irgendwo?
@ Claudia Sperlich
Überlegen Sie, wie unlogisch das ist, was Sie vortragen!
Unrecht ist immer Unrecht, egal, ob es mir oder anderen passiert, und wenn ich dagegen einschreiten kann, soll ich es auch tun – egal, ob es um mich oder andere geht. Natürlich macht man dabei immer einen Kosten-Nutzen-Überschlag, überprüft, welche Möglichkeiten und Grenzen man hat… Der normale Katholik ist aber wie der Rest der Menschheit ein feiger Hund und hält lieber den Mund, als dass er sich in die Nesseln setzte. Auch dann, wenn es ihn wenig kostete, für das Recht einzutreten.
Warum, frage ich noch mal, hat dann der hl. Stephanus seine „Krawall-rede“ nicht beendet, als er merkte, dass die jüdische Schickeria allmählich durchdrehte?
Ich finde es geradezu perfide und symptomatisch, dass Sie eine aufrechte Haltung gleichsetzen mit einem „Auf-Krawall-Gebürstetsein“. Wer also dem Unrecht entgegenstritt, wer es mutig benennt, der ist ein Querulant?! Durchleiden das heute nich ungezählte Mobbing-Opfer: wer das Maul auch nur ein bisschen aufmacht für die Wahrheit, gilt als ein solcher… ich habe das inzwischen bei mehreren Personen miterleben müssen, über Gerichtsprozesse und regelmäßig feigen, pervers-feigen Kollegen, die ohne Not alle „lebensklug“ waren, erst als die Betroffenen vor Gericht recht bekamen, haben auch diese feigen Leute schon immer gewusst…
Bitte versuchen Sie zu begreifen, dass ich von „Unrecht“ sprach und nicht von verletzter Eitelkeit. Ich bin erwahcsen und habe dramatische Beispiele vor Augen. Vielleicht verwechseln Sie ja echtes Unrecht mit dem persönlichen Narzissmus, der uns allen natürlich auch zu schaffen macht.
Vielleicht verwechseln Sie ja auch das, was ich eingangs schrieb und was sehr persönlich war, mit dem, was Sie für alle Welt und für immer wollen, weil Sie wissen, was gut und recht ist.
Wenn es um echtes Unrecht geht, dann wissen wir sehr wohl, was recht ist und was unrecht – das wissen Sie doch auch!
Alles andere, was Sie zwischendurch mal nennen, all diese persönlichen Getupftheiten, all das ist normalerweise nicht der Rede wert. Das sind Peanuts. Es ist aber dann auch bei einem anderen nicht der Rede wert. Auch beim anderen sind das Peanuts. Warum sollte ich solche Kleinigkeiten hochjuben und „ahnden“, wenn sie jemanden anderen als mich selbst betreffen? Auch so herum ergibt es für mich keinen Sinn.
Aber das Thema war, was Demut ist.
Mir ging es eher darum zu sagen: das alles hat für mich mit Demut nichts zu tun.
Dass wir alle irgendwie strategisch reagieren und handeln, ist normal, aber Demut heißt, dass man aufhört, das eigene Handeln moralisch oder spirituell zu „berechnen“.
Mit Appellen an sich selbst wird man nicht weit kommen.
Da muss ein anderer Aspekt dazukommen, eine Art „gnadenvoller Vergesslichkeit“, die nicht nur die Schulden der anderen an einem mit Mühe und Not abspeichert, nach dem Ausfechten aber sofort vergisst und „löscht“, sondern auch die eignen Werke der Gerechtigkeit sofort vergisst…
Sich abmühen, wie Sie es beschreiben – tun auch die Heiden…
Aber das vertieft nur die Empfindlichkeit und den Stolz.
Wie wahr! Die „Demut“ wird, wie auch ich es schon sehr oft erlebt habe, als Keule und Erpressungsmittel missbraucht. Damit erstickt man alles, was einem selbst nicht passt oder wovon man den eigenen ach so wichtigen Part im Reich Gottes „bedroht“ sieht – der Mitchrist als Konkurrent in Sachen „Dein Reich komme“.
Typisch etwa dafür sind Zuschreiber, die einem in privaten Mails mittzuteilen haben – „in höherem Auftrag“, wie sie suggerieren, man sei nicht demütig. Gleich kommt auch noch die Keule des „Non serviam“ hinterher, von der man betroffen sei. Warum und wieso wird einem nicht verraten – es genügt, dass man irgendetwas öffentlich klar und deutlich vertreten oder vorgetragen hat. Argumente in der Sache werden nie vorgetragen. Es genügt, all das, was man vortrug, pauschal als Ausdruck des Hochmutes zu zeihen. Typisch auch die herbalassende Erklärung von manchen Herren der Schöpfung, gerne auch Tradipriestern, man habe als Frau gefälligst den Mund zu halten. Allein dass man irgendwo noch gesehen wird, ist bereits Zeichen der mangelnden Demut. Solche Männer sind sich ebenso wie entsprechende Frauen offenbar ganz sicher, dass das, was sie gerade tun, – nämlich einen Menschen, den sie persönlich gar nicht kennen, ohne irgendein Sachargument zurechtzuweisen -, ein Akt der Demut sei. Mir ist diese Chuzpe ein Rätsel. es gehört schon ein Maß an Verblendungswahnsinn dazu, andere so zusammenzustauchen. ohne zu bedenken, dass einen der Vorwurf selbst doch noch viel härter treffen könnte. Wer kann dem andern ins Herz sehen?!
Ich habe daher gelernt, das Wort Demut zu meiden. Sobald einer darüber redet, was er selbst doch in aller Demut und in aller Unterordnung tue, also die „Demut“ ständig im Mund führt, ist mir klar, dass derselbe Mensch alles, nur nicht demütig ist. Denn Demut ist nichts, was man leisten kann.
Wer ehrlich ist, muss zugeben, dass er nicht demütig ist. Ich jedenfalls nicht, wenn ich mich so ansehe. Zugleich weiß ich aber, dass mir an dem Punkt aus eigenem Vermögen mit Sicherheit niemand überlegen ist.
Demut ist eine Gnade!
Der Mensch sucht aufgrund seiner Natur immer zuerst das Eigene. Gewollte Demut ist nur ein berechneter Einsatz, um noch perfekter das Eigene zu suchen.
Demut in einem vollkommenen Sinn – und nur so ergibt der Begriff überhaupt Sinn! – ist nur auf das Gnadenwirken des Hl. Geistes in uns zurückzuführen.
Wahre Demut weiß von sich selbst nämlich nichts.
Deshalb wissen auch die Schafe beim Jüngsten Gericht nicht, dass sie je den Herrn bedient haben und wundern sich darüber, dass er ihnen Verdienste anrechnet. Die Böcke dagegen rechnen ihm vor, was sie doch alles an Werken der Gerechtigkeit getan haben.
Eine Hinderung eines Menschen, seine Talente zu entfalten, ist an sich durch das Naturrecht schon verboten.
Nun müssen wir aber zugeben, dass auch in der Kirche schon immer genau diese Behinderung sogar noch aus frommen Gründen passiert ist. Man hat nicht nur Frauen sehr stark mit frommen Gründen behindert (etwa durch Bildungsausschluss – man denke nur an die Schwierigkeiten, die das Lehramt Mary Ward und ihrem Werk jahrhundertelang machte! Wenn vernünftige Monarchen sie nicht gefördert hätten – die auf die Demut der anderen erpichten Kleriker hätten ihr gutes Werk zertreten!), sondern im Rahmen eines rabiaten Ständedenkens auch viele Männer, die das Pech hatten, im falschen Haus geboren zu werden… oder man denke an die grausame Vernichtung des Werkes der Ordensgründerin Rosa Flesch durch den Ortsbischof und neidische Mitschwestern. Es ist gut, dass Benedikt XVI. sie 2008 selig gesprochen hat…
Das ist also ein weites Feld. Dennoch finde ich auch, dass am ehesten noch in der Kirche eine Entfaltung vieler Talente möglich war, die in anderen Kulturen von Anfang an erstickt worden wären.
Die Demutskeule und die Stilisierung der Unterwürfigkeit haben keine guten Früchte erzeugt, und auch bei manchem modernen Heiligen stieß mir dieses Selbsterniedrigungsgetue ungut auf, etwa auch bei Maximilian Kolbe. Wenn man bedenkt, dass Maria ihre Erhebung besingt, dann denke ich, dass wir das mit ihr dürfen, wohl wissend, dass wir vor Gott Staub wären, aber dass er uns bei sich haben will. Wer aber bei Gott sein soll, ist kein Nichts mehr – auch wenn er es aus reiner Gnade ist, ist er eben doch das, was er ist und muss sich dessen auch bewusst sein.
Man muss um Demut bitten, um ein Zurechtgebrachtwerden der Seele in der Not der Wunden und Narben durch die Sünde.
Es stimmt nicht, daß die Böcke was vorrechnen, sondern sie haben nichts vorzuweisen.
Jaja, @ Nepomuk, das steht an einer anderen Stelle, was ich meine, bezieht sich aber auch auf das Gericht, in Mt 7, 22:
„Viele werden an jenem Tag zu mir sagen: Herr, Herr, sind wir nicht in deinem Namen als Propheten aufgetreten und haben wir nicht mit deinem Namen Dämonen ausgetrieben und mit deinem Namen viele Wunder vollbracht? Dann werde ich ihnen antworten: Ich kenne euch nicht. Weg von mir, ihr Übertreter des Gesetzes!“
Die in Mt 25 etwas vorzuweisen HÄTTEN, wissen nichts von dem, was sie vorweisen könnten. Ich denke, es stimmt schon, was ich sagen wollte, mit diesen Reaktionen der Menschen im NT überein.
Auch die rechnen dem Herrn genau nicht vor, was sie an Werken der Gerechtigkeit getan haben. Das rechnet ihnen vielmehr der Herr vor, nämlich entscheidendes nicht: „ihr Übertreter des Gesetzes!“ – Was die ihm vorrechnen, ist (und ich kann nicht umhin zu denken: sehr bezeichnenderweise) mehr der „fancy stuff“, wie man auf englisch sagt: wir sind als Prophet aufgetreten, haben Wunder bewirkt etc.
An der einzigen mir bekannten Bibelstelle, wo einer sagt „alle Gebote habe ich von Jugend auf befolgt“, wird er dafür nicht getadelt. (Daß er dann selber, !, „was fehlt mir noch?“ fragt und traurig ist, weil ihm Jesu Vorschlag nicht gefällt, steht auf einem anderen Blatt.)
@ Nepomuk,
Ich denke, Sie wissen selbst, dass das nun Wortklauberei ist – der reiche Jüngling wird implizit sehr wohl getadelt, denn er weiß selbst, dass er mit seinen Werken das Reich Gottes noch nicht erreicht – deshalb fragt er doch, was er tun muss, UM es zu gewinnen! Und Jesus sagt nicht: Du hast es doch schon, sondern er sagt ihm, was er bisher nicht tat: nämlich die Selbstentäußerung.
Es ist die Selbstentäußerung, die der Jüngling (noch) nicht schafft, von der er aber schon vorher ahnte, dass es auf sie ankäme.
Wenn schon denn schon – wenn schon Wortklauberei, dann bitte ganz genau und ohne Abstriche.
Wenn weiterhin auch der hl. Paulus sagt, die Rechte dürfe nicht wissen, was die Linke an gerechten Werken tut, dann ist auch das Bestätigung meiner Interpretation:
Die echte Demut kennt sich selbst nicht, ja: sie KANN sich nicht selbst kennen! Sie ist es, die es dem Herrn überlässt, wie er uns beurteilt.
Nein, das ist keine Wortklauberei, weder bei den Böcken, die nun einmal nichts vorrechnen, noch bei den Leuten in Mt 7, die nun einmal nicht auf ihre Werke der Gerechtigkeit, sondern gewissermaßen auf ihre früheren kirchlichen Ämter, ja ihre Prominenz verweisen (ich nehme mir die Freiheit, das für einen entscheidenden Unterschied zu halten), noch beim reichen Jüngling, der nun einmal auf die Frage, was er tun muß, um das ewige Leben zu gewinnen, im Tone der Selbstverständlichkeit auf die allbekannten Gebote verwiesen wird (einschließlich Nächstenliebe übrigens), und dem seltsamerweise der Heiland nicht einmal in seiner (ein wenig jugendlich-leichtsinnigen?) Behauptung widerspricht, er habe alle diese Gebote von Jugend auf erfüllt: wenn das ein Tadel sein soll, weiß ich ehrlich gesagt nicht, wie ein Lob ausschaut.
Wie er dann mit der Situation umgeht, daß ihn der Heiland, „weil er ihn lieb hatte“, auf Nachfrage zu einer höheren Form der Nachfolge einlädt (nicht ohne ihm dafür auch eine besondere Belohnung zu versprechen: „und du wirst einen Schatz im Himmel haben“) und er keine Lust hat diese Einladung anzunehmen, steht auf einem anderen Blatt.