Von Monsignore Florian Kolfhaus
ROM, (CNA Deutsch).- Die Zeiten sind vorbei, in denen man sich als Autofahrer nur mit „Co-Pilot“ in eine unbekannte Großstadt gewagt hat. Es war die Aufgabe des Beifahrers, die riesige Straßenkarte, die aufgeklappt beinahe über’s Lenkrad hing zu studieren, um den richtigen Weg anzugeben. „Nächste Kreuzung links abbiegen“ – „Immer geradeaus“ – „Falsche Richtung. Umdrehen!“ Diese Anweisungen übernimmt heute eine wohlklingende Frauenstimme aus dem GPS. Es genügt, ihren Anweisungen zu folgen, und man kommt sicher und schnell ans Ziel – ja selbst Baustellen und Straßensperrungen sowie die besten Umleitungen werden angegeben. Wer heute alleine und nur mit einer Faltkarte ausgestattet losfährt, wird vom Rest der Welt belächelt. Zu Recht!
„Bitte wenden!“
Auf dem Rückflug von Armenien nach Rom hat Papst Franziskus in einem Interview mit den ihn begleitenden Journalisten wieder einmal davon gesprochen, dass die Kirche eine Frau ist. „Sie ist die Braut Christi“. Sie ist – um den Vergleich zu wagen – das GPS mit der sanften weiblichen Stimme, die den Weg weist. Das kann manchmal richtig nervig sein, wenn sich die Dame in ihren Anweisungen ständig wiederholt und auch dann, wenn man meint Schleichwege zu kennen, unerbittlich und doch stets in freundlichem Tonfall verkündet: „Bitte wenden!“. Die Kirche tut das Gleiche. Sie gibt den richtigen Weg an und mahnt zur Umkehr, wenn wir falsch abgebogen sind. Die Bibel zu lesen ist hervorragend, und gerade katholische Christen können von evangelischen (meist evangelikalen) Christen, die täglich zur Heiligen Schrift greifen, lernen, ihr Leben nach dem Wort Gottes auszurichten.
Aber oft ist die Bibel eine nicht leicht zu lesende Karte und im Augenblick der Entscheidung – wenn ich den Weg vorher nicht buchstäblich auswendig gelernt habe – braucht es kurze, präzise Antworten: „Jetzt die Wahrheit sagen!“ – „Mund halten; nicht weiterdiskutieren“ – „Nicht mit diesen Phantasien spielen. An Frau und Kinder denken!“ Meine Beifahrer „an Bord“ – d.h. andere Christen, mit denen ich unterwegs bin – sind eine große Hilfe, auf dem richtigen Weg zu bleiben, aber die sicherste Methode ist es, auf das GPS zu hören. Die Dame, die sich in dem kleinen Gerät vor der Windschutzscheibe verbirgt, kennt alle Straßen und weiß um die Baustellen, die es zu umfahren gilt. Die Kirche kennt Gottes Willen und sie ist mit allem, was Menschen ereignen kann, vertraut. Sie führt nicht in die Irre, sondern weist den rechten Weg.
Was zählt ist der Weg, der zum Ziel führt
Die Botschaften eines Navigationsgerätes müssen kurz und präzise sein. Lange Ansagen führen nur dazu, die richtige Abzweigung zu verpassen. Man stelle sich vor ein GPS spräche wie so mancher Pfarrer im Sonntagsgottesdienst: „Guten Morgen. Schön, dass Sie sich ins Auto gesetzt haben und mir zuhören. Gemeinsam wollen wir ein Stück des Weges fahren. So viele Verkehrsregeln engen uns Tag für Tag ein, aber doch spüren wir beide die Freiheit, für die unser Hersteller uns geschaffen hat.
Lassen wir uns nicht einengen von Geschwindigkeitsbegrenzungen. Wagen Sie den Aufbruch! Wagen Sie die Autobahnauffahrt. Und wenn Sie wollen, begleite ich Sie bei dieser Erfahrung! Es geht doch nicht darum, es an irgendein Ziel zu schaffen. Wichtig ist, gemeinsam unterwegs zu sein.“ – Wie oft haben wir schon den dummen Satz gehört: Der Weg ist das Ziel. Ein so programmiertes GPS wird aussortiert. Schön, wenn eine freundliche Stimme in sympathischen Ton mir sagt, wo’s lang geht, aber „pastorale“ Floskeln, die nicht mehr von der Doktrin (das heißt der Straßenkarte sprechen) führen nicht ans Ziel, sondern lassen uns im Kreis fahren – ständig um uns selbst herum.
Raus aus dem Funkloch – rein in die Kirche!
Wie gesagt, die sich ständig wiederholenden GPS Ansagen „Bitte wenden! Bitte wenden! Bitte wenden!“ können nervig sein, und es gibt nicht wenige Autofahrer, die meinen, es besser zu wissen, wo’s langgeht. Die Mehrheit der Katholiken scheint diese Haltung auch gegenüber der Kirche einzunehmen: „Wieso Enthaltsamkeit vor der Ehe? Wieso Landstraße statt Autobahn, auf der ich Gas geben kann.“ – „Wieso zur Beichte gehen? An den Baustellen meines Lebens komme ich auch auf dem Standstreifen vorbei.“ Mann kann ohne GPS Autofahren; man kann ohne die Kirche das Leben meistern, wenigstens dann, wenn das Ziel nicht „Himmel“ heißt.
Immer aber bleibt die Unsicherheit, gerade im Verkehrschaos der Großstädte das heißt des kurvenreichen Alltags, ob man noch auf der richtigen Spur ist. Die Kirche will Menschen nicht gängeln und in ihrer Freiheit einschränken – genauso wenig wie ein Navigationsgerät. Die freundliche Dame – das gilt für das GPS wie für die Kirche – übernimmt nicht das Steuer meines Autos, um es herumzureißen, und tritt auch nicht auf die Bremse. Ich bleibe frei, ihr zu folgen oder nicht. Dieser „Gehorsam“ – auch entgegen meinen persönlichen Meinungen und Vorstellungen vom rechten Weg und den Widrigkeiten, die es zu umfahren gilt – hat sich bewährt.
Das Schlimmste, was passieren kann, ist nur, dass ich kein Signal empfange – dass ich mich so heillos im Dickicht des Lebens verfahren habe, dass mich das GPS Signal nicht mehr erreicht bzw. ich die Stimmte der Kirche nicht mehr höre, weil ich so weit weg von ihr bin. Dann kommt es nur darauf an, so lange zu suchen, bis ich wieder die Ansagen hören kann: „In 200 Metern bitte links abbiegen!“
Christus ist der wahre Weg
„Ubi Petrus, ibi Ecclesia“ – „Wo Petrus ist, da ist die Kirche“. Der Papst ist, wenn er denn sein oberstes Lehramt ausübt, die Stimme des Ewigen Wortes, das Christus selbst ist. Er erfindet keine neuen Pfade, sondern erinnert an den einen und einzigen Weg zum Vater. Er erklärt die Karte, die Gottes Sohn seiner Kirche hinterlassen hat, und weist auf aktuelle Gefahren hin, so wie das GPS mahnt, bestimmte Baustellen zu umfahren oder Staus zu meiden. Das Wort von der Anpassung der Kirche an die moderne Lebenswirklichkeit der Menschen – und das heißt dann die Akzeptanz all der Wege, die sie selbst wählen wollen – macht so wenig Sinn wie der Vorwurf an ein Navigationsgerät, den Autofahrer seiner Freiheit zu berauben.
Wer will, kann ja ausschalten; andere Ansagen zu fordern als jene, die der Karte entsprechen, die der Meister selbst gezeichnet hat, ist schlichtweg Betrug. Ein GPS etwa, das – um sich bei seinem Besitzer beliebt zu machen – nur wiederholt: „Immer geradeaus. Freie Fahrt! Bitte Gas geben!“ gehört in den Müll. Einer Kirche, die so predigt, folgt kein vernünftiger Mensch.
Warum Jesus seiner Kirche ein GPS-System geschenkt hat
Die Kirche ist eine Frau; sie ist die Braut Christi, die treu wiederholt – unzählige Male und durch alle Zeiten hindurch – was der Geliebte ihr anvertraut hat. Kein Priester, Bischof oder auch der Papst dürfen etwas anderes sagen, als das, was Jesus gepredigt und seine Kirche seit 2000 Jahren jeder Generation erneut ins Gedächtnis ruft. Ihrer Stimme Gehör zu verleihen und damit Gottes Wort als authentische Wegweisung im Verkehrschaos dieser Welt zu verkünden, ist Aufgabe der Hirten; ist Aufgabe des Papstes. In der Tat, sein Amt ist das eines Navigators.
Das Fest der Apostelfürsten Petrus und Paulus ist Anlass dankbar dafür zu sein, dass wir ein solches „Navi“ haben. Es ist eine erneute Einladung, im Lärm dieser Zeit die freundliche Stimme jener Dame zu erkennen, die die Braut Christi ist, um auf sie zu horchen und ihrer Verkündigung zu gehorchen. Das ist der sicherste Weg zum Ziel.