Heute beginnt die 15. Austragung der Fußball-Europameisterschaft
Der Monat Juni steht im Zeichen des Fussballs. Nirgendwo im Sport wird das Auf und Ab des Siegens und Verlierens so deutlich verspürt wie bei diesem alle vier Jahre stattfindenden Turnier. Zumindest fiebern ganze Nationen mit, heben ab im kollektiven Jubelrausch oder versinken im Schmerz derjenigen, die ausgeschieden sind. Eine Niederlage wird zur nationalen Tragödie. Ein Siegestor gebiert neue Helden, während die Sterne anderer “Fussballgötter” versinken. Ihre Statuen fallen zu Boden, sobald sie selbst mit ihrer Leistung ins Straucheln geraten. Nur wenigen ist der Aufstieg in den “sportlichen Olymp” beschieden.
Frömmigkeit gegen Sportlichkeit?
Die Gemeinde der Fussballfans verehrt und vergöttert die Sieger und sie dreht sich enttäuscht von denen weg, die nicht mehr zu den Siegern gehören. Die “Liturgie” des Fussballsports hat ihre eigenen harten Regeln. Der Zweite ist und bleibt der erste Verlierer.
Angesichts dieser Beschreibung des Sports als mediengerechtem und ökonomisch ausgefülltem Wettkampf ist es kaum vorstellbar, dass die Bibel überhaupt eine Verbindung zum Sport aufweist. Dabei wird der Körper des Menschen im Neuen Testament sogar als Tempel Gottes beschrieben, und in diesem Sinne darf man ihn nicht vernachlässigen – doch wird einem Körperkult, wie er heute vorzufinden ist, nicht das Wort geredet. Und wenn man in den 1. Timotheusbrief blickt, so kann man im 4. Kapitel, Vers 8 lesen: “Die leibliche Übung ist wenig nütze; aber die Frömmigkeit ist zu allen Dingen nütze und hat die Verheissung dieses und des zukünftigen Lebens.” Frömmigkeit gegen Sportlichkeit, Stadionbesuch gegen Kirchenbesuch? Sind das die Alternativen für den Christen?
Paulus und der Sport
Wir müssen genauer hinschauen, denn der biblische Befund ist bei weitem noch nicht befriedigend dargestellt. Gerade der Apostel Paulus, der uns die Theologie der Gnade Gottes in unser Herz geschrieben hat, verwendet in seinen Briefen Bilder, die dem Sport entnommen sind. Im 1. Brief an die Korinther schreibt er im 9. Kapitel in den Versen 24-27:
“Wisst ihr nicht, dass die Läufer im Stadion zwar alle laufen, aber nur einer den Siegespreis bekommt? Lauft so, dass ihr ihn gewinnt! Jeder Wettkämpfer lebt aber völlig enthaltsam; jene tun dies, um einen vergänglichen Siegeskranz zu bekommen, wir aber einen unvergänglichen. Darum laufe ich nicht wie einer, der ziellos läuft. Ich boxe nicht wie einer, der nur in die Luft schlägt, sondern ich treffe mit meinen Schlägen den eigenen Körper und mache ihn mir gefügig, damit ich nicht etwa anderen predige und selbst untauglich dastehe.”
Der grosse Unterschied
Natürlich kannte man in Korinth die Isthmischen Spiele, die seit 44 n. Chr. wieder zur Ehre des Gottes Poseidon gefeiert wurden. Nur einen Siegeskranz gab es bei diesen Spielen zu erringen. Diesen zu erringen, ruft Paulus die Christen auf. Aber er distanziert sich deutlich von der Sportideologie des Hellenismus. Der Christ kämpft um den unvergänglichen Siegeskranz. Der Laufwettbewerb ist dem Apostel Paulus aber gleichnisfähig für seine Verkündigung. Um des einzigartigen Zieles, um des ewigen Lebens willen, lohnt sich der ganze Einsatz. Der Sieg, von dem Paulus schreibt, wird aber nicht gegen Menschen errungen. Es gehört für ihn eine ganz bestimmte Kultur des Siegens zum Christenleben. Es gibt immer nur den Siegeskranz für mich, nie aber nehme ich ihn anderen weg, wenn ich ihn erringe.
Sieger über mich selbst
Und hier kommt der Vergleich aus dem Stadion, wo ja mehrere darum kämpfen, Sieger zu werden, an seine Grenze. Der gewaltige Impetus aus dem Wettkampfsport, unbedingt der alleinige Sieger zu werden, wird aufgenommen, aber mein eigener Sieg geht nicht auf Kosten der anderen, die dadurch zu Verlierern werden. Ich selbst bin es, der Sieger über mich selbst werden soll. Der Christ kämpft in sich und mit sich. Nicht der andere ist sein Gegner oder gar sein Feind, der einem den Überlebenssieg streitig machen will. Ich bin es!
Der Athlet als Vorbild
Paulus ermahnt uns, dem Kampfpreis der himmlischen Berufung Gottes in Jesus Christus nachzujagen (Philipper 3,12-15). Der Athlet ist für Paulus ohne Zweifel ein Vorbild. Der Christ soll sich an seinen Eigenschaften ein Beispiel nehmen, aber er soll sein Ziel von Gott her bestimmt sein lassen. Der errungene Sieg ist im Glauben nicht meiner Leistung zuzuschreiben, sondern dem Sieger, Jesus Christus. Der Glaube ist und bleibt mir in meinem Laufen und Nachjagen geschenkt! Geschenkte Siege? Ist das sportlich ansprechend? Ja, denn der Lauf des Lebens ist ohne Gottes Sieg für uns nicht zu gewinnen. Gott macht uns in unserem Laufen – das erwartet wird – zu Gewinnern. Von diesem Gewinn her dürfen wir als Christen Sportler, Stadionbesucher und Fans unserer Mannschaft sein.
Sport als Religion?
Christen haben eine Verantwortung für den Sport, denn der Fall des Menschen hat auch die spielerischen und schönen Züge des Sports entstellt. Das Fussballfeld ist keine Insel der Seligen, sondern es liegt inmitten der gefallenen Schöpfung. Und so verwundert einen die religiöse Komponente des Sports nicht, wird doch das schöpfungsmässige Gefüge von Anbetung, Spiel und Arbeit im Spitzensport oft verwirrt. Schon in seinen geschichtlich fassbaren Anfängen wurde der Sport kultischen Zwecken dienstbar gemacht. Die Olympischen Spiele dienten ursprünglich dem Totenkult. Sie waren eine Beschwörung, die Segen oder Sühne bezweckte.
Heute fehlt es nicht an Versuchen, den Sport zum neuheidnischen Kult werden zu lassen. Schon Coubertin – der Begründer der modernen Olympischen Spiele – empfand so: “Für mich bedeutet Sport eine Religion mit Kirche, Dogmen, Kultus …, aber besonders mit religiösem Gefühl.” Er sieht im Sportler “eine Art Priester und Diener einer Religion der Kraft”. Das Spiel wird, anstatt so etwas wie ein heiterer Kranz des Lebens zu sein, zur Mitte. Hier liegt die Gefahr, dass der Muskel Kultgegenstand, der Athlet Heiliger unserer Zeit wird, der kultische Ehrung geniesst und seine Anhänger bezaubert. Leistungssteigerung ist Aufstieg in höhere Sphären. Der Wettkampf wird Sakrament, das Stadion zum Heiligtum; und der Geist, der dann waltet, ist der Fanatismus. Sport wird so zur Religion unserer Zeit.
Christen als faire Sportler
Es wird viele geben, die das Spiel oder ihre Mannschaft zur Religion erheben. Da ist es gut, wenn Christen, als Fans nicht denen das Feld überlassen, die gefährdet sind. Es ist gut, wenn in Kirchengemeinden Fussballspiele übertragen werden. Es ist gut, wenn Christen sich in Vereinen als Funktionäre und als Sportler engagieren. Es ist gut, wenn Christen zeigen, dass sie faire Sportler sind. Und letztlich gilt gerade bei der Fussballeuropameisterschaft: Es werden nicht nur weite und kurze Pässe geschlagen, sondern auch so manches Kreuz – sichtbar für jedermann.
Quelle: „Livenet/Jesus.ch“