Von Felix Honekamp
Eine Ergänzung zum Cathwalk-Kommentar von Monsignore Florian Kolfhaus
Geheime Lüste von Katholiken? Das klingt mindestens so reißerisch wie der Titel des lesenswerten Beitrags auf The Cathwalk „Von den geheimen Lüsten katholischer Priester„. Und wie es auch bei diesem Beitrag um Spirituelles geht, so sieht das auch bei katholischen Laien aus. Anders als man es bei einem solchen Titel über einem Spiegel-Artikel erwarten würde, geht es mir natürlich nicht um ein Katholiken-Bashing nach der Devise „Schaut mal, was diese Oberfrommen so treiben!“ sondern um eine Werbung für den katholischen Glauben. Insofern ist der Titel auch – entschuldigung – irreführend, denn die „Lüste“ katholischer Laien sind so geheim eigentlich nicht. Jeder könnte sie kennen, und jeder, der sie nicht kennt, muss sich an die eigene Nase fassen, warum eigentlich nicht.
Das geht schon mit einem ganz gewöhnlichen katholischen Tagesstart los, in den ein Morgengebet integriert ist. In einem Film habe ich mal die Lilalaune-Devise gehört „Start every day, as if it was on purpose! – Starte jeden Tag, als tätest du es mit Absicht!“ Katholiken, betende Katholiken, tun genau das, allerdings nicht als oberflächlichen Motivationsschub sondern aus der inneren Überzeugung, das sie einen Auftrag haben. Und mit ihrem Chef, ihrem Mentor, ihrem Beistand und ihrer Lebensstütze sprechen sie eben direkt am Morgen. Sie gehen vielleicht den Tag durch, besprechen Sorgen und Nöte, auch positive Highlights, sie gehen mit dem Gefühl des Dankes in den Tag: Dank für ihren Glauben, Dank für das Aufwachen, dank, dass sie die Zeit mit Gott verbringen dürfen.
Viele betrachten eine Stelle aus dem Evangelium, nehmen sich ihre Vorsätze noch mal zur Brust … und am Ende dieser Zeit – manchmal nur fünf, vielleicht auch fünzehn Minuten oder eine halbe Stunde – gehen sie „on purpose“ in den weiteren Tag. Ich gebe zu, mein innerer Schweinehund bringt mich regelmäßig dazu, statt zu beten lieber diese Zeit an den Schlaf dran zu hängen. Und ich bereue es jedesmal! Nicht, weil ich Jesus bei unserem „Jour-fixe“ versetzt habe, sondern weil ich den Tag ohne ihn starten musste. Gott möchte mit mir reden, ich brauche es, mit ihm zu reden. Darum: Nicht zu beten schadet mir mehr als Gott!
Ein so begonnener Tag wird auch durchwirkt sein von Gott. Da kann man sich selbst auch die eine oder andere Erinnerung einbauen: Ein Kreuz oder ein Bild von Jesus auf dem Schreibtisch, ein Tischgebet, das Stoßgebet vor schwierigen Situationen oder das Dankgebet danach. Der Christ weiß Gott an seiner Seite, komme was da wolle. Er trägt mich in schwierigen Situationen, er stützt mich in Versuchungen, geht selbst dann nicht von meiner Seite, wenn ich Versuchungen nachgebe. Diesen Freund immer an meiner Seite zu wissen ist einfach großartig! Besonders wichtig wird das auch dann, wenn es nicht nur darum geht, Gott in Schwierigkeiten um Hilfe zu bitten sondern ihm auch zu danken oder – noch besser – ihn einfach anlasslos zu loben.
Mancher mag meinen, dieser Rückbezug zu Gott sei eine Schwäche – der Christ weiß, dass das Quatsch ist: Der Herr ist meine Stärke, besser: meine zusätzliche Stärke! Ich kann mein Wissen trainieren, meine Fitness, meine beruflichen Qualifikationen. Stark macht aber etwas anderes, stark über das individuelle Maß hinaus macht der göttliche Freund an der Seite!
Dass so ein betender Katholik das Gespräch mit Gott auch ans Ende des Tages legt, erscheint dann schon fast selbstverständlich: Wie war der Tag? Was war gut, wofür möchte ich danken? Was war weniger gut, wofür bitte ich um Verzeihung? Und ja, Gott lässt mit sich reden: Wie jedem Freund kann ich auch ihm Vorwürfe machen: Wieso hast du mich da (scheinbar) alleine gelassen? Welchen Sinn soll diese oder jene Entwicklung haben? Ich bin überzeugt: Man kann auch mit Gott schimpfen, solange man nur im Gespräch bleibt und offen für seine Antwort! Und so geht der Katholik am Ende eines Tages behütet schlafen. Rein weltlich betrachtet sieht das nicht anders aus, als bei jedem anderen Menschen auch. Und spirituell betrachtet wacht Gott auch an den Betten der Menschen, die ihn nicht kennen oder ihn ablehnen. Der Unterschied ist: Der Christ weiß darum, und ich würde jede Wette eingehen, dass betende Menschen besser, ruhiger schlafen, als Menschen, die am Vorabend bereits sorgenvoll auf den nächsten Tag schauen, den sie wieder ganz alleine beginnen müssen.
Jetzt habe ich viel vom Gebet gesprochen, was dem einen oder anderen vielleicht zu frömmelnd vorkommt. Aber ist es nicht ein karges Leben, das ein Christ, ein betender Katholik mithin, führt? Ist nicht der Genuss an sich schon eine Versuchung, der er widerständig und jeder weltlichen Freude feindlich gesinnt entgegentreten muss? Ganz ehrlich: Ich habe keine Ahnung, woher diese Einschätzung kommt, die sicher auch der eine oder andere Gläubige mit seinem Lebensstil bestätigt. Dabei gibt es so großartige Zeugnisse der Bibel von der Genussfreude Jesu und des Überflusses, den Gott uns schenkt. Ich denke dabei gerne an die Hochzeit von Kanaa, bei der Jesus der Hochzeitsgesellschaft noch mal richtig üppig den besten Wein nachschenkt.
Ich denke auch an sein Erscheinen am See nach der Auferstehung, wo er den Jüngern Fisch am Feuer serviert – was für ein Genuss muss das gewesen sein?! Jesus ließ sich auch einladen – von Pharisäern wie von Zöllnern -, und ich finde keine Stelle in der Bibel in der steht, er habe dort um einen Schluck Wasser und etwas trockenes Brot gebeten. Der eine oder andere mag einen Schrecken bekommen, aber wenn ich Jesus vor Augen habe, dann als einen lebensfrohen Menschen, der den angebotenen Genüssen – alles Geschenke des Herrn – nicht abgeneigt war. Der Begriff „Party-Man“ führt vielleicht zu weit, aber ich würde ihn auch nicht vollständig ablehnen.
Jesus hat in der Wüste auch asketisch gelebt, aber nicht aus einer Ablehnung des Genusses an sich sondern um sich selbst vorzubereiten. Eine Diät zu halten, um gesünder zu werden, ist etwas ganz anderes, als fundamentalistisch jede Kalorie zu zählen. Und selbst wenn jemand für sich persönlich eine Berufung zur Askese spürt, dann nicht aus der Ablehnung der weltlichen Geschenke Gottes heraus sondern aus dem Bestreben, sich selbst – und seiner Beziehung zu Gott – etwas Gutes zu tun. Und da mag auch wiederum ein Unterschied zwischen gläubigen und rein weltlich lebenden Menschen vorhanden sein: Der Christ dankt für das Geschenk, betet es nicht an!
Er weiß, dass der gute Wein, die Zigarre, das Filetsteak, die erlesene Kleidung, dass all das ein Geschenk Gottes ist. Und so genießt er es noch viel mehr, als wenn er sich auf den Standpunkt stellte, er habe sich diese Genüsse durch eigene Hände Arbeit verdient. Der Genuss nach einem harten Arbeitstag gehört genau so in diese Kategorie: Gott schenkt mir diese Pause, er weiß um meine Anstrengungen des Tages, und ich darf mich in seine Hände begeben und eben genießen, was er mir schenkt.
Dass das nicht in Verschwendung münden sollte, ist hoffentlich genau so klar, wie das sich die Genüsse nicht zu einem neuen Gott entwickeln dürfen. Dazu kommt noch, dass das, was mancher als Genuss betrachtet in der Tat dem Verhältnis zu Gott schadet: Nicht alles, was als Genuss daherkommt, ist am Ende auch einer – die Sünde tritt nicht als Sünde auf sondern als etwas Erstrebenswertes. Dabei geht es dann aber sowieso nur um kurzfristige Genüsse, die nicht wirklich glücklich machen können, sondern sich als faule Eier entpuppen, die man besser nie angefasst hätte. Nebenbei: Bei dieser Unterscheidung hilft wiederum der Glaube – Gott selbst sendet ausreichend Warnsignale, wenn man sie denn hören will.
Wer also den Beitrag auf The Cathwalk zu den geheimen Lüsten katholischer Priester gelesen hat und sich fragt, wie es denn mit den Laien aussieht, dem kann ich nur sagen: Anders aber nicht schlechter! Die geistlichen Genüsse, die das Amt eines Priesters mitbringt, wird ein Laie nicht erreichen können. Aber Gott hat viel mehr im Köcher als uns gemeinhin klar ist. Man muss diese Geschenke nur annehmen, sich von einer fehlgeleiteten Askese verabschieden und Gott beizeiten dafür danken. Falls dann ein ungläubiger Nachbar neidisch werden sollte, sich fragen sollte, was Sie so glücklich macht: Umso besser!
Felix Honekamp (*1970) ist ausgebildeter Bankkaufmann und Diplombetriebswirt sowie freier Publizist und Journalist. Seit 2011 betreibt er die Website Papstteuerblog, dort erschien dieser Artikel zuerst.