Von Friedrich Reusch
Teil 1: Die persönliche Ebene
Es gibt Bereiche des menschlichen Lebens, die uns in ganz existenzieller Art und Weise in Anspruch nehmen. Gerade in dem Umgang eines Menschen mit dem Sexualtrieb, der in jedem gesunden Menschen ungleich stärker ausgeprägt ist als die anderen Triebe, zeigt sich seine innere Einstellung und Verfassung. Hier trennt sich auch im persönlichen Glaubensleben jedes Christen die Spreu vom Weizen; hier zeigt sich, welche Wertnormen und moralischen Gesetze der einzelne Christ nur kognitiv wahrgenommen, aber auch, welche er verinnerlicht hat. Da Versuchungen in diesem Bereich in sehr starker Weise aufkommen, wird man sie nicht mit einem „Sonntagsglauben“ bewältigen können.
Da die 2014 durchgeführte internationale KJB-Umfrage ergeben hat, dass der DGW sich nach dem Wunsche vieler KJB-ler verstärkt lebenspraktischen Themen widmen soll, scheint es angezeigt, mit dem Kampf um die Reinheit ein Thema zu behandeln, dass Vielen (auch dies hat die Umfrage ergeben) auf den Nägeln brennt. Eine DGW-Projektgruppe hat sich diesem Thema gewidmet und möchte es den Lesern nun in zwei Teilen aufbereiten.
Schnell wurde klar, dass für viele KJB-ler nicht das Problem ist, dass sie das 6. Gebot nicht kennen würden. Jedoch machen gerade in diesem Bereich viele die Erfahrung, dass der Geist willig, das Fleisch aber schwach ist (Mt 26, 41). In der Zeit der Arbeitsphase machte der Leiter der DGW-Projektgruppe gleich zweimal die Erfahrung, per Zufall auf dem Smartphone zweier befreundeter KJB-Mitglieder im Internetverlauf auf Clips gestoßen zu sein, die den Betroffenen dann äußerst peinlich waren – warum also länger dazu schweigen? Gehen wir das Thema an! Oder trauen wir es unserem allmächtigen Gott nicht zu, dass er auch in diesem Bereich Heilung und Rettung schafft?
Wir hoffen auf und beten um eine Erneuerung unserer Gesellschaft im katholischen Geist, doch hängt diese auch von unserer Bewährung in unserer heutigen Zeit ab. Es ist schon wahr: ein Christ des 21. Jahrhunderts sieht sich im Bereich des 6. Gebots einem wahren Bombardement an Versuchungen ausgesetzt. Aber was tun? Jedes „Gerät“ aus dem Haushalt werfen, das theoretisch Anstoß zur Unreinheit geben kann? Dann müssten wir wohl als erstes unseren Kopf aus dem Fenster werfen, in dem sämtliche sündhafte Gedanken ja oft entstehen. Den Kampf um die Reinheit in unseren Tagen zu wagen heißt in erster Linie, Reinheit in seine Beziehung zu Gott zu bringen. Den Heldenmut, der in unseren Tagen im Bereich der Moral gefordert ist, wird kein Glaubensleben aufbringen können, welches nur im Modus der leidigen Pflichterfüllung heruntergespult wird.
Ehe wir uns in einem zweiten Teil in analytisch-systematischer Form mit dem Thema der Reinheit, die sich im Alltag bewähren muss, beschäftigen wollen, soll im ersten Teil zunächst eine Art Bestandsaufnahme erfolgen. Zwei Mitglieder der KJB haben sich bereiterklärt, vom Kampf um ihre Reinheit Zeugnis zu geben – diese beiden stehen stellvertretend für viele Mitglieder unserer Bewegung, und mancher wird sich vielleicht in den Zeugnissen wiederfinden – wenn auch nicht in den konkreten Umständen, so doch in der Erfahrung, dass der Bereich der Sexualität als konflikthaft erlebt wird.
Die DGW-Projektgruppe hofft mit diesen Zeugnissen bei der Leserschaft die Erkenntnis hervorzurufen, dass es sich lohnt, sich seinen Problemen auch auf diesem Gebiet zu stellen – oft stellt sich z.B. die Frage, welche psychologischen / biographischen Mängel über die Sexualität versucht werden, zu kompensieren. Vor allem aber soll auch die Erkenntnis reifen, dass über jedem persönlichen Sumpf aus Schuld, Angst und Einsamkeit ein liebender, barmherziger und verzeihender Gott steht, dessen sehnlichster Wunsch es nicht ist, uns zu bestrafen, sondern uns zu vergeben.
Fortsetzung folgt